Mit der ersten Pferdeklappe in Deutschland hilft Petra Teegen Pferden und ihren in Not geratenen Besitzern. Noch vor wenigen Jahren hätte sie nicht gedacht, wie groß ihr Projekt einmal werden würde.
„Ich werde mich stark machen, dass sie in gute Hände kommen“, erklärt Petra Teegen ihrem Bekannten, Frank Weber von der VOX-Fernsehsendung „hundkatzemaus“, am anderen Ende der Leitung. Gemeinsam tauschen sie sich über fünf vernachlässigte Pferde und Ponys aus, die eine neue Bleibe brauchen, weil ihr vorheriger Halter im Koma liegt.
Kurz nachdem Petra Teegen das Gespräch beendet, klingelt ihr Handy ein zweites Mal. „Funny machen ihre Zahnprobleme zu schaffen“, berichtet sie Tierarzt Dr. Achim Gitzel vom Leid ihres eigenen Ponys. Dabei wird ihre klare Stimme ganz weich. „Aber so ist das mit über 30“, sagt sie und lacht herzlich. Dabei kommen die sympathischen Lachfalten der 62-Jährigen zum Vorschein. Etwa 100 Meter von ihrem Hof in Norderbrarup entfernt, befindet sich die erste Pferdeklappe Deutschlands, eine von Bäumen umringte Koppel mit einer Größe von einem Viertel Hektar Land. Das Prinzip hinter der Klappe: Unbürokratisch und schnell dürfen Pferdehalter, die sich nicht mehr um ihre Vierbeiner kümmern können, ihre Tiere hier abgeben. Alles, was sie dafür tun müssen, ist, eine Unterschrift auf einem Formular zu leisten, das sich in einer Notbox vor der Klappe befindet. Dieses erklärt offiziell, dass das Pferd ab sofort im Besitz von Petra Teegens Pferdeklappe ist. Ob die Abgabe anonym oder per Anmeldung erfolgt, ist dem Halter überlassen. Dabei gibt es jedoch einige Richtlinien zu beachten: Der sogenannte Equidenpass für das Pferd muss beigelegt werden, es darf keine chronischen Krankheiten haben und nicht älter als 20 Jahre alt sein. „Nur dann dürfen wir die Tiere nach dem Tierschutzgesetz noch vermitteln. Die Klappe ist kein Gnadenbrothof“, betont sie. Die schnelle Hilfe, die die Pferdeklappe bietet, richtet sich außerdem an kranke und arme Menschen, die sich ihr Tier aus eben diesem Grund nicht mehr leisten können. „Es kann doch nicht sein, dass eine Familie ihr Pferd um jeden Preis behält und die eigenen Kinder haben keine Socken an den Füßen“, betont die Mutter dreier Söhne. Oberstes Ziel ist es, dem in der Pferdeklappe untergebrachten Tier ein gutes, neues Zuhause zu geben. Wer Interesse daran hat, ein Pferd bei sich aufzunehmen, zahlt daher nichts für das Tier selbst. Lediglich die Kosten für die Verpflegung des Ponys in der Zeit, die es in der Klappe verbracht hat, müssen mit einer sogenannten Schutzgebühr beglichen werden. Wie lange sich ein Pferd in der Obhut von Petra Teegen befindet, kann ganz unterschiedlich sein und hängt natürlich auch vom Gesundheitszustand des Tieres ab. „Die Rekordzeit, bis ein Pferd vermittelt wurde, liegt bei drei Stunden. Auf der anderen Seite hatten wir ein Pferd auch schon ein ganzes Jahr bei uns“, erklärt die Pferdenärrin, während sie nebenbei eine SMS auf ihrem Handy checkt.
Schon im Alter von elf Jahren besaß Petra Teegen ihr eigenes Pony. Die große Liebe zu den Vierbeinern entdeckte sie aber bereits davor. „Wo ein Pferd war, war ich“, erinnert sie sich mit leuchtenden Augen an ihre Kindheit in Eckernförde. „Wir hatten eine Räucherei im Ort, zu der das Räucherholz immer mit einem Pferdewagen geliefert wurde. Die Tiere standen in so einem dunklen Stall, dass ich dort die Fenster geputzt habe, um sie mit mehr Licht zu versorgen. Oft lag ich auch einfach so auf ihrem Rücken und habe ihrem Kauen gelauscht. Das hat eine unheimlich beruhigende Wirkung und riecht so gut“, schwärmt die gelernte Krankenschwester. Nachdem sich Petra Teegen bei einem Unfall mit einem Pferd vor acht Jahren einen Genickwirbel gebrochen hatte, kam die Pensionierung. Die Pferdeklappe, die sie inoffiziell neben ihrem Beruf schon mehr als 25 Jahre betrieben hat, ist seit drei Jahren ein offizieller Verein. Das Herzensprojekt, das allein von ihrer Rente natürlich nicht gestemmt werden kann, forderte im vergangenen Jahr 60.000 Euro Tierarztkosten und 20.000 Euro für Futter und Schmied. „Das alles ist nur durch das große Wir möglich“, erklärt Petra Teegen stolz. „In dieser Zeit, wo jeder sich selbst der Nächste ist, beeindruckt mich umso mehr, dass am Ende doch alle mit anpacken.“ Mittlerweile reicht „das große Wir“ von Menschen in ganz Deutschland, die der Pferdeklappe Spenden zukommen lassen, über die zwölf Einsteller, die ihre privaten Pferde auf dem Hof von Petra Teegen stehen haben und sich auch um die Versorgung der Klappentiere kümmern, bis zu den 280 Mitgliedern des Vereins Pferdeklappe e. V. aus ganz Deutschland. Auch Organisationen wie die Bert-Mettmann- oder die Claudia Rating Stiftung sowie Reiterprominenz Ludger Beerbaum unterstützen die Klappe immer wieder mit größeren Summen oder Spezialfutter. Und ihr Sohn Aik habe sich „zum Pferdeflüsterer“ entwickelt, berichtet sie lachend. Ihre Haare, ein herausgewachsener Bob, fallen ihr dabei frech ins Gesicht. Als erneut der Nachrichtenton ihres Handys ertönt, stöhnt sie. „So geht das den ganzen Tag“, erklärt sie mit ein wenig Wehmut, aber auch Stolz in der Stimme, weil ihre Pferdeklappe so gefragt ist.
Pferde, Arbeiten und Lernen – das sind zentrale Inhalte im Leben von Petra Teegen. Ihr Wissen als Krankenschwester ist heute nützlich für ihre Pferdeklappe. „Außerdem lerne ich viel dazu, wenn ich den Tierarzt begleite. Und ich habe viele Fortbildungen gemacht.“ Haus und Hof, beides bereits abgezahlt, hat Petra Teegen alleine aufgebaut. Ohne Unterhalt hat sie ihre drei Söhne großgezogen. Dafür hat die 62-Jährige viel gearbeitet. Sie schrieb Bücher, war als Nachtwache beschäftigt und gab Reitunterricht. „Ich bin keine reiche Frau, aber die, die in Schleswig-Holstein am meisten lacht“, betont sie mit einem überzeugenden Lächeln und ergänzt: „Ich habe kein Helfersyndrom. Ich organisiere nur gerne und mag es nicht, wenn Tiere leiden.“
Kontakt:
Pferdeklappe e.V. / Notbox Schleswig-Holstein
Ruruper Str. 42, Norderbrarup
Tel.: (04641) 46 29 34
E-Mail: info@erste-pferdeklappe.de
samstags Führung durch die Klappe ab 14.30 Uhr
(Anmeldung telefonisch!)
Jetzt im Handel
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