Schaut man sich den Germaniahafen einmal genauer an, kommt man nicht umhin, Kiel in seiner ganzen Vielfalt zu erkennen. Hafenmeister Stephan Havemann hat in diesem Facettenreichtum seine Berufung gefunden
Stephan Havemann blickt so wertschätzend auf das Wasser wie ein Kapitän über das Steuer seines geliebten Schiffes hinweg. Na gut – vielleicht sind die Wellen hier im Germaniahafen nicht ganz so hoch wie auf offener See. Aber dennoch wirkt der 58-Jährige mit seinem dunkelblauen Strickpullover, den die roten Segel des Hafenlogos zieren, wie ein richtiger Seemann. In Wirklichkeit ist er jedoch – passend zu seinem Nachnamen – Hafenmeister. Und dass das mindestens genauso vielseitig ist, wie der Alltag an Bord eines Schiffes, wird bei seinen Erzählungen schnell deutlich:
„An einem Ort, an dem von ausgelassen feiernden Jugendlichen bis hin zu den Schiffsinhabern so viele verschiedene Menschen zusammentreffen, gilt es, auf unterschiedlichste Weisen zu unterstützen.“
Primär ist Stephan dafür zuständig, das Ein- und Auslaufen der Schiffe zu koordinieren und zu begleiten, um die Sicherheit der Anwesenden zu gewährleisten – und natürlich auch die Unversehrtheit der wertvollen Schiffe. Durch deren enormes Gewicht könnte es gefährliche Folgen haben, würde sich ein Bug durch mangelhafte Befestigung plötzlich in Bewegung setzen. So hat Stephan immer ein wachsames Auge auf jeden einzelnen der Liegeplätze. Sobald die Sonne aufgeht, kann man ihn Tag für Tag seine erste Hafenkontrolle durchführen sehen. Sorgfältig prüft er jeden Kiesel zwischen Hörnbrücke und Willy-Brandt-Ufer, um Unreinheiten und Schäden zu beheben und das Seehafenamt über wichtige Veränderungen zu informieren. Während seines Rundgangs wirkt er so zufrieden, als hätte er noch nie etwas anderes gemacht. Dabei wurde seine Stelle erst im Juni letzten Jahres im Rahmen der „Sozialen Teilhabe am Arbeitsmarkt“ geschaffen. Eine Tischlerausbildung, einige Semester der Psychologie und Nachtschichten als Springer in einem Krankenhaus brachten Stephan zuvor eine Menge wertvoller Erfahrung. Doch dabei gelang es ihm nicht, seinen Platz in der Arbeitswelt zu finden. Das Bundesprogramm zur Integration von Langzeitarbeitslosen in den Berufsalltag ließ ihn dann endlich ankommen.
Die Art und Weise, wie er über seine zwischenmenschliche Verantwortung vor Ort spricht, zeigt, wie sehr er auch hier von seinen facettenreichen Erfahrungen profitiert. Seinem turbulenten Leben verdankt er einen inneren Kompass im Umgang mit unterschiedlichsten Menschen.
„Wenn ich sehe, dass Feiernde den Hafen verunreinigen, halte ich keine Standpauke. Ich suche vielleicht höflich den Kontakt. Doch Präsenz zu zeigen und sich zu kümmern, das reicht oft schon aus, um zur Ordnung anzuhalten“…
…, sagt er und lächelt zufrieden. Stephan berichtet von dem hohen Maß an Achtsamkeit im Miteinander an der Wasserkante. Besonders wichtig ist es ihm, dass die respektvolle Atmosphäre den Hafen zu einem Raum für soziales Engagement macht. Zahlreiche Jugendclubs und kulturelle Institutionen nutzen Ausflüge auf die Schiffe, um auf spielerische Weise Verantwortung zu lehren. Auch kann der Gruppenzusammenhalt durch abenteuerliche Ausflüge an Deck enorm gestärkt werden.
Und nicht nur für heimische Kinder und Jugendliche bedeuten Nachmittage im Germaniahafen die Chance auf neue Kontakte und bereichernde Erfahrungen. Immer wieder beobachtet Stephan, wie hier Geflüchtete gemeinsam mit den Kielern die Sonne genießen. Vor allem Straßenmusiker oder Fotografen treffen an einem so zentralen, bunten Ort aufeinander. Sie machen sich gegenseitig neugierig und haben durch ihre Künste die Möglichkeit, trotz der Sprachbarriere zu interagieren.
„Wie sehr der Germaniahafen Kiels Bewohner zusammenbringt, sieht man vielleicht erst auf den zweiten Blick. Doch seinen wunderschönen Facettenreichtum kann man gar nicht übersehen.“