Am jüngst vergangenen Samstag kamen im Kieler Schauspielhaus die blutigen Ereignisse des März 44 vor Christus zur Premiere. Die Shakespearesche Version war in der Fassung von Marc Lunghuß auf handliche eine Stunde und vierzig Minuten herunterbearbeitet und mit allerlei Spezereien der Kieler Inszenierungskunst angereichert worden. Das Publikum dankte es im gut besuchten Haus mit einem kräftigen Schlussapplaus und vereinzelten Freudenrufen.
Die Handlung ist an sich bekannt und sei nur kurz angerissen. Auf der einen Seite haben wir die Putschisten Cassius, Brutus, Casca und Decius. Auf der anderen Seite Caesars Weggefährte Marc Anton und, in einem kurzen Auftritt, Caesar selbst als Geist. Brutus et alii verschwören sich und ermorden Caesar. Anschließend wiegelt Marc Anton die Römer gegen die Verschwörer auf und besiegt sie in der Schlacht bei Philippi. Schlussendlich stellen sich Cassius, Brutus, Casca und Decius zum gemeinsamen Freitod auf und Sönke macht das Licht aus, Ende der Aufführung.
Tutti-Frutti im Zebraland
Sönke, vermutlich ein Bühnentechniker, bekam ab und an von Cassius ein paar laute Anweisungen über die Köpfe der Zuschauer hinweg zugerufen. Es wäre jedoch nicht unbedingt notwendig gewesen, die Abonnenten und sonstigen Besucher auf diese Weise daran zu erinnern, dass man sich nicht im Rom der untergehenden Republik befand. Plastikzebrafelle bedeckten den Bühnenboden und ein riesiges Berlusconiporträt diente als Bühnenhintergrund, so dass der Abend leicht als ein Stück Kieler Gegenwart zu erkennen war. Ein bisschen retro wirkten vielleicht die Tutti-Frutti-Mädchen. Sie sollten wohl eine Anspielung auf jüngst verhandelte Frauengeschichten des italienischen Ministerpräsidenten sein.
Dem Zebraprinzip treu blieb die Kostümierung der Putschisten. Nachdem diese anfangs noch in Toga auftraten, steckten sie schon bald in einer hautengen Ganzkörperpelle in Zebraoptik. Die Pelle fiel erst nach Marc Antons Aufwiegelei der Römer. Im Felde trug man nun kurzbehoste Pfadfinderuniform. Diese spaßige Staffierung von Brutus, Cassius, Casca und Decius passte sehr zu deren sonstigen Ausgestaltung, die durch Vermeidung von Ernst bei Mitnahme möglichst zahlreicher Lacher und überhaupt vieler Effekte gekennzeichnet war. Das von den Darstellern der Putschisten verlangte Spiel grenzte in Mimik und Bewegung hart ans Überagieren, schlug schon mal in lauten Klamauk um und erinnerte bisweilen an ein aufgeregtes „Hyper, Hyper“.
Unfähige Klamaukmordtruppe gegen Politprofi im Morgenmantel
Den krassen Gegensatz zur Putschistentruppe bildete Marc Anton. Dieser trug stets Hemd und Hose unter einem offenen, blausamtenen Morgenmantel, den ein schwarzes Lederkoppel hielt. In Kombination mit blondem Scheitel und gefasster Mimik machte er einen äußerst korrekten Eindruck. Die Aufführung hätte womöglich auch ganz ohne Sprache funktioniert. Welchem Zuschauer wäre nicht klar gewesen, bei wem das Volk politische Ernsthaftigkeit sehen und wem es letztlich folgen würde? Jedoch war es sehr angenehm, die manipulative, von Shakespeare geschickt gefasste Ansprache Marc Antons an das Volk zu hören. Hier zeigte sich, was pure Worte, ganz ohne Klamauk und Klimbim, vermögen.
Noch eindringlicher hätte die Szene gewirkt, wenn die Römer dabei nicht Fähnchen mit der Werbeaufschrift „Ich bin doch nicht blöd“ geschwenkt hätten. Nur ein weiteres Beispiel für die Vielzahl an Zeitbezügen und Zeichen, welche in der Inszenierung unterzukommen vermochten. Ebenfalls nicht unerwähnt seien Einspielungen zeitgenössischer Populärmusik, u. a. „Wind of Change“, sowie die Ersetzung der Dolche durch Miniaturmodelle berühmter Kirchen. Ein Modell des Mailänder Doms war dem italienischen Ministerpräsidenten 2009 an den Kopf geworfen worden. Abschließend sei noch ein Teil der für manchen Bearbeiter unvermeidlichen, nicht immer sinnstiftenden Fäkalmetapher wiedergeben: „Julius Caesar ist ein Arschloch, das die Welt voll scheißen will.“ Da weiß man dann auch gleich, warum er sterben musste.
Die nächste Vorstellung findet am 13. April um 20 Uhr im Schauspielhaus statt. Weitere Vorstellungen sind auf der Website des Theater Kiel zu finden.
Fotos: Olaf Struck/struck-foto