Das neue Jahr bringt natürlich auch neue Bücher auf den Markt – oder immerhin neue Buchtipps von unserer Redaktion. Wir wünschen viel Spaß beim Schmökern!
1. Karosh Taha: Beschreibung einer Krabbenwanderung
In „Beschreibung einer Krabbenwanderung“ erzählt Karosh Taha die Geschichte der 22-jährigen Sanaa. Sie studiert, hat einen Freund und einen Liebhaber, und sie hat Träume. Alles könnte gut sein, wäre da nicht die Realität, die sie immer wieder kneift, während sie träumt – kneift wie die Krabbe damals im Irak, als sie im Fluss badete. Die Realität, das sind: Sanaas Mutter Asija, die unter Depressionen leidet. Ihr Vater Nasser, der sich von seiner Familie entfremdet hat. Ihre Schwester Helin, wütend, orientierungslos. Und ihre Tante Khalida, die Tag für Tag Tabak rauchend auf dem Sofa der Familie sitzt und über alles wacht. Sanaa rebelliert gegen die Enge ihres Umfelds, doch sie kann der Verantwortung für ihre Familie nicht entfliehen. Rauschhaft und kraftvoll, dann wieder unbeschwert und komisch, erzählt Karosh Taha von einem Leben zwischen Freiheit und Verantwortung, Erinnerung und Zukunft, Mythos und Wirklichkeit. In „Beschreibung einer Krabbenwanderung“ entwirft die Autorin Figuren, die einem nicht mehr aus dem Kopf gehen und denen man nichts mehr wünscht, als dass sie nach langer Reise endlich ankommen.
2. Susanne Falk: Anatol studiert das Leben
Wohl behütet wächst Anatol in den Villen der Wiener Vorstadt Döbling auf: Verwöhnt von der Großmutter, die regelmäßig illustre Gäste empfängt, in großbürgerlichen Kreisen. Seine Zukunft scheint vorgezeichnet: Studium, Karriere, alles unter seinesgleichen. Doch er beschließt auszubrechen und verdingt sich als Museumsaufseher. Als er der jungen französischen Kunststudentin Marcelline begegnet, ist er sofort hin und weg. Doch leider wagt er nicht, ihr seine Liebe zu gestehen. Er schlägt einen riskanteren Weg ein: Um ihr Herz zu gewinnen, will er ein Gemälde von Marc Chagall stehlen. Mit leichter Hand lässt uns Susanne Falk am Leben des aus der Art geschlagenen Bürgersohns Anatol teilnehmen, voller Ironie schildert sie die Irrungen und Wirrungen des jungen Mannes. Und die ganze Zeit drücken wir ihm die Daumen, dass er das Herz von Marcelline erobert, denn trotz seiner ungewöhnlichen Einfälle schlägt natürlich unser Leserherz ganz auf Anatols Seite. Wie schön, sich mit diesem Roman die langen Winterabende zu versüßen.
3. Dan Dalton: Johnny Ruin
Johnny Ruin ist ziemlich fertig, da hilft alles nichts. Zum Glück greift ihm Jon Bon Jovi unter die Arme, sonst wäre er ziemlich aufgeschmissen. Jon ist ein feiner Kerl, immer ein Spaß auf den Lippen, immer eine Lösung parat. Die Lösung für Johnny Ruins Probleme scheint eine Reise von der Westküste der USA nach New York zu sein: Im Big Apple wird alles ganz easy. Also begeben sich die zwei auf die Reise, es geht über Las Vegas weiter nach Osten. Aber irgendwann sind wir uns nicht mehr ganz sicher: Sind Johnny und Jon tatsächlich unterwegs, oder lebt Johnny in einer manchmal etwas surrealen Traumwelt. Denn was als klassischer Road Trip beginnt, entfernt sich zunehmend von der Realität. Städte werden von Spiegelbildern bewohnt, Fluten drohen – fern von jedem Gewässer - sintflutartig die Reise zu unterbrechen, und Johnny scheint getrieben von Wahnvortsellungen. Und wer ist Jon Bon Jovi? Rasante Dialoge und phantastische Szenerien bestimmen das Bild von Dan Daltons erstem Roman. Am Anfang war ich mitgerissen von der Aufbruchsstimmung der beiden jungen Männer, in der fortschreitenden Geschichte geriet ich zunehmend in den hypnotischen Sog von Johnnys Traumbildern, denen ein Hang zum leichten Horror nicht abzusprechen ist. Vielleicht macht ja David Lynch mal einen Film daraus ...