Jeden Monat wagt KIELerLEBEN-Redakteurin Jana Kringel einen spannenden Selbstversuch. Im März hat sie sich als Mitarbeiterin im Bioland-Betrieb versucht.
Große braune Augen sehen mich neugierig an, als ich um 7.30 Uhr zusammen mit Ante Koch auf Hof Fernwisch den Stall mit Rindern betrete. Mir fällt auf, dass es gar nicht so streng riecht wie erwartet. „Zuerst müssen wir den Boden säubern“, erklärt Ante mir und drückt mir einen Besen in die Hand. „Danach kannst du auf jeder Futterstelle eine Schaufel Schrot verteilen.“ Gesagt, getan. Gerade einmal drei Grad hat mir mein Auto heute Morgen angezeigt. Für meine Arbeit auf dem Hof bin ich gut gerüstet: Unter meiner Jeans trage ich eine extra dicke Baumwollstrumpfhose, darüber Gummistiefel. Aber schon nach wenigen Minuten Fegen wünsche ich mir, ich hätte die Strumpfhose weggelassen. „Na? Wird es schon warm?“, fragt Ante mich, der meine roten Wangen offensichtlich bemerkt hat. Als wir fertig sind, verteile ich das Schrot portionsweise an den Futterstellen. Die Rinder strecken ihre Hälse durch das Gitter. Sie schnauben und tasten mit ihren rauen, langen Zungen nach dem Futter. „Und jetzt das gleiche Spiel bei den Schafen“, sagt Ante. Als auch diese versorgt sind, schaue ich an mir herunter und muss lachen. In kurzer Zeit habe ich es geschafft, meine braune Jacke überall mit Schrot zu bedecken.
Während Schafe und Rinder fressen, haben Ante und ich Zeit, zu verschnaufen. Ich habe noch nie gesehen, dass Tiere so viel Platz haben. „Das ist neben dem Futter aus hofeigener Herstellung das Besondere an unserem Bioland-Betrieb. Mich motiviert das bei meiner täglichen Arbeit“, betont Ante. Er erzählt mir, dass er seit seinem Studium der Ökologischen Landwirtschaft bei seinen Eltern angestellt ist. Auf Hof Fernwisch hat er seine eigene Wohnung. Den Hof, 220 Hektar Ackerland sowie 100 Hektar Grünland, hat die Familie um Vater Andreas (53), Mutter Anja (47), Sohn Ante (25), Tochter Alina (23) und Tochter Nele (19) gepachtet. Seit 1988 sind die Kochs in der Landwirtschaft tätig, 1991 haben sie auf einen Bio-Betrieb umgerüstet. Hinter dem Konzept einer artgerechten Haltung sowie der Erzeugung hochwertiger Produkte stehen sie zu 100 Prozent. „Chemische Mittel gehören nicht in die Natur, geschweige denn in die Lebensmittelproduktion. Wir wollen im Einklang mit der Natur erfolgreich sein und sie nicht verändern, damit es funktioniert“, sagt Andreas überzeugt. Für ihren chemiefreien Anbau von Getreide, Raps und Ackerbohnen haben sie Abnehmer aus der Region. Auch die Rinder und Schafe werden zum Schlachten an regionale Unternehmen abgegeben.
Meine nächste Aufgabe: Einstreuen. Dafür drückt Ante mir eine Heugabel in die Hand. Gleichmäßig verteile ich das frische Stroh in den Ställen der Rinder, der drei Pferde und der Schafe. Dabei spüre ich, dass die Farbe meiner Wangen jetzt in ein Dunkelrot übergegangen sein muss. Als wir den Schafstall betreten, kann ich mein Glück kaum fassen. Zusammengekauert liegt ein kleines Lamm, liebevoll „Krusti“ genannt, in einem abgetrennten Bereich bei seiner Mutter. Vorsichtig klettere ich in den Stall. Erst ist Krusti noch schüchtern. Als ich sein flauschiges Köpfchen streichle, knabbert er an meinem Gummistiefel. Plötzlich nimmt er Anlauf, als würde er zum Kampf ansetzen. Ich kann mich nur schwer trennen, aber auch die anderen Schafe wollen versorgt werden. Ante sagt, ich solle die Silage, ein konserviertes Kleegras, in der Futterraufe aufschütteln. Als ich ihn ungläubig ansehe, erklärt er lachend: „Die fressen das nur, wenn du es ihnen frisch aufschüttelst.“
Mit zwei Eimern Schrot und einem Silageballen machen wir uns schließlich mit dem Trecker auf zum eineinhalb Kilometer entfernten Strand von Heidkate. Hier halten die Kochs ihre Galloway-Rinder, eine Rasse aus Südwest-Schottland, die das ganze Jahr über draußen bleiben kann. „Das Schrot ist nicht für Futterzwecke gedacht. Die Jungtiere sollen sich nur an uns gewöhnen“, erzählt Ante mir, als ich die Galloways damit füttere. Und dann, mein persönliches Highlight: Zu den Muttertieren am Ende des Feldweges soll ich jetzt den Trecker fahren. Ante zeigt mir Bremse, Kupplung, Gas und Gangschaltung. Eigentlich ist es wie beim Autofahren, nur dass es noch einen Hebel gibt, den ich nach vorne, auf neutral oder zurück stellen muss. Ich trete die Kupplung, lege den Hebel nach vorne, nehme den Fuß wieder von der Kupplung. Als ich jetzt auch den Fuß von der Bremse nehme, setzt sich der Trecker von alleine in Bewegung. „Du bist ein Naturtalent“, sagt Ante anerkennend. Ich werde mutig und schalte gleich einen Gang höher.
Zurück auf dem Hof bin ich durchgefroren. Wir bringen noch schnell die Pferde raus. Ach, wie lange habe ich kein Pferd mehr am Strick geführt … Zusammen mit Andreas bekomme ich danach eine kleine Lehrstunde, wie auf Hof Fernwisch das Getreide in den Silos für Abnehmer, wie Peter Kölln aus Elmshorn von den bekannten Kölln Haferflocken, vorgereinigt wird. Andreas erzählt mir, dass es für ihn nichts Schöneres gibt, als zu wissen, dass das eigene angebaute Getreide eine so gute Qualität hat, dass es auch für die regionale Babynahrung verwendet wird. „Und die Kekse von der Bohlsener Mühle, die wir bei Edeka kaufen können, sind auch mit unserem Getreide gemacht“, wirft Ante ein.
Der krönende Abschluss meines Arbeitstages: Zum Mittag gibt es Nudeln mit Hackfleischsoße – vom Galloway-Rind. Dafür gesellt sich auch Nele Koch zu uns. Die Soße schmeckt intensiver als die Bolognese aus gemischtem Hack, die ich kenne. Es ist ein bisschen wie beim Ziegenkäse, der aromatischer ist als ein Gouda. Einfach lecker! Ich frage, ob es nicht komisch ist, so viel Nähe zu den Tieren zu haben und sie dann zu essen. „Im Gegenteil“, sagt Nele. „Ich finde es gut, dass wir immer genau wissen, was wir essen.“
Dann ist es Zeit für den Abschied. „Ich muss sagen, du hast das echt gut gemacht. Wir haben dich hier nicht verschont“, lobt Ante mich. Auch wenn ich meine Knochen mehr spüre als sonst, hatte ich einen wunderbaren Arbeitstag.