Fünf Stimmen, sechs Gitarren, E-Piano, Cello, Percussion, Bass und Schlagzeug zelebrierten am vergangenen Donnerstag in einem satten dreistündigen Programm die simple Kraft des guten Songwritings und rissen das kühle Kieler Publikum am Ende sogar von den Stühlen - hin zu Standing Ovations. KIELerLEBEN.de war beim Soundcheck in der Kieler Pumpe dabei und traf Dirk Darmstaedter und Moritz Krämer zum Interview. KIELerLEBEN.de: Wie ist die First Songwriter Community entstanden? Dirk Darmstaedter: Es war eine von RTL gecastete Angelegenheit (lacht).
Nein, mich rief Fabian Schulz an, erzählte von der Idee und fragte mich, ob ich Lust hätte, dabei zu sein. Moritz Krämer: Bei mir war es genau das Gleiche: Fabian hat mich einfach angeschrieben, obwohl ich ihn vorher gar nicht kannte. Und so ist Musiker um Musiker dazugestoßen. Welches ist eure Motivation, Teil der Community zu sein? Moritz Krämer: Ich habe sofort zugesagt, weil es für mich als der Jüngste in der Runde natürlich total super ist, mit solch erfahrenen Musikern zu spielen. Dirk Darmstaedter: Ich bin sonst immer gerne alleine unterwegs und fand es ganz schön, mal wieder unter anderen Menschen zu sein (lacht). Sehr froh bin ich auch darüber, dass Moritz mit an Bord ist, weil ich ein Riesen-Moritz-Krämer-Fan bin. Wie verliefen die Proben mit neun unterschiedlichen Musikern? Dirk Darmstaedter: Die letzten drei Tage haben wir alle zusammen in Hannover geprobt. Jeder hat sechs eigene Stücke ausgewählt, die wir in verschiedenen Besetzungen ausprobiert haben. Gestern waren wir noch portugiesisch essen und haben uns dabei Gedanken über eine mögliche Setliste gemacht, denn es ist schon eine kleine Herausforderung, die stilistisch doch verschiedenen Künstler unter einen Hut zu bringen und daraus eine vernünftige Reihenfolge zu basteln. Ich bin auch eher ein spontaner Mann, der ungern probt, sondern eher schaut, was auf der Bühne passiert. Stichwort „Internet“: Dirk, während der Proben hast du getwittert: „last rehearsals for the 'songwriter community' tour today … lots of chords, chords to remember, … but all will be good. yes, yes indeed!“ Dirk Darmstaedter: Ich bin oft online, lese viel im Netz oder ich schreibe. Entweder Songs oder auch mal ein wenig Gezwitscher. Ich mache das relativ häufig, doch man sollte aufpassen, dass es nicht zu viel wird. Ich bin beispielsweise ein großer Ben-Kweller-Fan und verfolge ihn bei twitter.com. Aber als er begann, während einer Tour durch Japan jedes einzelne Stück Sushi per Twitter zu beschreiben, wurde mir das zu viel (lacht). Also ja, ich nutze das Internet und schreibe da auch ab und an etwas hinein, aber ich muss jetzt nicht jeden kleinen Scheiß verkünden, den ich tue. Wie wird der Ablauf eines Konzertabends mit euch aussehen? Moritz Krämer: Wir müssen mal sehen, wie die Tour besucht wird, ob die Leute das überhaupt sehen wollen. Es ist ja auch eine komische Mischung, deutsche Liedermacherie, Funk-Elemente, englische Texte und deutsche Singer/Songwriter. Wir dachten gestern, dass es dann sinnvoll ist, wenn zwei „vom gleichen Schlag“ hintereinander kommen und zwei Stücke spielen. Wir haben zwei Sets plus Zugaben vorbereitet. Es wird also eine ziemlich lange Nacht (lacht). Dirk Darmstaedter: Der Abend bietet, auch dank der spitzen Band, genügend Freiräume für die einzelnen Künstler. So wird sich sicherlich das ein oder andere noch entwickeln. Darauf hoffe und vertraue ich, und das ist es auch, was die Community ausmacht. Welche Rolle spielt der Kiel-Auftritt dabei? Dirk Darmstaedter: Wir probieren heute in Kiel ganz viel aus, und es wird sich sicherlich von Konzert zu Konzert eine ganze Menge verändern. Heute in Kiel sind wir alle noch etwas nervöser, und man fragt sich: Wie klingt das zusammen? Aber ab dem zweiten oder dritten Konzert werden wir sicherlich beginnen, noch mehr zu improvisieren, uns im Klangkosmos wohlzufühlen und dann freier zu sein. Moritz, kannst du mir erklären, was klassisches Songwriting ist? Gittarist Christoph Stein-Schneider (der bei dieser Antwort einspringt): Es geht rein um das Lied an sich. Es geht nicht um die Produktion, nicht um die Show oder irgendwelche Tänzer oder klassischen Geiger. Das Lied ist das Wichtigste. Wir von der Band versuchen, das Lied nur zu stützen und uns nicht in den Vordergrund zu spielen oder uns gar als Solisten vor das Lied zu spielen. Das Lied ist Chef. Das heißt, auch in der neunköpfigen First Songwriter Community gibt es keinen Chef? Moritz Krämer: Es lief bisher alles recht demokratisch ab, beziehungsweise ist ja klar, dass derjenige, dessen Song wir gerade spielen, das Sagen und eine gewisse Vorstellung davon hat. Wenn derjenige dann sagt: "Ich will da aber ein Cello, oder das wäre so schön mit einer zweiten Gitarre", dann setzen wir das auch so um. Kennt ihr auch die Rocker-vom-Hocker-Veranstaltung, die ähnlich wie die Community, in Hamburg von Ingo Pohlmann organisiert wird? Dirk Darmstaedter: Ja klar, wir haben hier das Rad ganz klar nicht neu erfunden. Es gibt momentan eine große Krise. Doch das Gute daran ist, dass dadurch die Kreativität gefördert wird, von Wohnzimmerkonzerten über das was Ingo macht, bis hin zu unserer Community. Historisch gesehen gibt es da natürlich auch einen Ursprung. Zum Beispiel 1956 die Rock’n’Roll-Jamboree mit Chuck Berry und Little Richard. Die sind damals immer zusammen losgefahren und hatten eine Backing-Band. Heutzutage muss sich jeder Songwriter und jeder Musiker, der auf Tour will, sehr gut überlegen, welche Konzepte man dem Zuschauer noch bieten und was man noch machen kann, um eine interessante Show auf die Bühne zu bringen. Es muss ja schließlich auch bezahlbar und machbar sein. Habt ihr auch darüber nachgedacht, eine kleine Community nur mit Künstlern von Dirks Label „Tapete“ auf die Beine zu stellen? Dirk Darmstädter: Nein, das hier ist sozusagen meine Freizeit. Diese Geschichte hat rein gar nichts mit „Tapete“ zu tun. Und genau das fand ich auch so reizvoll. Ich kümmere mich jetzt seit acht Jahren um meine eigenen Sachen und um Tapete, und hier stelle ich mir das ganz einfach so vor, dass ich nur im Bus sitze und lese. Ich habe jede Menge Bücher eingepackt (lacht). Wird es danach eine gemeinsame Platte geben? Dirk Darmstädter: Keine Ahnung. Für uns alle ist das Ganze erstmal eine neue Erfahrung. Bisher haben wir uns noch nicht die Köpfe eingeschlagen (lacht) und verstehen uns gut. Jetzt müssen wir sehen, ob das alles musikalisch und auch menschlich funktioniert und zusammenpasst. Alles Weitere wird sich finden. Ob man dann eine weitere Tournee macht oder eine Platte aufnimmt, das steht noch in den Sternen. Kommen wir zu euren Projekten jenseits der Community. Dirk, du wirst im Januar ein neues Album herausbringen, in dem du dich ausschließlich Bob Dylan widmest … Ich bin seit meiner Kindheit großer Dylan-Fan. Man kann wirklich sagen, dass mich dieser Musiker begleitet hat, seitdem ich atmen kann. Es war eigentlich nur eine Frage der Zeit, bis ich irgendwann ein ganzes Werk seiner Titel angehen würde. Jetzt war die Zeit reif. Zunächst waren nur ein paar Konzerte geplant, dann habe ich einige Stücke aufgenommen, und das hat so viel Spaß gemacht, dass daraus ein ganzes Album entstanden ist. Und dann werde ich auch eine richtige „Dirk sings Dylan“-Tour starten, bei der nur der Cellist Hagen, der auch bei der Community dabei ist und sonst für Ingo Pohlmann spielt, und ich auf der Bühne stehen. Mir ist schon klar, dass das ein Liebhaber-Projekt ist, aber ich musste das jetzt machen. Wie reagierst du, wenn du den Jeremy-Days-Mega-Hit „Brand new Toy“ zufällig im Radio hörst? Dirk Darmstaedter: (lacht) Meistens positiv überrascht. Ich höre nicht viel Radio, besonders hier im Norden ist die Radiosituation ja nicht unbedingt rosig, aber es gab schon Zeiten, da war ich genervt, dass die Leute mich immer nur darauf angesprochen haben. Aber so funktioniert einfach die Welt. Das geht Buchautoren nicht anders. Wenn man einmal etwas Erfolgreiches gemacht hat, wird man eben darauf und nicht auf die ganz tollen B-Seiten angesprochen. Aber daran muss man sich gewöhnen. Außerdem soll man auch aufhören, zu lamentieren: Erstens mache ich genau das, was ich machen will, und auch dieser Titel hat es mir ermöglicht, dies weiterhin zu tun, und zweitens finde ich nach wie vor, dass das ein tolles Lied ist. Moritz, was machst du außerhalb der Community? Moritz Krämer: Ich komponiere und spiele Theatermusik und drehe Videokram für Theaterstücke. In der letzten Spielzeit habe ich im Theater in Leipzig einen Liederabend gemacht, zudem eigens ein Stück inszeniert wurde. Was steht bei dir nach der Community an? Moritz Krämer: Ich nehme im November auf und hoffe, dass es 2010 etwas von mir zu kaufen gibt. Und wirst du dann wieder nach Kiel kommen? Moritz Krämer: Ja, würde ich gerne. Das hat das letzte Mal im Viva auch sehr viel Spaß gemacht. Weitere Infos zu allen Künstlern der First Songwriter Community und zu den nächsten Konzerten findet ihr unter www.myspace.com/1stsongwritercommunity Das Interview führte Hanna Kirstein Fotos: Natalie Baumgärtner