Etwa vierzig Studierende trafen vergangenen Mittwoch auf Mitglieder des schleswig-holsteinischen Landtages und einen Vertreter des Ministeriums für Wissenschaft, Wirtschaft und Verkehr. In zahlreichen Wortmeldungen brachten die Studierenden ihre Forderungen an die Landesregierung und die Parlamentarier zum Ausdruck.
Die Vertreter der Politik betonten, dass auch sie die Studienbedingungen verbessern wollen und nicht als Gegner der Studierenden verstanden werden möchten.
Das öffentliche Aufeinandertreffen von Politik und Studierenden fand im ehemaligen Sitzungssaal des Landtages, dem Schleswig-Holstein-Saal, statt. Am Kopf des Saals saßen sich die Sprecher der Studierenden und die Abgeordneten in U-förmiger Tischreihung gegenüber. Die restlichen vierzig Studierenden füllten die ersten Reihen des Zuschauerbereichs. Aus allen sechs Parteien des Landtages (CDU, SPD, FDP, B90/Grüne, Linke und SSW) kamen Vertreter des Bildungsausschusses, der zu dem Treffen eingeladen hatte. Aus der studentischen Selbstverwaltung waren Vertreter des AStA der Uni Kiel und des AStA der Uni Flensburg anwesend. Der überwiegende Teil der Studierenden entstammte den Aktiven der Proteste diesen Jahres.
Wie bei solchen Veranstaltungen üblich, tauschten zunächst die Vertreter im Podium ihre Ansichten, Fragen und Antworten aus. Danach konnten aus dem Publikum heraus Wortmeldungen vorgebracht werden. Im Anschluss an das eigentliche Treffen stellten sich Birger Hendriks (Leiter der Ministerialabteilung Wissenschaft) sowie die beiden Abgeordneten Henning Höppner (SPD, Mitglied im Bildungsausschuss) und Rasmus Andresen (B90/Grüne) in längeren, informellen Gesprächen den kritischen Anmerkungen und Fragen der Studierenden. Vermisst wurde der Wirtschafts- und Wissenschaftsminister Jost de Jager (CDU). Dieser ließ jüngst erklären: „Im Übrigen habe ich auch schon in meiner Zeit als Wissenschafts-Staatssekretär stets für eine enge Vernetzung von Wissenschaft und Wirtschaft gearbeitet.“ Damit dürfte ihm wenig gefallen, dass die Studierenden gerade auch die Ökonomisierung der Hochschulen als zentralen Kritikpunkt anführten.
Studierende: Bologna-Prozess gescheitert
Worum ging es sonst noch? Die Studierenden erklärten, die Europäisierung des Hochschulraums, sprich den Bologna-Prozess, für fehlgeschlagen. Das ECTS („European Credit Transfer and Accumulation System“) schaffe keine Vergleichbarkeit, Auslandsaufenthalte seien fast unmöglich und Leistungen würden statt an Inhalten stupide am Arbeitsaufwand bemessen sowie von einer Uni zur anderen nicht anerkannt werden. An den Hochschulen fehle es an Dozenten und Räumlichkeiten. Der zu hohe Arbeitsaufwand im zudem inflexiblen Bachelorstudium verhindere die selbständige Finanzierung des Lebensunterhalts. All dies müsse sich ändern. Hierzu, so die Studierenden, bedarf es nicht nur einer echten Vergleichbarkeit von Leistungen und Abschlüssen, sondern auch flexiblerer Studiengänge, weniger beziehungsweise verteilterer Prüfungen und einer ausreichenden Finanzierung der Hochschulen und der Studierenden selbst.
Dass das Geld nicht auf Bäumen wächst, steht dabei außer Frage. Das Problem ist aus Studierendensicht jedoch die Verteilung der Mittel. Geld ist vorhanden, muss sich jedoch in Konkurrenz zu anderen Politikfeldern aus unter anderem den Bereichen Soziales und innere wie äußere Sicherheit behaupten. Hier ist der politische Wille gefragt, das Geld in die Bildung zu investieren. Die Öffnung der Hochschulen für den Einfluss der Wirtschaft lehnen die Studierenden ab. Als negatives Beispiel wurde die Verquickung mit der Bayer CropScience AG (unter anderem sogenannte grüne Gentechnik) angeführt, deren Vorstandsvorsitzender Friedrich Berschauer zur Zeit auch dem Universitätsrat der Unis Kiel, Flensburg und Lübeck vorsteht. Laura von der CAU brachte es noch einmal auf den Punkt. Bildung ist kein Trichter zum Reinpressen von abfragbarem Wissen. Die Studierenden sollen im Studium nicht späteren Arbeitsverhältnissen angepasst werden, sondern durch Bildung im echten Sinne die Mittel bekommen, als selbständige Menschen ihren Weg zu gehen und ihrerseits die Verhältnisse zu beeinflussen.
Was sagt die Politik?
Die inhaltlichen Antworten auf die Fragen und Forderungen der Studierenden gab Birger Hendriks vom Ministerium, der auch einer der beiden Leiter der nationalen Bologna Follow-Up-Gruppe ist. In dieser Arbeitsgruppe überwachen Vertreter von Bund und Ländern sowie unter anderem der Hochschulrektorenkonferenz die Umsetzung des Bologna-Prozesses. Hendriks gestand ein, dass es eine Weiterentwicklung von Bologna geben müsse. Hier sind jedoch, so der Abteilungsleiter, auch die Hochschulen selbst gefragt. Dort werden Prüfungsordnungen und Studiengänge festgelegt, dort entscheidet etwa die CAU, ob sie Studienleistungen aus Flensburg anerkennt oder nicht. Die 46 Staaten des Bologna-Prozesses legen in dieser Frage nur Standards fest und bieten keine Vereinheitlichung. Dennoch wollen sie die Mobilität der Studierenden durch verbesserte Anerkennung von Abschlüssen und mehr Workload-Flexibilität fördern. Als eine erste Flexibilisierung ist es in Zukunft möglich, auch achtsemestrige Bachelor anzubieten. Die Begrenzung der Studiendauer BA plus MA auf zehn Semester = 300 Credits mit je 30 Credits á Semester, bleibe jedoch bestehen. Dies bezeichnete Rasmus Andresen von den Grünen als bedenklich, da dann der achtsemestrige Bachelor womöglich keinen viersemestrigen Master mehr machen könne.
Der Tenor der Vertreter aus dem Bildungsausschuss war einerseits eine gewisse Solidarität mit den Studierenden sowie die Anerkennung bestimmter Probleme, wie etwa die mangelnde Mobilität im Studium und die Nichtanerkennung von Studienleistungen und Abschlüssen. Andererseits wurden die Studierenden aufgefordert, konkrete Forderungen zu stellen und weniger allgemein zu argumentieren. Anke Spoorendonk vom SSW erntete viel Applaus mit der Forderung nach einem elternunabhängigem BAföG nach dänischem Vorbild. Sie unterstrich in ihrem Statement, dass die verschiedenen Parteien im Bildungsausschuss sich keineswegs in allem einig sind. Einigkeit herrschte jedoch bei allen Seiten, sprich Ministerialabteilungsleiter, Bildungsausschuss und Studierenden, darüber, dass es im Januar eine Fortsetzung der Gespräche in einem gemeinsamen Arbeitskreis aus Studierenden, Hochschulpräsidien und Politik geben wird. Damit dieser dann auch genug konkrete Fragen zu behandeln hat, übergaben die Studierenden am Schluss des Treffens ein hübsch verpacktes Geschenk an Susanne Herold (CDU), die Vorsitzende des Bildungsausschusses. Das Geschenk enthielt tausend Wunschzettel von Lehrenden und Studierenden.
Jörg Ludolph