Am Montagabend war der Platz vor der Hörnbühne prall gefüllt. Kein Wunder, denn der Hamburger Rapper Samy Deluxe war zu Gast und spielte in seiner knapp 90-minütigen Show „Hits, Hits, Hits“, wie er es selbst vorher im Interview mit KIELerLEBEN genannt hatte
Fragst du dich nach all den Jahren vor einem Auftritt noch, was das Publikum hören will?
Eigentlich nicht. Ich habe gute Erfahrungswerte, welche Songs bei welchem Publikum funktionieren. Es ist eigentlich immer ein Querschnitt durch die gesamte History. Wenn man weiß, dass man bei einem Hiphop-Festival wie dem Splash auftritt, packt man auch mal einige Klassiker aus, die der HipHop-Head, aber nicht der Mainstream-Hörer kennt. Aber bei Auftritten wie heute gibt es das klassische Programm – Hits, Hits, Hits.
Ist solch ein Konzert auf der Kieler Woche ein bisschen zu Mainstream für dich?
Sobald man viele Menschen anspricht, tritt man natürlich auch bei Events auf, bei denen viele Leute vor der Bühne stehen. Dann ist es Mainstream. Ich habe schon auf allen Arten von Festen gespielt. Als Künstler spielt man entweder auf gebuchten Tourneen oder auf Festivals. Oder bei solchen Volksfesten wie hier, bei denen sich Gastro, Musik und Entertainment verbinden.
Auf deinem neuen Album „Berühmte letzte Worte“ hast du andere Rapper wie Afrob und Megaloh, aber auch Nena als Gäste dabei. Ist es ein stückweit normal geworden, dass man als Rapper auch mit Popmusikern zusammenarbeitet?
Wir sind auch normale Menschen, die sich ab und zu mal treffen. Solche Kollaborationen entstehen bei mir nie am Reißbrett. Ich frage mich nicht: ,Wie kann ich mehr Singles verkaufen? Ahja, ich frag einfach mal Nena.’ Wir sind einfach befreundet. Viele Rapper haben ihr Pendant in der älteren Generation: Materia hat viel mit Campino geschrieben, Jan Delay und Max Herre hängen mit Udo Lindenberg ab und ich eben mit Nena. Das sagt viel über mich aus, dass ich mit so einer coolen, spirituellen Frau abhänge (grinst).
Dein erstes Album ist 2001 erschienen. Inwieweit hat sich deine Arbeit seitdem verändert?
Der Prozess ist mittlerweile sehr anders. Früher hatte ich Produzenten, die mir Beats gegeben habe und ich musste in die Aufnahmekabine. Da war es ein wenig wie Arbeit, Songs aufzunehmen. Seit 2010 habe ich mein eigenes Studio, wo ich alles selber mache. Der Prozess ist jetzt viel homogener. Es fließt alles ineinander über: Ich mach einen Beat, spiele noch etwas drauf und das Mikrofon steht direkt neben mir. Das passiert alles ungeplant. Es darf sich nicht wie Arbeit anfühlen.
Du hast schon immer Texte geschrieben, die oft gesellschaftskritisch sind und manchmal auch provozieren. Wie kommt das?
Man kann sich nicht wirklich entscheiden, wer man ist und was man ausspricht. Ich zensiere mich nicht viel, sondern nehme auf, was mir einfällt. Danach suche ich das aus, was mir gefällt. Es gibt Themen, die spielen in meinem Leben zwar eine Rolle, aber trotzdem schreibe ich darüber fast nie. Frauen und Liebe zum Beispiel. Es gibt keinen ernsthaften Song von mir, wie ich zu Frauen, Beziehungen und Liebe stehe. Was mich interessiert, sind gesellschaftsbeobachtende Sachen. Hobbyphilosophie für Arme nenne ich das immer. Das hat mir immer schon gelegen.
Als du angefangen hast, Musik zu machen, gab es deutschen Gangster-Rap nicht, wie er zum Beispiel heute von der 187 Straßenbande aus Hamburg gemacht wird. Wie stehst du zu dieser Entwicklung?
Ich pauschalisiere nicht und sage: ‚Solche Musik ist gut und solche ist schlecht.’ Das ist für das Gleiche, Menschen nach Hautfarben zu bewerten. Es gibt guten Gangster- und Straßenrap: Zwar sind auf dem ersten Haftbefehl-Album viele negative Inhalte und ich würde es kleinen Kindern nicht vorspielen, aber die Kunst ist so gut, dass es viele dieser Sachen rechtfertigt. Ich kann gut mit Gangster Rap leben. In Deutschland hat das eine andere Note als in Amerika, wo es schwarze Musik mit vielen musikalischen Faktoren ist. In Deutschland ist es mittlerweile ein Vehikel für viele Leute, um Geld zu machen, obwohl diese Leute kein wirkliches Interesse an Musik haben. Ich muss mir das nicht anhören, deswegen versuche ich auch nicht, darüber zu urteilen. Es gibt ein paar Sachen, die ich geil finde. 187 haben auf jeden Fall eine Ausstrahlung. Ich weiß, was sie für Musik machen, und kann damit leben.