Während einer fünfmonatigen Auszeit auf Hawaii, fand die Sängerin Leslie Clio wieder zu sich selbst. Das Resultat: ihr neues und bereits drittes Album „Purple“. Am Samstagabend trat die gebürtige Hamburgerin auf der Hörn-Bühne auf und begeisterte die Kieler-Woche-Besucher. Vorher sprach die 30-Jährige im Interview mit KIELerLEBEN über ihre Zeit auf Hawaii, Trennungsschmerz und die Farbe Lila
KIELerLEBEN: Als gebürtige Hamburgerin warst du doch bestimmt schon oft auf der Kieler Woche?
Leslie Clio: Ja, ich war schon oft auf der Kieler Woche. Ich bin früher auf ein Internat in Plön gegangen, was nicht weit weg ist, und dann waren wir oft hier.
KIELerLEBEN: Hättest du damals gedacht, dass du eines Tages mal hier auf der Bühne stehen würdest?
Leslie Clio: Ja. Das hab ich total visualisiert. Was immer wichtig ist im Leben. Ohne Ziele, keine Tore.
KIELerLEBEN: Dein neues Album heißt „Purple“. Hat die Farbe Lila eine besondere Bedeutung für dich?
Leslie Clio: Ich habe die Platte so genannt, weil ich einen Artikel über die Bedeutung von Farben gelesen habe. Da stand, dass Lila für Selbstbestimmung und Unabhängigkeit steht. Das fand ich ganz schön. Dann habe ich weiter recherchiert, wofür die Farbe sonst noch steht. Alles, was ich gefunden habe, passte so gut, dass ich das Album „Purple“ nennen wollte. Lila ist zum Beispiel auch die Witwenfarbe oder steht für “bruises“, also Narben. Und auf der Platte sind ja tausend Narben. Ich hab zwei DIN A4 Seiten voll mit Bedeutungen.
KIELerLEBEN: Im Vergleich zu deinen ersten zwei Platten ist „Purple“ das persönlichste Album. Was macht es so persönlich?
Leslie Clio: Dass ich es sehr isoliert und völlig für mich in einer Blase gemacht habe. Ich hab weder daran gedacht, ob es radiotauglich ist, weder daran gedacht, wie es andere finden, weder daran gedacht, was die Fans sagen und weder daran gedacht, ob der Anschluss an die ersten beiden Alben fließend ist. Wollte ich auch gar nicht. Ich war ja fünf Monate auf Hawaii, um nach dem zweiten Album erstmal klar zu kommen. Dann habe ich aber schnell wieder angefangen Musik zu machen. Das war aber wirklich einfach nur für mich. Bis zur letzten Minute. Das ist das einzige, was funktioniert auf lange Sicht. Wenn du einfach nur das machst, was du machen musst, weil du sonst platzt. Weil es unausweichlich ist, dass du es machst.
Mir ging es damals nicht gut, ich war sehr traurig, heartbroken und everything. Dann sitzt man immer im Studio und fragt sich: „Warum passiert immer mir so etwas?“. Wenn man dann alles rausgelassen hat und am Ende diese Platte in der Hand hält, dann ist die Antwort: „Deshalb“.
KIELerLEBEN: Welcher Song hat am längsten gedauert?
Leslie Clio: Was immer am längsten dauert, ist das textliche Feilen am Ende. „In and out" habe ich zum Beispiel geschrieben, als ich gerade wieder in Deutschland war. Das hatte ganz lange kein Thema. Der Refrain war sofort da und die Melodie in der Strophe auch. Und dann hatte ich eine Situation, relativ spät in der Produktion, da hatte ich so einen Idioten, der nicht wusste war er will. Kennt man ja. Und ich so: „Darum geht es in dem Song!“. Der hat also am längsten gedauert.
Wobei „Riot“ war erst ein ganz cleanes, 3:30 Pop-Demo und das hat sich dann in der Produktion extrem ausgedehnt. Da haben wir uns sehr ausgetobt. In dem Song gibt es einen Rap-Part, den ich wie ein Hip-Hopper ganz klassisch im Studio geschrieben habe. Das war auch der letzte Song, der fertiggestellt wurde.
KIELerLEBEN: Die Songs auf „Purple“ klingen teilweise sehr viel düsterer als dein bisheriger Sound. Dabei warst du auf Hawaii eigentlich an einem sehr sonnigen Ort. Wie passt das zusammen?
Leslie Clio: Ich glaube, es ist relativ lax wo man ist. Die menschliche Gefühlspalette ist in dir drin. Da ist es egal, wo du bist. Orte inspirieren dich unterschiedlich. Wenn du in Waikiki sitzt, bist du wahrscheinlich anders drauf, als wenn du bei minus 30 Grad in St. Petersburg bist. Grundsätzlich nimmst du deine Gefühle und Umstände überall mit hin. Und als ich nach Hawaii gegangen bin, war ich einfach leer. Ich war zum ersten Mal in meinem Leben richtig erschöpft – und das mit Ende zwanzig.
Jetzt bin ich 30 und möchte den zweiten Akt meines Lebens beginnen. Die kreative Auszeit hat mir geholfen, stehenzubleiben und im Moment zu sein. Deswegen ist die neue Platte auch so schnell entstanden, mit wenig Arbeit und sehr viel Spaß. Ich sag ja immer, Erfolg ist eine Definitionssache. Nur weil etwas viel Schweiß und Anstrengung gekostet hat, heißt es nicht, dass es besser oder erfolgreicher wird, als wenn du drei Tage einfach nur Spaß hast. Das ist eine wichtige Erkenntnis. Das war bei „Purple“ der Fall. Ich bin da einfach hin, hatte überhaupt nichts vor und habe mich entspannt. Dabei auch zugelassen, mal traurig zu sein. Ich habe mich von Menschen und Dingen verabschiedet und ein Kapitel abgeschlossen. Dabei habe ich viel nachgedachte und reflektiert. Ich finde es grundsätzlich wichtig – und das predige ich auch – dass man Trauer zulassen soll. Warum kann ich denn nicht sagen: „Heute bin ich traurig“?, und setz mich hin und heul. Das ist doch super!
Dementsprechend ging mir das so auf Hawaii.
Ich habe dort in einem Tal gewohnt, an einem Dschungelabhang. Um sechs oder halb sieben geht die Sonne unter. Dann bin ich dort immer durch die Gegend spaziert. Dabei ist auch „Darkness is a filler" entstanden, als ich es zugelassen habe, gerade nicht positiv zu sein. Umso schneller ging es mir besser.
KIELerLEBEN: Was hast du dort für Musik gehört?
Leslie Clio: Viele Playlists auf Spotify. Ich habe das neue Rihanna Album "Anti", aber auch Frank Ocean viel gehört. Beide haben mich vor allem in den letzten zwei Monaten sehr beeinflusst. Den Song „Fade away" von Susanne Sundfør höre ich schon seit zwei Jahren jeden Tag.
KIELerLEBEN: Du hast für dein neues Album ein Duett mit Drangsal eingesungen. Mit welchen Künstlern würdest du noch gerne zusammenarbeiten?
Leslie Clio: Ich bin ja ein Listen-Fan. Ich habe sehr viele Listen. Dementsprechend auch für Kollaborationen mit anderen Künstlern. Es gibt sehr viele Leute, mit denen ich mal zusammenarbeiten will. Das Wichtige dabei ist einfach, egal welche Idee man hat, man muss sie laut aussprechen. Keine Idee ist zu groß. Ich habe den Grammy als Hintergrundbild auf meinem Handy. Nur wenn ich den jeden Tag angucke und ihn vielleicht ab und zu mal ausspreche, manifestiert sich das. Es gibt da also ein paar Sachen, die bisher nicht geklappt haben, aber das passiert dann sowieso noch.
KIELerLEBEN: Welcher ist dein Lieblingssong auf dem neuen Album?
Leslie Clio: „Game Changer“, weil ich in meiner Karriere sehr viele Songs geschrieben, drei Alben veröffentlicht und zusätzlich 800 Demos herumliegen habe. Aber das ist ein Song, der ein Klassiker ist. Den werde ich auch nach acht Alben noch in meiner Setlist haben. Der ist in meiner Karriere ganz präsent.
KIELerLEBEN: Im Zeit-Magazin hast du geschrieben, dass es ein Traum von dir ist, mal ein Buch zu schreiben. Wovon würde das handeln?
Leslie Clio: Von mir, denn da muss ich nicht bei Google recherchieren und der Ansprechpartner ist immer vor Ort (lacht). Ich lese sehr viele Biographien. Ich bin früh von Zuhause weg, bin aufs Internet gegangen und hatte nicht so das Elternhaus. Meine Vorbilder habe ich mir in Büchern bzw. Biographien gesucht. Sei es in einem dicken Buch über Jane Fonda oder Diane Keaton. Starke und erfolgreiche Frauen – das war so mein Frauenbild. Vielleicht auch, weil ich es Zuhause nicht hatte.
KIELerLEBEN: Was ist deine beste und was ist deine schlechteste Eigenschaft?
Leslie Clio: Ich bin sehr ungeduldig. Meine Stärke und meine Intuition sind meine besten Freunde. Ich kann hinfallen und wieder aufstehen. I don't care. Ich habe immer sehr viel Faith in alles. Ich habe Power, denn ich wache morgens auf und habe Bock. Mich muss keiner motivieren.
KIELerLEBEN: Du wohnst mittlerweile in Berlin. Vermisst du den Norden manchmal?
Leslie Clio: Nö. Ich bin oft hier. Meine Freundin holt mich nachher ab und morgen sind wir auf einem Matrosenball. Wenn ich den Norden vermisse, steig ich einfach in den Zug und komme her.
KIELerLEBEN: Was magst du am liebsten an Berlin?
Leslie Clio: Meine Freunde und die Menschen, mit denen ich dort mein Leben verbringe. Und die Spree.