KIELerLEBEN-Redakteur Sebastian Schack traf den Schlager-Meister Guildo Horn unmittelbar vor dessen Auftritt auf der Hörnbühne und sprach mit ihm über Kiel, Helene Fischer und den Eurovision Song Contest.
KIELerLEBEN: Herzlich willkommen in Kiel! Wir sitzen hier quasi direkt vor Beginn des Konzerts – wird jemand wie du da noch nervös?
Guildo Horn: Also, immer wenn’s total stressig wird, das mag ich nicht. Wir sind schon vor ein paar Stunden angekommen, da bin ich eigentlich recht entspannt.
Du bist ja schon häufiger hier in Kiel gewesen, gerade auch zur Kieler Woche. Gibt es da inzwischen irgendetwas, was du an Kiel besonders schätzen gelernt hast?
Ich war schon total oft in Kiel! Das erste mal ’92 oder so. Wir haben hier Schlagernächte gemacht, im Radio, wo wir Vinylplatten abgespielt haben … und auf der Kieler Woche zu spielen, ist immer ein Riesen-Erlebnis. Ich finde, so eine Stadt, die am Meer liegt, die etwas Maritimes hat – also ich komme von der Mosel – das hat einfach ein ganz anderes Flair. Auch die Leute, das sind einfach andere Menschen. Und es ist hier einfach extrem flacher als bei uns.
Ist der Kieler positiv anders oder negativ anders?
Anders anders. Man hat hier immer das Gefühl: Das ist schon richtig gechillt, ziemlich angenehm.
Ich komme aus Trier, da ist Kiel schon Großstadt für mich.
Ich glaube, das hört der Kieler gerne, wenn Kiel als Großstadt bezeichnet wird.
Ich wohne in einem Dorf bei Köln, das hat 90 Einwohner. Das hier ist für mich New York!
Die Kieler Woche ist ja eigentlich ein Segel-Event. Kannst du segeln? Bist du schon mal gesegelt?
Ich bin zweimal gesegelt in meinem Leben. Ich fand’s total angenehm. Es ist so schön lautlos.
Aber das zweite Mal Segeln war totale Flaute. Starnberger See und ich musste fünf Stunden zurückrudern. Geht auch!
Es ist einfach ein Naturgeräusch! Ich find’s toll wenn so ein Schiff durchs Wasser gleitet, den Wind in den Segeln. Unvergleichlich!
Lass uns noch ein bisschen über Musik reden. Jüngere Leser von KIELerLEBEN wachsen auf mit Schlager = Helene Fischer. Eigentlich hast du ja aber den Schlager erst mal retten müssen. Bist du damit so etwas wie der „Vater“ von Helene Fischer?
Das ist ein komplett anders Ding. Ich bin halt so Band-Musiker. Mir ging’s immer viel darum, im Proberaum etwas zu entwickeln. Und das andere ist halt Produzentenmusik. Da gibt’s ein Team von Produzenten und da ist dann eine Person … das geht schon sehr in Richtung Glanzbildkatalog, so etwas antiseptisch, was man von mir nicht so ganz behaupten kann. Helene Fischer ist für mich eigentlich total Musical: Musical-Stimme mit Musical-Melodien. Da fahren die Leute drauf ab! Ich meine, ist natürlich gut gemacht – sonst würde sich das auch nicht so gut verkaufen.
Du bist einer der wenigen Deutschen, die eine wirklich gute Platzierung beim Grand Prix erreicht haben. Hast du’s geguckt diese Jahr?
Nee! Dieses Jahr war ich auf Kreuzfahrt und hab da auf dem Schiff gespielt und am Abend hab ich oben auf dem Deck gesessen und Sterne geglotzt. Ich hab dann nachher noch die Punktevergabe gesehen. Hat mich aber ehrlich gesagt auch nicht so interessiert, weil ich das echt so belanglos fand.
Die Veranstaltung oder „unseren“ Song?
Unsere Sache fand ich … also, wenn man sich nichts wagen will, dann wagt man sich halt nichts. Das ist dann schade.
Das heißt, wir können auf ein Guildo-Horn-Grand-Prix-Comeback hoffen?
Ich hab mich vor zwei Jahren als Pate mit einer Band aus Hamburg beworben. Das war eine Band mit Behinderten, „Bitte Lächeln“ heißen die. Die habe ich kennengelernt bei einem Wettbewerb, den ich ausgeschrieben habe. Ich mache ja viel im Behinderten-Bereich. Das ist so eine inklusive Band, ein ganz bunter Haufen. Aber man hat uns da eigentlich relativ elegant abtropfen lassen. Man hat nicht so genau gewusst, wohin damit. Aber da hätte ich dann nicht mit auf der Bühne gestanden. Das wäre so mein Dazutun. Jetzt ist Finnland dieses Jahr mit einer Behinderten-Band angetreten … Inklusion ist ein total spannendes Thema! Da hätte man mal ein bisschen was Gewagteres machen können.
Und noch mal selbst auf die Bühne zu gehen beim Grand Prix ist nicht drin? Nach dem letzten Platz mit null Punkten für Deutschland – verlieren kann man nicht mehr.
Ich glaube ganz ehrlich nicht, dass der Wettbewerb derzeit an einem Punkt ist, dass so jemand wie ich da stattfinden würde. Die haben sich zu so einer Glanzvorstellung entwickelt. Wenn man sich so die letzten Beiträge anguckt, das war Rock’n’Roll-freie Zone.
Irgendein Kommentator hat gesagt, das deutsche Problem sei gewesen, dass man mit einem Lied zu einem Licht-Show-Wettbewerb angetreten wäre …
Das ist aber auch wirklich so! Vor ein paar Jahren war ich in der deutschen Jury in Moskau. Da hast du so ein Männeken – oder auch mal drei oder fünf – und die stehen da vor einer Riesenleinwand, vor einem Video-Clip. Ich bin ja eher Handwerker, ich bin Band-Musiker. Das ist irgendwie andere Musik.
Wobei du damals ja auch schon ziemlich auf Show gesetzt hast! Natürlich in einem anderen Maß als heute, aber in Relation …
Also, wenn’s Show ist, wenn man sich einfach mal bewegt … Die „orthopädischen Strümpfe“ sind keine choreografierten Acts. Wenn das zu durchchoreografiert ist – meinen Geschmack trifft’s nicht. Das ist manchmal so wie russische Eiskunstläuferpärchen, die da übers Parkett gehen. Ich möchte ganz gerne so ein „One Moment In Time“-Gefühl haben. Wenn der Mensch auf der Bühne das nur jetzt so macht und beim nächsten Mal eben wieder anders. Das ist auch der Unterschied zwischen Helene Fischer und Guildo Horn. (…) Das ist halt formatiert, von A bis Z formatiert und das ist genau das Gegenteil von dem, was Guildo Horn ist.
In unserer Galerie gibt es tolle Impressionen vom Konzert (Fotos: Wibke Freund):