Ob Feuerspucken, Synchronschwimmen oder Kühe melken – Redakteur Thore Albertsen tut das, was Sie sich wünschen. Dieses Mal begibt er sich in den Rugbyhorst der Kieler Adler.
„Linie halten!“ – mit diesen Worten treibt Eric Linhart mich an. Ich soll auf die Position achten und nicht blindlings über das Feld laufen. Der 38-Jährige, der im wahren Leben als Professor an der Universität Göttingen arbeitet, hat heute die Aufgabe, auf mich aufzupassen. Neben mir höre ich meine Mitspieler keuchen. Mir bildet sich so viel Schweiß auf der Stirn, als wäre ich bei 90 Grad Celsius in der Sauna. Ich bin mitten drin – in meinem ersten Rugbytraining.
Eric Linhart ( re.) erklärt mir die wichtigsten Rugby-Regeln
Es ist 19 Uhr an einem sonnigen Mittwochabend, als ich mich auf dem Rugbyfeld am Professor-Peters-Platz einfinde. In meinem Magen kämpfen Vorfreude und Skepsis um die Vorherrschaft – immerhin gilt Rugby als eine der härtesten Sportarten der Welt mit den kräftigsten Spielern. Ich dagegen gleiche aber eher einem Kleiderbügel als einem Kleiderschrank. Die Spieler des FT Adler, dem ältesten Rugbyverein Kiels, sind bereits da und laufen in ihren gelb-schwarzen Trikots ein paar Runden um den Platz.
Beim Aufwärmen geht’s zur Sache
Im Chor werde ich mit einem herzlichen „Moin“ begrüßt und sofort mit ins Training eingebunden: Liegestütze, Sit-ups, Crunches, Dehnübungen – ich fühle mich wie im Bootcamp. Nur, dass hier zur Motivation alle gleichzeitig schreien, wenn sie die Übungen machen. Trainer Alwin Klick versucht, alles aus uns rauszuholen. Meine Muskeln brennen. Nebenbei schaue ich mir die Spieler ein wenig an. Klein und kräftig, groß und dünn – die unterschiedlichsten Typen sind hier. Erleichterung macht sich breit.
Tackling, das Wegdrängen des gegnerischen Spielers, muss gelernt sein
Nach einer halben Stunde beginnen wir mit den Trainingsübungen. Sofort wird mir Eric Linhart zur Seite gestellt. Da ich heute der Einzige bin, der nicht zum festen Kader gehört, versucht der braunhaarige Rugbyspieler, mir die wichtigsten Regeln zu erklären. Jedoch ist meine Aufmerksamkeitsspanne an diesem Abend auf die eines Goldfisches geschrumpft, und es bleibt bei mir bloß hängen, dass ich den Ball nur nach hinten passen darf. So vorbereitet wage ich mich in die erste Einheit.
Wir üben Angriff und Verteidigung. Während meine Mannschaft eine Mauer wie die Legionäre aus den Asterixfilmen bildet, laufen unsere Gegner mit dem Ball in der Hand auf uns zu. Panik! Um mich herum schnaufen meine Mitspieler. Ich weiche ein wenig zurück, doch die anderen zeigen keine Angst. Sie stellen sich dem Angreifer in den Weg und halten ihn fest. Dieser gibt den Ball sofort nach hinten, und es geht wieder von vorn los.
Das Passen fällt mir sichtlich schwer
Dann verlieren die Gegner den Ball. Eric fängt ihn und läuft beinahe so schnell wie Speedy Gonzalez nach vorn – Richtung gegnerischer Punktelinie. Hinter dieser muss der Ball, der genauso aussieht wie beim Football, abgelegt werden. Doch plötzlich wirft er mir das Ei zu. Mit Mühe und einem sehr uneleganten Sprung kann ich den Ball fangen. „Lauf“, schreit Eric mir zu. Ich renne ganz im Forrest-Gump-Stil nach vorn. Das Adrenalin pumpt. Doch weit komme ich nicht. Nach gefühlten drei Metern hält mich einer der Gegner auf. Ich gebe den Ball nach hinten ab, der nächste läuft weiter.
Circa 20 Minuten trainieren wir die Spielzüge, bis Trainer Alwin Klick die nächste Übung einläutet. Der 30-Jährige mit Drei- Tage-Bart und lockigem Haar hat eine einen halben Meter große, gelbe Pratze in der Hand. Das Schaumstoffkissen, das aussieht wie ein aufgeblasener Rucksack, hält er als Schutz vor sich. „Stell dir vor, das ist dein Gegner“, erklärt er mir mit rauchiger Stimme. „Auf die Höhe meines Knies musst du mit deiner Schulter ansetzen und dann weiterlaufen. So drängst du dein Gegenüber zurück.“ Ich nehme Anlauf, gehe ganz tief in die Knie, so wie ein Frosch, der gleich losspringen will, und werfe mich mit der Schulter gegen das Kissen. Mit kleinen Schritten schaffe ich es, Alwin wegzudrücken. Euphoriegefühle steigen in mir auf.
In luftiger Höhe fange ich den Ball …
Letzte Übung: Ball fangen. Das klingt leicht. Denn um den Ball zu fangen, werde ich von meinen Mitspielern hochgehoben – fast wie beim Cheerleading, wenn die Akrobatinnen eine Pyramide bilden. Nur, dass ich nicht so gut dabei aussehe und auch keine Pompons dabei habe. Zunächst üben wir alles in Slow Motion. Ich gehe einen Schritt nach vorn und springe mit beiden Beinen gerade ab. Eric, der vor mir steht, hält mich an den Knien, während mich Basti, der sowohl Rugbyspieler als auch Mannschaftsmanager ist, von hinten am Oberschenkel festhält. Dann drücken die beiden mich mit vereinten Kräften nach oben. Circa einen Meter schwebe ich jetzt über dem Boden und greife nach dem Ball, der vom Seitenrand aus geworfen wird. Doch dieser streift meine Finger nur und verschwindet dann hinter mir auf dem Feld. Nächster Versuch: dieses Mal in Echtzeit. Ich stoße mich ab, die beiden halten mich, und ich stürze mich auf den Ball. Es klappt, wenn auch nur ein einziges Mal.
Mitten im Spiel
Der Spaß ist vorbei, und es geht ans Eingemachte: das Trainingsspiel. Alwin Klick ruft zum Vollkontakt auf. Mein Kampfgeist ist geschürt. Ich halte mich an Eric, der mir zubrüllt, was ich zu tun habe. Und ich muss sagen, für einen Kleiderbügel schlage ich mich gar nicht so schlecht …
Der FT Adler sucht Nachwuchs. Bei Interesse meldet euch einfach bei Eric: Eric.L@gmx.net.
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