In einem erneuten Handball-Krimi konnte der THW Kiel am Mittwochabend einmal mehr als Sieger das heimische Handballparkett verlassen, sorgte bei 10250 Fans aber mindestens für Herzklopfen, als es kurz vor Ende noch einmal eng zu werden drohte.
Normalerweise bedeutet ein Spiel gegen die HSG Wetzlar, dass man sich als THW-Anhänger tags zuvor fragt, wie hoch der Sieg wohl ausfallen wird. Die bisherigen 30 Partien, die beide Teams gegeneinander bestritten, konnten Wetzlar lediglich dreimal siegreich gestalten, 24 Mal ging Wetzlar mit einer Niederlage vom Feld. Vor diesem Match war jedoch auf Seiten Wetzlars nicht viel normal: Die Hessen reisten nicht nur mit ihrem Stammpersonal an, sondern hatten im Gepäck zwei große Namen, die man noch vor wenigen Monaten mit anderen Vereinen als ausgerechnet "Wetzlar" in Verbindung brachte: Welthandballer Ivano Balic und Torhüter-Urgestein Jose Hombrados verstärken seit Kurzem den Kader der HSG und sollen das Team von Kai Wandschneider im drohenden Abstiegskampf unterstützen.
Von Beginn an agierte Balic auf der Rückraummitte, konnte mit seinem unorthodoxen Spiel aber in Reiher der Kieler niemanden ernsthaft nervös machen. Ein ums andere Mal verpufften seine Täuschungsmanöver im Nichts, mit viel Routine widerstand die Kieler Abwehr der Verlockung, Balic Platz zu machen. Besser aber machten es seine Mannschaftskollegen, die die Kieler Abwehr ein ums andere Mal überwunden. Ohne Bindung zum Spiel und mit zahlreichen Fehlwürfen gerieten die Hausherren bald in Rückstand, den sie bis zur Halbzeit nicht aufholen konnten. Erfolgreiche Abschlüsse musste Kiel sich hart erarbeiten, jedes Tor schien einen echten Kraftakt zu erfordern. Neben dem treffsicheren Marco Vujin, war es Kapitän Jicha, der immer wieder an die Schmerzgrenze ging und Lücken für sich entdeckte, die zuvor kaum welche waren. Der HSG Wetzlar schien das Handballspielen an diesem Abend zunächst leichter zu fallen, die Kieler Abwehr verteilte allerdings auch großzügige Geschenke und ließ den Wetzlarer Rückraumspielerin viel Platz.
Nach 23 Minuten nahm Gislason die erste Auszeit und hielt eine lautstarke Ansprache an seine Jungs. Bis zum Halbzeitpfiff konnten Gislasons Anweisungen aber scheinbar nicht umgesetzt werden, der Drei-Tore-Rückstand (11:14) wird kaum im Interesse des Isländers gewesen sein.
Auch in der zweiten Hälfte zeigte der THW keine überzeugende Leistung, profitierte aber davon, dass Wetzlar noch schlechter ins Spiel kam und Torhüter Sjöstrand einige freie Bälle parierte. Bis zur 45. Spielminute gelangen Wetzlar lediglich zwei Treffer, der THW hatte sich zwischenzeitlich dank zahlreicher Einzelaktionen mit vier Treffern (45., 20:16) in Front gebracht.
Wetzlars brachte Hombrados und stellte auf eine 3:3- Abwehr um, die die Kieler Rückraumspieler fast bis zur Mittellinie zurückdrängte und einen Spielaufbau nahezu unmöglich machte. Wieder mussten durch Einzelaktionen Nadelstiche gesetzt werden. Kiel gelang dies nur bedingt und auch verursacht durch einige unglückliche Schiedsrichter-Entscheidungen wurde es nochmal spannend. In der 60. Spielminute stand plötzlich wieder alles auf Null: 25:25! Wetzlar hatte mit Jens Tiedtke einen siebten Feldspieler gebracht, Tobias Hahn hatte auf Außen viel Platz und traf. Die verbleibenden Sekunden waren geprägt von zahlreichen Unterbrechungen und einer roten Karte für Ivano Balic, der per taktischem Foul verhinderten wollte, dass der THW den Siegtreffer per Wurf ins leere Wetzlarer Tor erzielen konnte. Zwar konnte sich Hombrados danach wieder zwischen den Pfosten positionieren, dennoch waren die letzten fünf Sekunden ein Abziehbild der Schlussphase des Gummersbach-Spiels! Anwurf, einige schnell gespielte Kurzpässe, Jicha-Wurf, TOR zum 26:25 und grenzenloser Jubel auf dem Feld und den Rängen!