Große Begeisterung beim Publikum fand der „Der Barbier von Sevilla“ von Gioacchino Rossini am Schleswig-Holsteinischen Landestheater. Das darstellerisch starke Sängerensemble und die humorige Inszenierung von Markus Hertel ließ im Rendsburger Stadttheater ausgelassene Stimmung aufkommen. Musikalisch führte Peter Sommerer seine Landessinfoniker bedächtig und schwungvoll zugleich durch den Abend.
Den Lohn dafür kassierte er prompt auf der Bühne.
Durch den dichten Rauchnebel tastet sich ein ganzes Blasorchester, denn es soll der hübschen Rosina (Svitlana Slyvia), in die sich der junge Graf Almaviva (Jin-Hak Mok) Hals über Kopf verliebt hat, ein Ständchen bringen. Glücklicherweise geht die Tuba dabei nicht vollständig in Flammen auf. Langsam lichtet sich der Dunst, die Zuschauer bekommen wieder Luft, und genießen die freie Sicht auf das Bühnenbild, das Udo Hesse gezaubert hat. Ein mediterranes Häuschen mit windschiefer Laterne und einem Balkon, der für Ständchen wie geschaffen ist. Natürlich hat Rosina den Grafen längst bemerkt. Schon braust der tüchtige Figaro (Joa Helgesson) auf seinem Vespa-Dreirad heran. Auf der Ladefläche allerlei Handwerkszeug für seine vielen Metiers. Da gönnt er sich zur Stärkung erst einmal einen ordentlichen Espresso. Sein Geschäft diesmal: dem Grafen Almaviva ein paar Nachhilfestunden in Liebesdingen geben. Und als wäre das nicht schon genug, bedarf es auch noch eines praktikablen Fluchtplanes, mit dem er Rosina aus den Klauen ihres geldgierigen Vormunds Doktor Bartolo (Markus Wessiack) befreien kann. Nur gut, dass der Graf über ein derart beachtliches Vermögen verfügt, dass er sich die kostspieligen Ideen Figaros überhaupt leisten kann.
Muntere Farce
Nach der Wahl des passenden falschen Bartes verschafft sich der Graf in der Verkleidung eines betrunkenen Soldaten Einlass in das Haus Bartolos und veranstaltet dort einen solchen Aufruhr, dass die Wachen (Herren des Opernchores, Einstudierung: Bernd Stepputtis) herbeieilen. Doch auch dafür findet der clevere Figaro eine Lösung. Diese ist jedoch so hochprozentig, dass alle Beteiligten im zweiten Akt einen Eisbeutel nötig haben, um wieder auf die Bühnenbretter zurückzufinden. Dass auch das Vorhaben, als Vertretung für den angeblich erkrankten Musiklehrer Basilio (Kai-Moritz von Blanckenburg) aufzukreuzen, den Grafen in schwere Bedrängnis bringt, gehört zum Erfolgskonzept von Rossinis Opernkomödie. Nichtsdestotrotz ist Figaro ein Friseur, der sein Geld wert ist, denn schließlich liegen sich Rosina und Graf Almaviva am Ende überglücklich in den Armen. Und großzügig noch dazu: Beim Abschiedsapplaus drückt er dem zukünftigen Generalmusikdirektor Peter Sommerer überschwänglich ein paar Scheine in die Hand.
Das Sängerensemble
Indem Regisseur Markus Hertel die Handlung ein wenig zurechtstutzt, können die Sänger ihrem komödiantischen Talent freien Lauf lassen. Allen voran gelingt das der Sopranistin Sophie Witte, Bartolos verschrobener, fast nie ohne Kippe im Mundwinkel anzutreffender Haushälterin Marzelline, die in ihrer ganz eigenen Liga spielt. Joa Helgesson hingegen zieht das Publikum mit seiner Rolle als unwiderstehlicher Filou mit männlich-kräftigem Bariton auf seine Seite. Kaum weniger schräg agieren Bassist Markus Wessiack als vertrottelter Doktor Bartolo und Kai-Moritz von Blanckenburg als intriganter Basilio. Eine gelungene Mischung aus spanischem Edelmann sowie liebestrunkenem Verehrer mit tenoralem Schmelz bringt Jin-Hak Mok auf die Bühne. Die Mezzosopranistin Svitlana Slyvia meistert ihre heiklen Koloraturen souverän und zeigt sichtlich Freude an den Eroberungsbemühungen ihres Auserwählten. Kein Wunder also, dass sich niemand nach diesem Friseurbesuch über einen verpfuschten Schnitt ärgerte!
Text: Bianca Thedens
Fotos: SH Landestheater
Weitere Aufführungen am SH Landestheater: 13.06. um 19:30 Theater Flensburg und 16.06. um 19:30 Theater Rendsburg (www.sh-landestheater.de)
In der Spielzeit 2012/2013 wird „Der Barbier von Sevilla“ wieder aufgenommen!