Wer knuspert an meinem Häuschen? Der Wind, der Wind, das himmlische Kind? Nicht ganz. Seit Sonntagabend knabbern "Hänsel und Gretel" wieder am Lebkuchenhaus der Knusperhexe - und zwar in der Oper Kiel, wo das Stück von Engelbert Humperdinck unter der Regie von Jörg Diekneite nun erneut aufgenommen wurde.
Die Geschichte ist so bekannt, die kennt jedes Kind. Und so ist es kein Wunder, dass am Sonntag auch viele kleine Zuschauer im Publikum saßen. Ob die Märchenoper für Kinder unter zehn Jahren wirklich geeignet ist, sei dahingestellt. Viele quängelige Kleinkinder lassen jedenfalls anderes vermuten.
Denn wenngleich die Geschichte so berühmt wie einfach ist: Humperdinck malt sie musikalisch in den buntesten Farben aus, so dass die Handlung nur langsam voranschreitet. Und so traurig es auch anmutet: Die vielen Kindervolkslieder, die sich in der Oper verstecken und die dem erwachsenen Publikum ein Lächeln auf die Lippen zaubern, sind vielen Kindern heute wohl gar nicht mehr bekannt.
Wer aber mit aufmerksamem Ohr hinhört, entdeckt in Humperdincks Musik eine ganze Märchenwelt wunderbarer Melodien, die das Orchester unter der Leitung von Michael Nündel gewaltig umsetzt. Stellenweise leider so stark, dass Heike Wittlieb (als Gretel) und Amira Elmadfa (als Hänsel) ein bisschen kämpfen müssen, um stimmlich zu bestehen.
Auch Anja Jung (als die Mutter) und Michael Müller (als Knusperhexe) müssen streckenweise gegen das Orchester ansingen. Am stärksten zeigt sich Jörg Sabrowski (als Vater); sein voller Bariton ist ein angenehmer Gegenpol zu den vielen Sopran-Stimmen.
Die im bildlichen Sinn bezauberndste Szene kommt ganz ohne Gesang aus: Nachdem Hänsel und Gretel erschöpft in dem Wald einschlafen, in dem sie sich verlaufen haben, erscheinen allerlei Waldgeister, Feen und Elfen, die den dunklen Wald in einem zauberhaften Lichtermeer erstrahlen lassen. Hier haben Christine Keil (Kostüme) und Eckhard Reschat (Bühne) ganze Arbeit geleistet.
Das Gesamtwerk schien das Publikum am Sonntag tatsächlich verzaubert zu haben. Mit jubelndem Applaus dankte es Sängern und Orchester für den Märchen-Abend.
Nächste Vorstellung: Donnerstag, 30. Dezember um 17 Uhr in der Oper Kiel. Weitere Informationen unter www.theater-kiel.de
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