Lars Jessen hat noch nie einen ernsten Film gedreht. Doch das findet der in Kiel geborene Regisseur auch gar nicht schlimm. Über die Gründe spricht er im Interview ebenso wie über seine Kindheit in einer Wohngemeinschaft, Heimatverbundenheit und seinen nächsten Film. Sein Film „Vadder, Kutter, Sohn“ läuft am 06. Oktober um 20.15 Uhr in der ARD
KIELerleben: Obwohl du in Kiel geboren bist, hast du nicht lange hier gelebt, richtig?
Lars Jessen: Genau. Ich habe in Kiel gewohnt, bis ich neun Jahre alt war. Aber da fast meine gesamte Familie hierher kommt und wir auch noch ein Ferienhaus am Brahmsee haben, gibt es viele Verbindungen zu Kiel.
Die da wären?
Die stärkste ist wohl der Handball. Ich habe als Kind direkt am Exerzierplatz gewohnt. Da die Ostseehalle damals noch flacher war, konnte ich vom Badezimmerfenster aus die Anzeigetafel sehen. So habe ich auf dem Klodeckel stehend ganze Spiele verfolgt. Daher rührt meine Bindung zum THW. Ansonsten gehe ich gerne segeln. Oder einkaufen, weil es hier so schön beschaulich ist.
Als Neunjähriger bist du mit deiner Mutter in eine Wohngemeinschaft nach Brokdorf gezogen. Wie war das für dich?
Fast schon traumatisch. Vorher wurde ich als Kind von meinen Großeltern mit Hubba Bubba-Kaugummi und Yps-Heften verwöhnt. In der Wohngemeinschaft waren dann nur Erwachsene, die eine klare Vorstellung vom Leben hatten. Es war alles etwas verwirrend für mich, zumal ich auf einmal kein eigenes Zimmer mehr hatte. Das Schöne war allerdings, von der Stadt in die ländliche Idylle gezogen zu sein.
Wann war für dich klar, dass du Regisseur werden willst?
Ungefähr in der 10. Klasse. Damals haben wir in der Video-AG mehr an kleinen Filmen geschraubt als an unserer Schulkarriere. Ich wollte etwas machen, was Aufsehen erregt, hatte aber kein musisches oder künstlerisches Talent. Das Schlüsselerlebnis war schließlich, als ich 1985 Detlef Bucks Kurzfilm „Erst die Arbeit und dann?“ gesehen habe.
Wieso?
Der Film ist knapp 40 Minuten lang und erzählt die Geschichte eines Bauern, der in die Stadt will. Ich fand den Film fantastisch und habe gedacht: ,Wenn der das mit solch geringen Mitteln machen kann, dann kann ich das vielleicht auch schaffen.‘
Daraufhin hast du Film und Fernsehen studiert. Was war dein erster richtiger Auftrag als Regisseur?
Ich habe jahrelang als Regie-Assistent gearbeitet. Eines Tages ist ein Regisseur krank geworden und ich bin eingesprungen. Das war 1998 bei der Serie „Die Wache“ auf RTL. Dadurch bin ich ins Seriengeschäft gekommen und habe das sechs Jahre lang gemacht. Mein erster Kinofilm „Am Tag als Bobby Ewing starb“ war dann der Eintritt in die Langfilm-Welt.
Wie kam es dazu?
Es war wahnsinnig anstrengend, als Neuling mit dem Drehbuch die ganzen Geldgeber zu überzeugen. Wir haben circa 35 Fassungen geschrieben (lacht). Als dann mit Peter Lohmeyer ein bekannter Schauspieler zugesagt hat, konnten wir noch den einen oder anderen Förderer überzeugen.
Viele deiner Filme haben einen Bezug zum Norden. Bist du ein heimatverbundener Typ?
Ja, durchaus. Detlef Buck hat mir da mit seinen wirklich guten Nord-Filmen sozusagen den Weg bereitet. Ich mache das jetzt mit meinem Stil weiter. Deshalb ist der Heimatfilm für mich genauso wichtig wie eine bestimmte Art von Humor. Schließlich habe ich noch nie einen ernsten Film gemacht.
Warum nicht?
Ich wüsste gar nicht, wie das geht (lacht). Ich hätte zwar Lust darauf, bin mir aber ziemlich sicher, dass auch dann Situationen ins Lustige kippen würden. Das hat auch was mit meinem Charakter zu tun. Ich finde im täglichen Leben so viele Dinge lustig, dass ich diese wahrscheinlich auch in einem ernsten Drehbuch finden würde. Von daher ist es schon alles gut so.
Wie kann man sich die Arbeit eines Regisseurs vorstellen?
Mein Job ist mit dem eines Trainers einer Sportmannschaft vergleichbar. Ich muss selber nicht die Tore machen, sprich nicht selber vor der Kamera stehen, aber dafür alles koordinieren, die Richtung vorgeben und Arbeitsprozesse aufeinander abstimmen. Zudem muss ich antizipieren, wie der Film nachher aussehen soll. Insgesamt muss ich den Input meines Teams mit meinen Vorstellungen abstimmen. Schließlich spielen wir wie die Sportler vor Zuschauern und müssen schauen, ob unsere Arbeit in einer Verbindung zu ihnen steht.
Welcher ist dein Lieblingsfilm?
„Almost Famous“ von Cameron Crowe, der quasi seine Lebensgeschichte verfilmt hat. Der Film beschreibt mit ungewöhnlichen Kinobildern das Gefühl des Aufbruchs und erzählt, was die Musik für ein Leben bedeuten kann.
Am 6. Oktober läuft dein Film „Vadder, Kutter, Sohn“ um 20.15 Uhr in der ARD. Worum geht es?
Der Film spielt in Dithmarschen. Knud Lühr, gespielt von Axel Prahl, und sein Sohn Lenny (Jonas Nay) raufen sich aus Geldnot nach zehn Jahren wieder zusammen. Mithilfe der Kraft der Musik schaffen sie es, sich wieder anzunähern und ihre Funkstörung zu überwinden.
Das Interview führte Bastian Karkossa