Um den Zwiespalt zwischen Persönlichkeit und politischer Verantwortung geht es in Friedrich Schillers „Maria Stuart“. Regisseur Dariusch Yazdkhasti inszeniert das Drama im Schauspielhaus als bedrückendes Kammerspiel.
Maria Stuart, Königin von Schottland, flüchtet im Jahr 1568 nach England, da man ihr vorwirft, ihren Liebhaber zum Mord an ihrem zweiten Ehemann angestiftet zu haben. Sie hofft auf Schutz von Elisabeth I., der Königin von England. Als Urenkelin Heinrich VII. kann Maria allerdings legitime Ansprüche auf den englischen Thron erheben und bedeutet so in Elisabeths Augen eine Gefahr für die eigene Macht. Auf Veranlassung von Elisabeth wird Maria gefangen genommen und des Gattenmords angeklagt. Obwohl nicht verurteilt, bleibt sie in Haft. Erst als man glaubt, ihr eine Verschwörung gegen die englische Königin nachweisen zu können, wird sie zum Tode verurteilt. Die Handlung des Stücks setzt drei Tage vor Marias Hinrichtung ein.
Betört von Maria Stuarts (Claudia Friebel) Schönheit, hatten immer wieder junge Männer die Schottin zu befreien versucht. Auch der junge Mortimer (Felix Zimmer), Neffe von Marias Wächter, nimmt einen Auftrag Elisabeths (Agnes Richter), ihre Gefangene ohne viel Aufsehen umzubringen, nur zum Schein an. Er schmiedet stattdessen einen Befreiungsplan, in den er auch den Grafen von Leicester (Imanuel Humm) einweiht. Dieser liebt Maria und ist zugleich Elisabeths Günstling. Er fädelt ein Treffen der beiden Königinnen ein, bei dem Maria Elisabeth um Gnade bitten soll.
Als sich die beiden gegenüber stehen, gibt Maria die Würde ihres Königtums preis, Elisabeth aber genügt dieser Triumph nicht. Sie wirft ihr Heuchelei vor und beschuldigt sie, ihre Männer ins Jenseits befördert zu haben. Der mühsam zurückgehaltene Stolz Marias bricht hervor: Sie bezichtigt Elisabeth der Scheinheiligkeit, die mit ihrem tugendhaften Verhalten (als „jungfräuliche Königin“) ihre niedere Herkunft nicht verschleiern könne. Leicesters Versöhnungsversucht hat die beiden Rivalinnen noch unversöhnlicher entzweit.
Elisabeth sieht sich nun gezwungen, Maria hinrichten zu lassen, um ihren Thron zu sichern. Da sie die Schuld hierfür jedoch nicht übernehmen und ihren guten Ruf nicht riskieren will, unterzeichnet sie das Urteil und übergibt es ohne klare Anweisung ihren Beratern. Nachdem Maria tot ist, entzieht Elisabeth sich der Verantwortung.
Die bedrückende Atmosphäre des Stücks wird dem Zuschauer von Beginn an geradezu aufgedrängt: Bilder von „Überwachungskameras“ werden live auf eine Leinwand hinter der Bühne projiziert. Sie machen gleich zu Anfang deutlich, dass die Bühne, umgeben von kahlen Wänden, ein Gefängnis ist. Ein Gefängnis für die verurteilte Maria und ein Gefängnis für die ohnmächtige Elisabeth, die aus ihrer Rolle als Königin nicht heraus kann. Sie scheut sich vor der Verantwortung und zögert so, das Urteil zu unterzeichnen. Das gibt ihren Beratern, allen voran dem Großschatzmeister Burleigh (Zacharias Preen), Gelegenheit, sie zum eigenen Vorteil zu umwerben. Permanent befinden sie sich, auch wenn sie gerade nicht an einer Szene beteiligt sind, auf der Bühne und lassen die Königin nicht aus den Augen.
Einige verbale Ausbrüche der Figuren in die heutige Zeit sorgen für ein während der Aufführung seltenes Lächeln auf den Gesichtern der Zuschauer. Als sich Mortimer Leicester öffnet, weist dieser ungläubig die Regie mit den Worten „Kann ich das noch mal haben?“ an, die Sequenz auf der Leinwand noch einmal abzuspielen. Gelungen wird hier die konstante Überwachung aller Charaktere illustriert. Das Schauspiel der Akteure rettet den Abend nicht immer über die Zeit, ist aber dennoch überzeugend, beklemmend und sehenswert.
Weitere Vorstellungstermine in diesem Monat:
19. Januar, 20.00 Uhr
21. Januar, 20.00 Uhr
22. Januar, 16.00 Uhr
27. Januar, 20.00 Uhr
31. Januar, 20.00 Uhr
Karten gibt es unter www.theater-kiel.de.
Alle Bilder: Olaf Struck
Text: Melanie Schippling