Redakteurin Kim Hase sinnierte über die Sehnsucht nach dem Sommer – und darüber, wie die besondere Jahreszeit das eigene Wesen verändert
Was ist es, das mich so süchtig macht? Warum kann ich von Sommerstunden nicht genug bekommen? Natürlich habe auch ich damals zwischen einem schlaksigen Plastikgerippe und Kreidestaub gelernt, dass es für diese Sehnsucht eine ganz logische Erklärung gibt. Da ist sicher etwas dran, dass ein paar UV-Strahlen mehr meinen Serotoninhaushalt erhöhen und auch der Genuss der ersten Eiskugel meinem Zwischenhirn Befriedigung signalisiert. Doch lässt mich wirklich nur die Erwartung einer biologischen Reaktion so hoffnungsvoll auf die Augustspalte schielen, schon wenn ich im Januar die Redaktionstermine in den Kalender eintrage? Denn dieses undefinierbare Sommerglück spüre ich doch auch noch, nachdem der letzte Tropfen Stracciatella durch meine Finger in den Strandsand gesickert ist. Sogar dann, wenn da am Ende des Tages kaum noch Licht ist, das belebende Botenstoffe in meinen Kopf transferieren könnte. Noch in der vollkommenen Dunkelheit sehe ich so viele bunte Bilder vor mir, die mich vor lauter Vorfreude auf den nächsten verrückten Strandtag am Einschlafen hindern.
Stundenlang könnte ich mir ausmalen, wo meine Freunde und ich wohl von dem ersten Sommerregen überrascht werden oder in welcher Stadt wir uns wohl verlaufen, falls wir morgen spontan verreisen. Eigentlich herrscht im Portemonnaie ja noch dieselbe Ebbe, die unsere Silvesterpläne austrocknen ließ. Doch als wir das heute auf der sonnigen Wiese des Schrevenparks überdacht haben, schien uns diese Hürde plötzlich eher wie eine willkommene Herausforderung: „Einfach mal wieder losfahren, zur Not schlafen wir am Strand und für Spaghetti auf dem Campingkocher wird es wohl noch reichen“ – im Sommer bin ich immer so mutig! So voller Vertrauen in die kommenden Wochen. Sobald ich meinen Kopf an die kühle Scheibe des Fernbusses lehne, bin ich mir sicher, dass bald etwas Abenteuerliches passieren wird. Ich denke, genau dieses Gefühl ist es, das mich nicht von meiner Sucht nach Sommer loskommen lässt. Das Wissen, dass mich die Hitze so lebensdurstig macht, dass ich ganz unangestrengt und plötzlich wieder zur mutigsten Version meiner selbst werde.