Lux aeterna, das ewige Licht – es zeigt sich an diesem Abend für Chor und Ballett nur als Ahnung in der Dunkelheit. Choreograf Lars Scheibner und Chordirektor David Maiwald bringen mit „Lux Aeterna“ ein spannendes Experiment zwischen Körper und Klang auf die Bühne des Kieler Opernhauses. Am Samstagabend feierte das Stück seine Uraufführung.
„Lux aeterna“ könnte von der Menschwerdung erzählen, von der Spannung zwischen Archaik und einsetzender Zivilisierung, vom Mit- und Gegeneinander, Gruppe und Individuum. Dabei arbeiten Scheibner und Maiwald weniger narrativ als mehr assoziativ mit schlaglichtartigen Szenen auf einer dunkel gehaltenen, massiven Bühne. So bleibt der Interpretationsspielraum groß und die Deutung offen.
Den Kieler Opernchor steckt Robert Pflanz (Ausstattung) in lange, schwarze Kutten: geheimnisvoll und leicht schaurig, mit ein bisschen viel Pathos vielleicht. Doch die Kostüme passen zur A-capella-Chormusik von Györgi Ligeti, Sergej Rachmaninow, Francis Poulenc und Edward Elgar, die ihre ganz eigene Stimmung zwischen Folklore und Mystik entwickelt. Auch wenn die extremen Höhen gleichfalls wie die extremen Tiefen manchmal ein wenig wackelig daherkommen, präsentiert sich der Opernchor ansonsten doch stark und strahlend.
Diesem wuchtigen Klangkörper setzt Scheibner seine vier Tänzer Preslav Mantchev, Stefanie Fischer, Edward James Gottschall und Emil Wedervang Bruland entgegen. Ganz anders als der Chor sind diese leicht bekleidet, nur mit Jeans und Shirt; Preslav Mantchev ist sogar fast nackt. Die vier tanzen meistens gegen- und dabei doch auf beeindruckende Weise miteinander. Raumgreifende Bewegungen mischen sich mit Kampfkunst-Elementen; ständig Tempo, kaum Innehalten. Der Chor ist dabei nicht bloße Kulisse, sondern wird Teil des Ganzen.
Für Stefanie Fischer bleibt leider nur beim Pas de deux mit Mantchev Raum, ihre tänzerische Fertigkeit unter Beweis zu stellen. Nachdem Mantchev die einzige weibliche Rolle am Ende des Tanzes durch eine angedeutete Vergewaltigung unterwirft, zeigt sie nur noch stille Posen, kaum Aktion. Wie ihre Mittänzer Edward James Gottschall und Emil Wedervang Bruland liefert sie jedoch eine solide Leistung ab. Für regelrechtes Staunen sorgte einmal mehr Protagonist Mantchev, der seinen Körper fabelhaft gut einzusetzen weiß und der seine Bewegungen – nahezu alle – auf den Punkt genau ausführt.
„Lux aeterna“ ist kein leichtes Vergnügen. Bis zum Schluss lässt sich nicht auflösen, ob das ewige Licht und die Suche danach zur Erleuchtung führen oder ob eben diese nur mit gleichzeitiger Verblendung erkauft werden kann. Der Wagemut der Verantwortlichen wurde am Samstagabend mit langem, starkem Applaus und Bravo-Rufen belohnt, die beweisen, dass das Kieler Publikum weitaus empfänglicher für mutige Experimente jenseits des Provinz-Theaters ist, als ihm hin und wieder unterstellt wird.
Die nächste Vorstellung findet statt am Freitag, den 8. April, im Opernhaus Kiel. Weitere Informationen und Tickets unter www.theater-kiel.de
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