Wenn ein Kind lebensbedrohlich erkrankt, bricht für die Betroffenen die Welt zusammen. Die Anforderungen an die Familie sind riesig: Wut, Trauer, Hilflosigkeit und der Versuch, irgendwie den Alltag zu meistern. Unterstützung ist nötig: schnell, unbürokratisch und kostenfrei.
"Heute gehen wir auf den Spielplatz!“, empfängt Niklas* Renate Denker voller Tatendrang. Seine Mutter hat nicht immer Zeit für ihren aufgeweckten Sohn, denn der Achtjährige hat zwei schwerstkranke Geschwister, die ihre Mutter voll beanspruchen. Daher kommt Renate Denker einmal pro Woche zu Niklas. In den vier bis fünf Stunden ist die 74-Jährige ausschließlich für ihn da, es wird gespielt oder ins Museum gegangen.
Renate Denker ist eine von elf Ehrenamtlichen, die sich im Ambulanten Kinder- und Jugendhospizdienst Kiel engagieren. Sie sind für gesunde Geschwister oder für die lebensverkürzt erkrankten Kinder und die Eltern da, wenn sie gebraucht werden. Koordinatorin Cornelia Blümer ist die Ansprechpartnerin, wenn eine betroffene Familie nach Unterstützung fragt. „Zuerst schauen wir, was die Familie entlastet. Nachdem sich Niklas’ Mutter an uns gewendet hat, fragte ich sie im ersten Gespräch, was sie sich wünscht. Sie sagte: Mal wieder drei Stunden Schlaf am Stück, das wäre schön.“ Im Gespräch ergab sich dann, dass in diesem Fall der gesunde Niklas im Vordergrund stehen soll.
Die Begleitung durch Renate Denker lag auf der Hand. Mittlerweile ist die „Ersatzoma“ aus der Familie kaum noch wegzudenken. Niklas schloss Renate Denker gleich in sein Herz, bei der Mutter dauerte es nicht viel länger. „Es ist sehr besonders, wenn Familien uns ihre Tür öffnen, und kein leichter Schritt, an der eigenen Privatsphäre teilhaben zu lassen und Unterstützung anzunehmen. Wir sind da, um zu entlasten – in die Familien eingreifen wollen wir nicht“, sagt Cornelia Blümer. Auch wenn sich Renate Denker vorrangig um Niklas kümmert, ist sie für die gesamte Familie da, hört zu und schenkt Zuwendung.
Interessierte, die wie Renate Denker im Ambulanten Kinder- und Jugendhospizdienst ehrenamtlich helfen möchten, nehmen zunächst an einem Einführungskurs teil. Dieser bereitet sie intensiv auf künftige Aufgaben vor, „denn unsere Unterstützung ist ein menschlich und fachlich sehr verantwortungsvolles Ehrenamt“, begründet Cornelia Blümer. Ins Team der Ehrenamtlichen aufgenommen, heißt es nicht unbedingt, sofort eine Familie zu unterstützen. An Gruppenabenden, in Schulungen und Supervisionen tauschen sich die Mitarbeiter aus und treffen sich regelmäßig. Auch das ist eine Form von Unterstützung.
Ohnehin kommt das Wort „Hospiz“ vom lateinischen Wort „hospitium“ – Gastfreundschaft. In unserer Gesellschaft sei das Wort „Hospiz“ häufig mit Trauer und dem baldigen Tod verbunden, sagt Cornelia Blümer. „Dabei geht es besonders im Hospizdienst um das geballte Leben in seiner gesamten Fülle. Und gerade im Kinderhospizdienst dauert die Begleitung oft über Monate und Jahre. Keiner weiß, wann es Zeit ist, zu gehen – ob man sterbenskrank ist oder nicht.“
In diesem Bewusstsein lebt Renate Denker jeden Tag und freut sich über die Momente mit Niklas und dessen Familie, auch wenn sie weiß, dass sich hier früher oder später viel verändern wird. Aber daran denkt die 74-Jährige nicht, gestaltet lieber jeden Tag lebenswert und freut sich, dass sie Gutes tun kann. „Die Begleitung von todkranken Menschen ist nicht nur traurig. Sie gibt Kraft und Zufriedenheit.“
Am 10. Februar ist „Tag der Kinderhospizarbeit“, an dem der Ambulante Kinder- und Jugendhospizdienst eine Kinomatinée im Studio Filmtheater Kiel veranstaltet. Gezeigt wird der Film „Stationspiraten“, im Anschluss besteht die Möglichkeit zum Gespräch. Infos zu einer Mitgliedschaft oder Spenden unter Tel.: (0431) 220 33 50 oder www.hospiz-initiative-kiel.de