Die Band Silbermond hat nach drei Jahren Pause ihr viertes Studioalbum „Himmel auf“ veröffentlicht. KIELerLEBEN hat sich im Rahmen ihres Besuchs bei R.SH mit den vier Bautzenern getroffen und über das neue Album, die Angst vor der deutschen Sprache, soziale Netzwerke und Dauernörgler gesprochen.KIELerLEBEN: „Himmel auf“ ist euer viertes Studioalbum. Was tut ihr, damit sich in den Songs keine Routinen einschleichen, ihr aber trotzdem den authentischen Silbermond-Sound behaltet?
Thomas: Das war die Gefahr, die wir auch gesehen haben. Wenn man etwas zum vierten Mal macht, hat man schon etwas Routine und denkt „Wir haben das beim letzten Mal auch so gemacht“. Deshalb sind wir ganz offen an das neue Album rangegangen. Wir haben alle Ideen, alles was uns in den Kopf kam, zugelassen und haben uns keine Grenzen gesetzt, weder textlich noch musikalisch. Deswegen haben wir das Album auch „Himmel auf“ genannt. Ich glaube, durch unsere Offenheit konnte sich keine Routine einstellen.
KL: Wie sieht es aus, wenn ihr musikalisch und textlich alles zulasst?
Stefanie: Es geht hauptsächlich darum, dass wir nicht an die Produktion rangehen und sagen „Wir dürfen auf keinen Fall Synthesizer benutzen“ oder „Wir dürfen auf keinen Fall mit einem Piano arbeiten“. Wir wollten für das neue Album das machen, worauf wir Lust hatten und hatten unheimlich viel Spaß daran, Dinge auszuprobieren. Textlich war es ähnlich. Wir sind bei „Himmel auf“ ganz offen an die Texte rangegangen und haben gesagt, dass wir keine Angst vor der deutschen Sprache haben dürfen. Es ist oft so, dass einige Wörter mit einem bestimmten Klischee belegt sind und man denkt, dass man es auf keinen Fall benutzen darf. Das ist meiner Meinung nach totaler Quatsch. Sätze wie „Ich liebe dich“, oder „Du bist das Beste, was mir je passiert ist“, kommen im Alltag so oft vor und keiner traut sich, sie auszusprechen oder aufzuschreiben. Für uns war es wichtig, keine Angst zu haben, direkt zu sein und auf den Punkt zu kommen.
KL: Es sind sehr tiefgründige und teilweise gesellschaftskritische Songs auf dem Album. Wie kam es dazu?
Stefanie: Wir sind keine Band, die sich am Anfang der Produktion hinsetzt und sagt, diese und diese und diese Themen müssen bearbeitet werden. Bei dem Song „Weiße Fahnen“, in dem es um Kindersoldaten geht, war es zum Beispiel so, dass ich mit Thomas vor dreieinhalb Jahren eine Frauenschule in Kamerun eröffnet habe, die wir zusammen mit unserer Benefizaktion „Fans helfen“ ins Leben gerufen haben. Bei der Einweihung wurden wir von einem Fotografen begleitet, der eigentlich als Kriegsfotograf tätig ist. Wir sind ins Gespräch gekommen und ich habe ihn gefragt, was er so erlebt, wenn er unterwegs ist. Er hat daraufhin beschrieben, wie es ist, wenn ihm ein zehnjähriger Junge eine Waffe ins Gesicht hält. Solche Gespräche bleiben hängen. Ich musste diese Erfahrung erstmal sacken lassen. Bei der neuen Platte war dieses Erlebnis dann soweit gereift, dass ich es aufschreiben konnte.
KL: In dem Song „Unter der Oberfläche“ singt ihr „Was wir von uns zeigen, ist nur kalte Fassade“. Warum, glaubt ihr, fällt es den Menschen so schwer, ihren wahren Kern zu präsentieren?
Andreas: Die Gesellschaft ist heutzutage sehr abgelenkt von sich. Man präsentiert sich durch mediale, soziale Netzwerke und man bewegt sich kaum noch auf der wahren, realen Seite des Lebens. Man kreiert in den sozialen Netzwerken ein Bild von sich selbst, hört den Menschen nicht mehr richtig zu und ist manchmal einfach oberflächlich. Es ist so traurig, dass die Menschen nicht mehr sie selbst sind. Ich glaube, die sozialen Netzwerke und das technische Drumherum leisten einen ganz entscheidenden Beitrag zur Entwicklung von Oberflächlichkeiten und Fassaden.
KL: „Gegen“ ist ein Song gegen alle nörgelnden Kritiker dieser Welt. Seht ihr den Song als Bestandsaufnahme der gesellschaftlichen Situation oder als Anstoß, eingefahrene Denkmuster zu verändern?
Stefanie: Ich glaube, wir sind alle realistisch genug, um zu wissen, dass nicht Musik die Welt verändern wird, sondern Menschen. Musik kann nur ein Anstoß sein um über Dinge nachzudenken. Die Situation, die wir in „Gegen“ schildern, kennt jeder: Man sitzt abends in einer gemütlichen Runde zusammen, unterhält sich über Gott und die Welt. Einer sagt dann: „Mensch, ich find’ das gut, weil so und so“ oder „Ich find’ das schlecht, weil so und so“. Dann gibt es aber Leute, die nur sagen „Ich find’s doof“, ohne es begründen zu können oder eine eigene Meinung zu haben. Das sind Leute, die ohne Perspektive denken. Sie machen sich keine Gedanken, wie man etwas verändern kann, wenn man unzufrieden ist. Wenn die ganze Welt voll von solchen Menschen wäre, würden wir nicht vorankommen.
KL: In der Single „Himmel auf“ fragt ihr danach, was glücklich macht und zeigt dann eine Kollage von unterschiedlichen Menschen und Antworten. Was macht euch denn glücklich?
Thomas: Was uns glücklich macht, hat ganz viel mit Musik zu tun. Es ist nicht so, dass wir das Gefühl haben, wir müssen jetzt Musik machen oder wir müssen jetzt eine neue Platte machen. Es ist uns halt wirklich wichtig. Deswegen gehen Glück und Musik für uns Hand in Hand. Während der Produktion des Albums gab es zum Beispiel viele schöne Momente, die uns glücklich gemacht haben. Und dass wir immer noch Spaß an dem haben, was wir machen, das macht mich persönlich sehr, sehr glücklich. Aber Glück ist halt auch sonntags Fußball spielen zu können.
KL: Auf eurer Homepage gibt es ein zweites Video zu „Himmel auf“ zu sehen, für das Fans ihre persönlichen Antworten auf die Frage, was sie glücklich macht, einsenden konnten. Welche Einsendungen haben euch am Meisten berührt?
Johannes: Es war total schön zu sehen, dass überhaupt so viele Einsendungen gekommen sind. Die Leute haben wirklich selbst Videos gemacht und geben damit teilweise sehr tiefe Einblicke in ihr Seelenleben. Es waren wirklich viele, sehr tolle Einsendungen dabei. Aber jetzt einen Clip rauszustellen und zu sagen, der war vielleicht besser als die anderen, fällt mir persönlich sehr schwer. Ich finde, dass es eine sehr schöne Weiterentwicklung von unserem offiziellen Musikvideo geworden ist.
KL: Wie schwer fällt es, wenn man sich nach so langer, mühevoller Arbeit am neuen Album den kritischen Betrachtern stellen muss?
Stefanie: Kunst ist immer Geschmackssache, so auch Musik. Wir hängen uns ja auch zu Hause nicht die gleichen Bilder in die Wohnung. Meinen Eltern gefällt auch nicht jedes Lied auf der neuen Platte. Aber deshalb denke ich jetzt nicht, dass sie mich weniger lieb haben. Musik ist und bleibt Geschmackssache, deshalb gibt es so viele unterschiedliche Musikrichtungen und so viele unterschiedliche Künstler. Ich finde es völlig in Ordnung, wenn jemand über „Himmel auf“ schreibt, dass ihm die Texte nicht gefallen oder die Musik nicht gut sei. Ich finde, das Wichtigste ist, dass wir vier dahinterstehen und sagen „Hey, du findest die Platte doof? Das ist völlig ok, aber wir lieben sie!“ Das ist es, was uns in erster Linie wichtig ist.