Wolfgang Niedecken zählt zu den erfolgreichsten deutschsprachigen Musikern unserer Zeit. Das Kölner Urgestein hat mit KIELerleben-Redakteur Markus Till über sein neues Album und ein neues Buch gesprochen
KIELerleben: Sie haben im Oktober Ihr neues Solo-Album „Reinrassije Strooßeköter – das Familienalbum“ präsentiert. Erzählen Sie, was uns erwartet.
Wolfgang Niedecken: Es bezieht sich auf das vorige Solo-Album aus dem Jahr 2012. Damals war das mein Dank an meinen Schutzengel, an meine Frau, nach meinem Schlaganfall 2011. Die hat mich unmittelbar an die richtige Stelle verfrachtet. „Zosamme alt“ war ein Album für meine Frau mit Stücken, die ich im Laufe unserer mittlerweile 30 Jahre geschrieben habe. Die Songs wurden neu arrangiert, und es hat sich auch gut verkauft – stieg bis auf Platz vier.
Das Thema des neuen Albums ist: Familie!
Genau. Deswegen sind auch reichlich Familienfotos aus den letzten hundert Jahren im Booklet. Es war ein Herzenswunsch von mir. Ich wollte das Album unbedingt machen, wollte diesen Zeitraum zusammenzufassen. Die meisten Lieder sind irgendwo auf den Alben versteckt und viele sogar unbemerkt geblieben. Live setzen sich lautere Stücke durch, die leiseren Töne sind eher für die Liebhaber, für die Alten, die die Scheibe noch ganz durchhören. Johnny Cash hat was Ähnliches gemacht: Der hat regelrechte Themenalben gemacht. Coverversionen zu bestimmten Themen und dann mit seiner ruhigen, sonoren Stimme in den Jahren, bevor er gestorben ist, aufgenommen. Und sowas finde ich großartig. Ein Künstler muss auch um sein Repertoire kämpfen. Du kannst aber auch in die Nostalgiefalle tappen.
Was ist die Nostalgiefalle?
Das ist, wenn du dem Publikum nur das gibst, was sie gern gehört haben, als sie selbst noch jung waren. Die Falle schnappt zu und dann landest du irgendwann im Kirmeszelt. Ich bin sehr froh und sehr stolz, dass wir ein dermaßen großes Repertoire haben, für das wir natürlich auch eine Verantwortung haben.
Das Album entstand wie der Vorgänger in Amerika. Wieso New Orleans? Gibt es Parallelen zu Köln?
Ja, die gibt es natürlich. Breiter Fluss, sehr lebensfroh. Karneval. Und reichlich abgedrehte Leute, aber sehr herzlich. Ein Schmelztiegel der unterschiedlichsten Kulturen. Es hat sich gut gefunden. Für mich war New Orleans Liebe auf den ersten Blick.
Hat man in New Orleans wirklich das Gefühl: Hier stammt die Musik her, hier lebt die Musik?
Definitiv. New Orleans ist eine unfassbar musikalische Stadt. Du kannst dich dem auch nicht entziehen. Wenn du durch die Gegend gehst, hast du endlos viele Straßenmusiker, von denen die meisten auf einem sehr hohen Niveau spielen. Du hast kleine Clubs und Bars, in denen Bands spielen, nicht nur auf der Bourbon Street.
Wollten Sie nicht eigentlich kürzertreten nach dem letzten Album?
Das mit dem Kürzertreten ist so eine Sache. Manche Sachen ziehen dich rein. Wenn Du A sagst, musst du auch B sagen. Und da ich immer nur bei Sachen Ja sage, die mir Spaß machen, muss ich dann auch mit dem B sagen klar kommen. Ich mache noch deutlich mehr, als sich jetzt erkennen lässt. So war ich zum Beispiel gerade für einen Monat in den USA unterwegs für eine fünfteilige Arte-Serie, „Auf den Spuren von Bob Dylan“. Dafür musste ich mich natürlich ordentlich vorbereiten, denn ich will ja nicht im Finstern herumstochern.
Sie sind ein großer Bob-Dylan-Fan?
Ja klar. Ohne Bob Dylan wäre mein Leben anders verlaufen. Auch die Rolling Stones und die Beatles haben mich geprägt. Ebenso wie die Kinks und The Who.
Also fließt von denen auch ein bisschen was in Ihr Leben ein?
Auf jeden Fall. Ich bin jetzt 66. Wenn ich das Leben Revue passieren lasse, muss ich sagen: Es gibt nichts, das mich so beeinflusst hätte wie diese Kollegen, von denen ich erfreulicherweise sogar im Lauf der Zeit einige kennengelernt habe.
Sie haben auch ein neues Buch herausgebracht.
Ja genau. Ich habe auch während der Jubiläums-Tour 2016 mit BAP ein Logbuch geschrieben und kollagiert. Nach ein, zwei Wochen hab ich dann gedacht: Da könntest du doch ein Buch draus machen. Ich habe nach 70 Konzerten, immer auf dem Weg zum nächsten Gig, auf dem Rücksitz gesessen und geschrieben. Und wenn es mal geholpert hat, wurde die Schrift halt etwas unleserlicher. Das haben wir allerdings fürs Buch im zweiten Teil auch noch ordentlich abgetippt. Meine Frau hat die Fotos beigesteuert, weil sie naturgemäß am nächsten dran ist. Und es macht unglaublichen Spaß, da drin rumzustöbern und zu lesen.
Das Interview führte Markus Till
Zur Person
Wolfgang Niedecken ist ein deutscher Musiker, Maler und Autor. 1976 gründete er die Kölschrock-Band BAP. Bis heute ist er Sänger, Texter, Komponist und Frontmann der Gruppe und das einzig verbliebene Gründungsmitglied. Darüber hinaus arbeitet er auch als Solist und nahm bislang vier Soloalben auf. Niedecken gehört zu den wesentlichen Protagonisten, die den Kölner Dialekt über die regionalen Grenzen hinaus auch in der deutschen Rockmusik etabliert haben.
Tipp
Am 9. Juni 2018 ist Wolfgang Niedecken mit BAP auch im Norden zu sehen. Auf der Freilichtbühne im Hamburger Stadtpark werden die Altrocker auftreten. Karten sind ab sofort über www.eventim.de erhältlich.