Mit knapp 60 Prozent der Wählerstimmen marschierte Angelika Volquartz in 2003 schnurstracks ins Kieler Rathaus – als erste und bislang einzige Oberbürgermeisterin Kiels. KIELerLEBEN hat mit der 65-Jährigen im Café Pennekamp über Kiel, Politiker und ihre Rolle als Mormi gesprochen.KIELerLEBEN: Frau Volquartz, wie voll ist Ihr Terminkalender heutzutage?
Angelika Volquartz: Das ist sehr unterschiedlich. Ich betreue auf der einen Seite viele Charity-Projekte und bin ja immer noch stellvertretende Landesvorsitzende der CDU Schleswig-Holstein. Auf der anderen Seite genieße ich auch das Mehr an Freizeit. Ich mag es zum Beispiel, morgens bei einem ausgiebigen Frühstück mit meinem Mann die Zeitungen zu lesen und über die Neuigkeiten zu diskutieren.
Welche Charity-Projekte unterstützen Sie?
Das sind drei Projekte, die mir alle gleichsam am Herzen liegen. Zum einen das Mehrgenerationenhaus in Kiel-Gaarden, das ich 2008 in meiner Amtszeit als Oberbürgermeisterin mit Ursula von der Leyen gegründet habe. Zum anderen betreue ich seit seiner Gründung das Ronald McDonald Haus in Kiel, das Eltern schwer kranker Kinder ein Zuhause auf Zeit bietet. Da bin ich die Präsidentin des Freundeskreises. „wellcome“, das dritte Projekt, dem ich helfe, kümmert sich um überforderte Mütter mehrerer Kinder. Schließlich bin ich noch Vorsitzende des Kuratoriums der Hospiz Kieler Förde-Stiftung. Für alle Projekte sammle ich Spenden, bin regelmäßig vor Ort. Und es ist toll, zu spüren, wie sehr die Menschen und Unternehmer in Kiel diese Projekte, wo das Geld wirklich gut aufgehoben ist, unterstützen.
Andere politische Größen aus der Region wie Norbert Gansel oder Heide Simonis haben sich stärker aus der Öffentlichkeit zurückgezogen …
Natürlich genieße ich bei allen Verpflichtungen auch mal das Privileg, zu sagen, heute geht es mal nicht. Ich habe meine Aufgaben, egal, ob beruflich oder ehrenamtlich, immer ernst genommen. Zuverlässigkeit ist für mich nach wie vor ein hohes Gut. Daher wissen die Menschen: Wenn ich mal sage, ich kann nicht, dann geht es aus einem bestimmten Grund auch nicht.
Wie genießen Sie die Freizeit in Kiel sonst?
Ich bin sehr kulturinteressiert und gehe mit meinem Mann gerne ins Theater. Ansonsten zieht es uns häufig aufs Wasser. In meinem Leben in Kiel hat mich das Segeln immer begleitet. Mein Mann ist zugleich mein Skipper (lacht). Früher, als ich noch im Schuldienst war, haben wir tolle mehrwöchige Segeltouren gemacht. Später, als ich politisch aktiver wurde, blieb leider nur noch Zeit für kurze Törns. Dafür rückte der Segelsport in meiner Amtszeit als Oberbürgermeisterin wieder stärker in den Fokus. Nicht nur durch die Kieler Woche. Sport ist eine ideale Möglichkeit, um Verbindungen und Kameradschaften herzustellen – das gilt auch für Verbindungen zwischen Stadt, Wirtschaft und Universität. Mittlerweile ist Segeln für mich aber wieder zur schönen Freizeitbeschäftigung geworden.
Könnten Sie Kiel verlassen?
Nein! Auf keinen Fall. Ich bin zwar im niedersächsischen Binnenland aufgewachsen, habe aber zu meinem Studienbeginn Kiel kennen und lieben gelernt und freue mich immer wieder auf die Rückkehr nach Kiel. Denn ein Teil unseres Lebens spielt sich durch unsere Tochter mittlerweile in Süddeutschland beziehungsweise Österreich ab.
Wo genau lebt Ihre Tochter und wie häufig sehen Sie sie?
Unsere Tochter lebt mit Mann, drei Kindern und Hund in Salzburg. Zuvor hatte sie bereits in Karlsruhe und Stuttgart gewohnt. Wir treffen uns häufiger in Prien am Chiemsee, wo ich schon als Kind mit meinen Eltern war. In der Regel sehen wir uns drei- bis viermal im Jahr. Im August waren sie gerade hier, und im Dezember fahren wir wieder nach Salzburg, um Weihnachten gemeinsam zu verbringen. Und zwischendurch schicken meine sieben-, zehn- und zwölfjährigen Enkel SMS oder rufen an. Wir haben ein sehr enges und liebevolles Verhältnis innerhalb unserer kleinen Familie.
Familie ist eine Seite Ihres Lebens, Politik eine andere – wie viel Kontakt pflegen Sie noch mit politischen Weggefährten aus vergangener Zeit?
Es ist für mich immer wieder erstaunlich und wunderbar, wie viele Kontakte sogar noch aus meiner bundespolitischen Zeit bestehen. Insbesondere mit Bundeskanzlerin Angela Merkel, die ich nun schon lange Jahre kenne, tausche ich regelmäßig SMS aus – egal, wo sie ist, sie schreibt binnen zwei Stunden zurück. Mit Ursula von der Leyen und Volker Kauder halte ich engen Kontakt per E-Mail und bei Treffen.
Bei all den prominenten Namen: Wer ist denn die Persönlichkeit aus der Politik, die Sie am meisten beeindruckt hat?
Mich haben einige fasziniert, zum Beispiel Helmut Schmidt, der zunächst vollkommen ruhig und beinahe abwesend wirkend neben einem sitzt und später auf dem Rednerpodium klarste und faszinierendste Gedanken ausspricht. Aber auch mit Altkanzler Helmut Kohl durfte ich lange Gespräche führen, die mich beeindruckt haben. Frei von allem Politischen hat er die besondere Gabe, Dinge so zu erzählen, dass einfach jeder zuhört.
Würden Sie sagen, der Lebensabschnitt in der Politik war die bedeutsamste Phase Ihres Lebens?
Nein. Jeder Lebensabschnitt war gleich bedeutsam, und ich konnte von jeder Lebenserfahrung für meine folgenden Phasen profitieren. Sei es in meiner Schwangerschaft und nach der Geburt unserer Tochter während des Studiums, in den 20 Jahren Schuldienst oder später in der Politik – ich habe immer dazugelernt. Und schließlich war es sehr schön , als Oberbürgermeisterin die Dinge umzusetzen, die ich über einen langen Zeitraum als Mutter, Schulleiterin, Kommunal-, Lokal,- und Bundespolitikerin erfahren habe. Ich konnte unglaublich viel für die Menschen tun, das hat mich erfüllt.
Gab es denn auch mal Hürden in Ihrer Karriere?
In der Bundespolitik muss man sich natürlich schon durchzusetzen wissen – auch in den eigenen Reihen. Aber am wichtigsten war mir immer die Unterstützung aus meinem privaten Umfeld. Mein Mann, meine Familie und meine Freunde haben mir immer zur Seite gestanden – auch, wenn ich mal weniger Zeit hatte. Nur einmal zweifelte mein Mann kurz, als ich auf Wunsch meiner Partei hier in Kiel als Oberbürgermeisterin kandidieren sollte. Er sagte: „Das kann ja nichts werden.“ Aber da hab’ ich ihn ein bisschen überredet, und als dann der tolle Wahlkampf losging, herrschte bei uns nur noch Freude.
In dieser Zeit wurde auch Ihr Spitzname „Püppi“ populär, um dessen Entstehung sich einige Legenden gebildet haben: SPD oder Kosename als Kleinkind?
Dieser ist eine Erfindung der SPD, die damals etwas Diskreditierendes über mich in Umlauf bringen wollte. Daher lege ich auch nicht so viel Wert auf ihn.
Haben Sie denn einen Spitznamen, der Ihnen gefällt?
Meine Enkel nennen mich „Mormi“. Oma kam für mich nicht in Frage, und da fiel meinem Mann die dänische Übersetzung „Mormor“ ein. Die Kinder haben dann daraus „Mormi“ gemacht, und damit kann ich gut leben.
Angelika Volquartz war von 2003 bis 2009 Oberbürgermeisterin der Landeshauptstadt Kiel. Zuvor war sie nach ihrem Lehramtsstudium an der Christian-Albrechts-Universität Realschullehrerin an mehreren Kieler Realschulen und von 1985 bis 1992 Leiterin der Freiherr-vom-Stein-Schule. Anschließend wechselte sie in die Politik, gehörte bis 1998 dem Landtag Schleswig-Holstein und anschließend dem Deutschen Bundestag an. Angelika Volquartz ist verheiratet, lebt seit 1967 in Kiel und hat eine Tochter.