Wer noch nicht in Weihnachtsstimmung ist, sollte in den kommenden Wochen „Die kleine Meerjungfrau“ in der Oper Kiel besuchen. Das diesjährige Weihnachtsmärchen-Musical, das am Samstag seine Premiere feierte (Regie: Frank-Lorenz Engel), hat zwar mit Heilig Abend wenig am Hut, sein Kitsch-Faktor stimmt allerdings nicht nur die Kleinen schon einmal ideal auf die Adventswochen ein.
Es schillert und glänzt und glitzert in den quietschbuntesten Farben. Hier unter dem Meeresspiegel, wo Aquabella (wunderbar verliebt-schmachtend, aber gesanglich etwas unsicher: Claudia Friebel), die jüngste Tochter des Meerkönigs, wohnt. Eigentlich eine Zauberwelt, wie sie im Märchen-Buche steht: Aquabellas Freunde, der rappende Hering Sven, alias „Otto the Sprotto“ (kinderverzaubernd komisch gespielt von Felix Zimmer), und der Etepetete-Hummer Emanuel (gespielt von – ja, natürlich: Imanuel Humm), sind hoch amüsant und selbst das gefürchtete Meerungeheuer Elvira entpuppt sich als fiepsendes Ungetümchen. Ende gut, alles gut? Jetzt schon?
Natürlich nicht. Erfrischenderweise erscheint in der schillernden Zuckerwelt (Bühne: Christine Hielscher) eine richtig fiese Gestalt: die böse Meerhexe, gespielt von einer pinkhaarigen Almuth Schmidt, die wie immer sicher und präsent erscheint. Sie setzt Aquabella den Wasserfloh ins Ohr, an die Oberfläche des Meeres schwimmen und die Menschen und Tiere, den Himmel und die Sterne sehen zu wollen. Als sie ihr einen Zauberspiegel zeigt, in dem das Gesicht von Prinz Eric (Roman Hemetsberger großartig zwischen Kitsch und Melancholie) zu sehen ist, gibt es kein Halten mehr. Aquabella ist verknallt bis in die Flossenspitzen.
Als sie Eric dann auch noch vor dem Ertrinken rettet, ist es endgültig um sie geschehen. Um ihrem Traumprinzen näher zu sein, opfert sie ihre Stimme an die Meerhexe, die Aquabella dafür im Gegenzug in einen Menschen mit Beinen statt schillernden Glitzerflossen (Kostüme: Claudia Kuhr) verwandelt. Genau zum richtigen Zeitpunkt: Prinz Eric soll nämlich mit Prinzessin Gunilla Sybilla (Fenja Schneider, die es den Zuschauern mit einer penetrant-hochtonalen Stimme herrlich einfach macht, ihre Rolle so richtig doof zu finden) verheiratet werden.
Ohne Stimme verdreht Aquabella dem Prinzen trotzdem den Kopf – vielleicht liegt es an den wahnsinns Beinen – auch wenn seine Hochzeit mit Gunilla Sybilla unaufhaltsam scheint. Gut, dass der schusselige Altrocker-Meerkönig Siegfried Jacobs noch rechtzeitig aus den Fluten erscheint und mit einem Zauberspruch für ein glückliches Ende sorgt.
Zum Schluss wird die Kitsch-Blase noch einmal so richtig aufgepustet. Es gibt nicht eine Hochzeit, nein: gleich zwei. Dabei besingen alle Akteure gemeinsam die Verbrüderung von Land- und Meeresbewohnern, das Publikum (vor allem das erwachsene) klatscht schunkelnd im Takt, und über der Bühne dreht sich glitzernd eine Disco-Kugel. Die Kieler Meerjungfrau schwimmt eher im seichten Unterhaltungsgewässer, als in der gedanklichen Tiefsee. Vielen Kindern hat das bunte Meer-Musical trotzdem gefallen – stellt sich die Frage, ob das nun auch eine Art „Happy End“ ist.
Die nächsten Vorstellungen: kommenden Montag, Dienstag und Mittwoch, jeweils um 9 und 11.45 Uhr im Opernhaus Kiel. Weitere Informationen auf www.theater-kiel.de.
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