So mancher Kieler erinnert sich noch an das Rattern und Klingeln der Straßenbahn. Schon bald könnten wieder Bahnen durch die Stadt rollen. KIELerLEBEN nimmt Vergangenheit und Zukunft des Schienenverkehrs unter die Lupe.
Die Türen quietschen beim Schließen, mit leichtem Ruckeln setzen sich die Wagons in Bewegung. Was heute nach Nostalgie klingt, war bis Mitte der 80er Jahre in Kiel Realität. Bevor im öffentlichen Personennahverkehr der Bus eingeführt wurde, stellte die Straßenbahn einen gewohnten Anblick im Stadtbild dar. Die Idee einer linien- und fahrplanmäßigen Personenbeförderung ist jedoch schon sehr alt. Bereits seit 1881 diente die Pferdebahn als Nahverkehrsmittel an der Förde, wobei der Fahrpreis, je nach Entfernung, 10 bis 20 Pfennig betrug. 15 Jahre später rollte zum ersten Mal eine elektrisch betriebene Straßenbahn von der Waldwiese zum Belvedere. Schon bald darauf sorgten die boomende Schiffbauindustrie und die Eröffnung des Nord-Ostsee-Kanals für ein steigendes Verkehrsbedürfnis, das zum Ausbau des Straßenbahnnetzes führte.
Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde der Straßenbahnverkehr wieder aufgenommen. 1952 gab es in Kiel eine bundesweite Premiere. Der Fahrkartenverkauf, für den bis dahin die Schaffner zuständig waren, wurde von den Lokführern übernommen. Mit der folgenden Zeit des Wirtschaftswunders gewann die Idee der autogerechten Stadt an Bedeutung. Nach und nach wurden verschiedene Straßenbahnlinien nicht mehr bedient oder durch Omnibuslinien ersetzt. Höhepunkt dieser Entwicklung war der Generalverkehrsplan der Stadt Kiel, der die Stilllegung des Bahnbetriebes festsetzte. Als letzte Straßenbahn verkehrte noch die Linie 4 zwischen Wellingdorf und dem Kanal. 20 Fahrer versorgten im Schichtdienst von kurz nach vier bis morgens um eins den Betrieb. Als die Tram am 4. Mai 1985 aufs Abstellgleis fuhr, standen zahlreiche Kieler am Straßenrand zum Ehrengeleit und winkten den Fahrern zu.
Rund 25 Jahre später ist das Thema Mobilität auf der Schiene an der Förde wieder aktuell. Mit der ruckelnden Straßenbahn vergangener Tage hat dies jedoch wenig gemein. Geplant ist eine StadtRegionalBahn (SRB), die das Umland mit der Innenstadt verbindet. Der Clou: Neben den eigenen Gleisen in der Stadt nutzt die SRB auch die Gleise der Regionalbahn; ein Umsteigen am Hauptbahnhof entfällt. Der aktuelle Netzentwurf verbindet die Orte Eckernförde, Neumünster, Preetz und Schönberg. Bis die ersten Bahnen rollen, ist jedoch noch viel zu tun. „Nach der Untersuchung der technischen Machbarkeit und der Kostenermittlung ist für das nächste Jahr die Gründung einer Planungsgesellschaft vorgesehen. Neben dem Entwurf für die konkrete Umsetzung der SRB wird sie das Planfeststellungsverfahren betreuen“, verrät Bürgermeister Peter Todeskino, der für die Leitung des Projektes verantwortlich zeichnet. Zweck des Planfeststellungsverfahrens ist es, die Interessen der Bürger und der vom Projekt betroffenen Behörden besonders zu berücksichtigen. „Die StadtRegionalBahn bedeutet eine große Chance für die Entwicklung der ganzen Region und bildet das Rückgrat für die Mobilität von morgen“, fasst Todeskino die Bedeutung des Projektes zusammen. Der voraussichtliche Zeitplan sieht die Inbetriebnahme für Ende 2019 vor. Bis es so weit ist, besteht jedoch noch Diskussionsbedarf. Erst wenn alle Projektbeteiligten zustimmen, könnten die Kieler in Zukunft wieder auf der Schiene durch die Stadt fahren – ganz ohne Ruckeln und Quietschen.
Wer mit der Straßenbahn in die Vergangenheit reisen möchte, hat dazu im Museumsbahnhof Schönberger Strand die Gelegenheit. An jedem Wochenende von Pfingsten bis Mitte September gibt es die Möglichkeit für eine Rundfahrt mit der historischen Straßenbahn. Den Fahrplan und weitere Infos gibt es unter www.vvm-museumsbahn.de.
Bildnachweis: Stadtarchiv Kiel + Visualisierung: Landeshauptstadt Kiel