Was mit einem Neubau des Stena-Terminals in Kiel begann, wird durch den Schiffswechsel auf zwei moderne Fährschiffe ab September 2010 erfolgreich abgeschlossen. Der Seehafen Kiel und Stena Line setzen gemeinsam auf Innovation und rüsten sich für die Zukunft.
Ende 2010/Anfang 2011 heißt es Abschied nehmen von zwei Wahrzeichen Kiels: Die Stena Germanica und Stena Scandinavica, seit 1987 auf der Route Kiel-Göteborg eingesetzt, werden die Förde in Richtung östliches Europa verlassen und künftig auf der Linie Gdynia-Karlskrona eingesetzt.
Die Ablösung steht in den zwei modernen Fährschiffen Stena Hollandica und Stena Britannica schon parat. Beide Schiffe sind derzeit auf der Großbritannien-Linie Hoek van Holland-Harwich im Einsatz, für die derzeit bis Mai 2010 zwei nagelneue „Superferries“ in der Nordic-Yards-Werft in Wismar gebaut werden. Es wird der größte Flottenumbau der schwedischen Reederei in ihrer 48-jährigen Unternehmensgeschichte sein.
Namen Stena Germanica und Stena Scandinavica bleiben Kiel erhalten
An neue Namen werden sich die Kieler nicht gewöhnen müssen, denn die neuen Fährschiffe der Linie, werden die Namen ihrer Vorgänger erben. Die „neuen“ Stena Germanica und Stena Scandinavica wurden 2001 beziehungsweise 2003 gebaut und 2007 für insgesamt etwa 90 Millionen Euro verlängert und umgebaut. Bis zu ihrem Einsatz in der Ostsee werden sie abermals für 50 Millionen Euro auf der Remontowa-Werft in Danzig den neuen Aufgaben angepasst, sollen den Passagieren mehr Komfort, sogar bis zur Luxuskabine, bieten. „Stena Line sieht sich eher als schwimmendes Hotel, das Fährpassagiere von Kiel nach Göteborg transportiert, anders als Mitbewerber, die mittlerweile ein Kreuzfahrtgeschäft betreiben und auch so bewerben“, erklärt Christian Trotzeck, Manager für das Travel Business bei Stena Line. Die neuen Fährschiffe sind derzeit die weltweit größten Fähren im Linienverkehr. Mit einer Länge von 240 Metern sind die neuen Schiffe um 65 Meter länger als die jetzigen mit 175 Metern. Die Lade-Kapazität ist mit 4.100 Frachtmetern etwa zweieinhalb Mal so hoch, dafür passen mit 1.300 Passagieren knapp 400 Reisende weniger als bisher an Bord. „Die Passagierkapazitäten sind den Beförderungszahlen der letzten Jahre angepasst. Die Male, in der die Passagierzahl an Bord die Kapazität der neuen Fähren im letzten Jahr überschritt, lässt sich auf maximal zehn beziffern“, begründet Christian Trotzek die reduzierte Passagierkapazität der neuen Fähren. 2009 beförderte die Stena Line insgesamt 430.000 Passagiere auf der Linie Kiel-Göteborg.
Bollhörnkai wird zur Fährabfertigung der neuen Schiffe miteinbezogen
Durch die neuen Fährschiffe müssen auch die Hafenanlagen angepasst werden. Durch die größere Länge werden die „neuen“ Stena Germanica und Stena Scandinavica auch den Bollhörnkai (Kai südlich des Schwedenkais) in Anspruch nehmen. „Um eine reibungslose Schiffsabfertigung zu gewährleisten, ensteht derzeit eine der modernsten und leistungsfähigsten Terminalanlagen der Ostsee für große RoPax-Schiffe (Anm. d. Redaktion: Fährschiffe für Fracht sowie gleichzeitig für Passagiere)“, erklärt Dr. Dirk Claus, Geschäftsführer der Seehafen Kiel GmbH & Co KG. Eine feste und eine mobile Gangway für Passagiere, die in 20 Meter Höhe die Fähren betreten werden, eine neue Rampenanlage für Fahrzeuge und Güterverladeeinrichtungen werden in naher Zukunft für 10 Millionen Euro am Bollhörnkai-Nord im Auftrag des Seehafen kiels gebaut und wie das neue Terminal am Schwedenkai am 1. September 2010 betriebsbereit sein und am 1. Oktober 2010 in Betrieb genommen.
Bahnschienen auf Westufer werden wieder in Betrieb genommen
Künftig kann es den Kielern und Touristen darüber hinaus passieren, dass sie nicht nur wegen der hochgeklappten Hörnbrücke zwischen Kaistraße und Förde warten müssen, sondern wegen der Durchfahrt eines Güterzuges. Durch die neuen Fähren wird Stena Line auch ein neues umweltfreundliches Eisenbahnangebot für Trailer und Container anbieten. Analog dem Rangier- und Umladeverfahren am Norwegenkai werden demnach Container oder andere Exportwaren per Bahn an die Fähre transportiert und dort auf kurzem Wege umgeladen. „Wir wollen im Frachttransport nicht nur durch attraktive Preise überzeugen, sondern auch durch bessere Konzepte, bessere Dienstleistungen und besseren Service“, blickt Stena-Line-Frachtchef Hans Hansson in die Zukunft. Am Fahrplan wird sich daher auch nichts ändern. Die Nachtfahrten mit der Fähre schaffen adäquate Ruhezeiten für LKW-Fahrer und sorgen für mehr Sicherheit auf den Straßen.
Stena-Standort Travemünde wird geschlossen
„Die Stena Line betrachtet Kiel als Gateway zwischen Westeuropa und Skandinavien“, so Hans Hansson. Diese strategische Entscheidung beinhaltet jedoch auch, dass die vier Fähren, die heute von Kiel und Travemünde nach Göteborg verkehren, durch die zwei neuen ersetzt und zukünftig von Kiel aus gesteuert werden. Der Standort Travemünde wird somit komplett geschlossen und die reinen Frachtrouten von Travemünde nach Göteborg eingestellt. Was mit den beiden sich dort im Einsatz befindlichen Frachtern Stena Carrier und Stena Freighter geschieht, ist von Seiten der Stena Line derzeit noch nicht entschieden. Eine Entlassung der in Travemünde beschäftigten 14 Mitarbeiter wurde durch deren zur-Wahl-Stellung für die zeitnahen Betriebsratswahlen außer Kraft gesetzt, da die Kandidatur eine Kündigungssperre von einem halben Jahr zur Folge hat und somit die Abwicklung des Standorts blockiert. Eine gerichtliche Anhörung, ob die Betriebsratskandidatur trotz der bekannten Schließung des Standorts rechtmäßig ist, fand heute vor dem Lübecker Arbeitsgericht statt. Fortsetzung folgt. Auch in Kiel wird Zahl der Mitarbeiter durch die Umstrukturierung reduziert werden. Wie viele Stellen genau gestrichen werden, konnte Christian Trotzeck noch nicht beziffern, „derzeit arbeiten in Kiel 110 Arbeitskräfte, nach der Umsetzung der neue Struktur werden wir wohl bei etwa 90 liegen.“ Darunter werden auch die 20 Mitarbeiter des ehemaligen Strategiestandorts Düsseldorf sein, der in drei Wochen abgewickelt sein wird. Künftig sollen in bestimmten Bereichen (zum Beispiel Service oder Abfertigung) vermehrt Arbeitskräfte in einem bereits jetzt praktizierten Teilzeitarbeitsmodell beschäftigt werden. Grund: die saisonal schwankenden Abfertigungs- und Passagierzahlen.
Stena Line und Seehafen Kiel für die Zukunft gerüstet
Nachdem Color Line und DFDSLisco bereits neue Fährschiffe in den vergangenen Jahren auf ihren Routen von und nach Kiel eingesetzt haben, zog Stena Line als letzte Fährreederei jetzt nach. Wie das schwedische Unternehmen ist auch der Seehafen Kiel nach den Umbauten des Norwegen- und Ostseekais, sowie der anstehenden Fertigstellung des Neubaus am Schwedenkai für den Passagier- und Frachtverkehr in der Zukunft gut aufgestellt.