"Tanz nur um der Bewegung willen, das interessiert mich nicht. Es muss ein Text darin sein, der entdeckt werden will", sagt der israelische Choreograf Itzik Galili. In der Tat bringt Galili die Körper seiner Tänzer zum Sprechen und schreibt mit ihnen ganze Geschichten aus Bewegung. Vier ausgewählte Choreografien von Itzik Galili sind nun in dem Ballettabend "Ballett 1 - Different Stories" zu erleben. Am Samstagabend feierten Ensemble und Choreograf eine umjubelte Premiere im Kieler Opernhaus.
Stockdunkel ist die Bühne, die Musik noch leise.
Unter einem schummrigen Lichtkegel schält sich langsam ein männlicher Körper aus der Dunkelheit und beginnt zu tanzen. Nach und nach tauchen weitere Tänzer aus der geheimnissvollen Schwärze der Szenerie und beginnen mittels ihrer Körper zu kommunizieren. Allmählich hellt sich das Licht auf und gibt schließlich ein faszinierendes Tanzspektakel Preis. Vier Tänzerinnen und fünf Tänzer, gekleidet in corsagenartigen Kostümen in warmen Erdtönen, zeigen im ersten Stück "Things I told Nobody" eine Choreografie, die deutlich von Galilis Handschrift geprägt ist: Periphären, ausufernden Bewegungen folgen Positionen verletzlicher Verschlossenheit; Humor trifft auf Virtuosität. Inhaltlich weckt der zeitweise mythisch anmutende Tanz Assoziationen an die Schöpfungsgeschichte und die Menschwerdung.
Es folgt das zweite Stück "Fragile" - ein fesselndes Duett zu Musik von Gavin Bryars. Wieder ist die Bühne in tiefes Schwarz getaucht und wird nur durch vier dünne, schnurgerade Lichtspots von oben erhellt, unter denen sich Isis Calil de Albuquerque und Robert Phillips einem ergreifenden Tanz über Stärken und Schwächen, Ängsten und deren Überwindung hingeben. Dieser Tanz ist pure Poesie. Posie ohne Worte, ausgedrückt rein durch Körper, Licht und Musik. Perfekt greifen diese drei Elemente ineinander, und auf den Punkt genau verbinden sich die Tänzer mit der Musik und ziehen das Publikum in ihren Bann.
Auch "The 2nd Monkey" beginnt auf einer in Dunkelheit versunkenen Bühne. Wieder ein einzelner Tänzer, der sich langsam aus der Finsternis absetzt. Doch dann geht abrupt das Licht an, die Musik verstummt. "Oliver, wir müssen noch einmal von vorne beginnen", schallt es aus dem Off. "The 2nd Monkey" handelt sowohl von den Ansprüchen eines Tänzers an sich selbst, als auch von der komplexen Beziehung zwischen Tänzer und Choreograf. Immer wieder schaltet sich die Stimme aus dem Off ein, unterbricht die Darbietung und treibt Tänzer Oliver Preiß, der hier mit erstaunlichem schauspielerischen Talent überrascht, letztlich an den Rand der Verzweifelung.
"Different Stories" schließt mit einem Tanz der Gegensätze. "Until.With/Out.enough" ist heiß und kalt, ja und nein, Nähe und Distanz, Tempo und Ruhe. Vier Tänzerinnen und drei Tänzer, in schneeweißen Kostümen von Natasja Lansen, präsentieren eine dramatisch, melancholische Fantasie der Ambivalenz. Wie in den Stücken zuvor zeigt das Ensemble auch hier den hohen Standard, auf dem in Kiel getanzt wird und beweist reservierte Eleganz, Präzision und enorme Ausdrucksstärke.
Ballettdirektor und Chefchoreograf Mario Schröder hat mit dem Engagement Itzik Gilils ein feines Gespür bewiesen. Das Premierenpublikum zeigte sich am Samstagabend beeindruckt von Ensemble und Choreograf und verlieh seiner Begeisterung mit jubelndem Applaus Ausdruck.
Nächste Termine: 29. Dezember um 20 Uhr, 3. Januar um 16 Uhr im Opernhaus Kiel. Karten: Tel.: (0431) 90 19 01 oder im Internet unter www.theater-kiel.de.
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