25 Jahre ist es her, dass Schlagzeuger Andreas Brügge gemeinsam mit Sänger Sammy Amara die Punkband Broilers gründete. Bevor die Düsseldorfer am 22. Dezember in der Kieler Sparkassen-Arena spielen, sprach „Andi“ mit KIELerleben über das aktuelle Album, das Leben auf Tour und seine eigene Nord-Vergangenheit
KIELerleben: Anfang Februar ist euer siebtes Studioalbum namens (sic!) erschienen. Im Schriftlichen wird der Begriff genutzt, um zu betonen, dass etwas richtig zitiert wurde und es genau so gemeint war, wie es dort steht. Was bedeutet der Begriff für euch?
Andi Brügge: Wir haben das Ganze auf Bandebene gesehen. Wir kennen uns seit 25 Jahren. (sic!) wird oft verwendet, wenn man im ersten Moment denkt, dass etwas falsch ist, es dann aber dennoch genauso wiedergegeben wird, wie es dort steht – sprich auch mit einem Fehler. Auf die Band bezogen meint das, dass wir gut so sind, wie wir sind, also auch mit allen Fehlern und allen Entscheidungen, die wir getroffen haben. Schließlich haben die uns dazu gemacht, was wir heute sind.
Was macht das Album aus?
Es ist eines der wütendsten und politischsten Alben bisher. Wir haben mit dem Album davor ausgelotet, wie weit wir in Richtung Pop gehen können. Mit (sic!) sind wir jetzt wieder in ernstere Gefilde gewandert.
Apropos Politik: Obwohl ihr der Punk- und Skinhead-Szene entstammt, wurdet ihr schon mehrfach in die rechte Ecke gedrängt. Ist das immer noch so?
Korrekt, wir kommen aus dem Skinhead-Bereich, der leider oft mit der rechten Szene verwechselt wird. Dabei haben die traditionellen Skinheads überhaupt nichts mit Rassismus zu tun, sondern stammen aus England, wo in den 60er-Jahren Arbeiter-Kids und schwarze Einwanderer diese Bewegung gegründet haben. Leider wurde das in den 90ern in Deutschland schnell mit der rechten Szene gleichgesetzt. Und da wir uns immer als linke Skinheads gesehen haben, hat uns das schon geärgert, wenn wir in einem Atemzug mit anderen, fragwürdigen Bands genannt wurden.
Inwieweit ist das aktuelle Album denn wieder politischer geworden?
Wir sind keine Band, die mit dem Zeigefinger wedeln muss. Nichtsdestotrotz müssen wir unserem Ärger Luft machen. Rechte Populisten sind nicht nur in Deutschland, sondern in ganz Europa in den letzten Jahren aus dem Boden geschossen und haben immer mehr Einfluss bekommen. Das macht uns nicht nur wütend, sondern auch Angst. Dagegen wollten wir einfach ein wenig angehen, um dem einen oder anderen vielleicht mal aufzuzeigen, wem er da eigentlich hinterherläuft. Wenn wir nur einige erreichen, ist das schon viel Wert.
Ihr seid seit dem 18. November mit (sic!) auf Tour. Gibt es bestimmte Songs, die ihr besonders gern live spielt?
Bei „Und hier steh’ ich“ waren wir vorher sehr gespannt, wie er live funktioniert. Was „Bitteres Manifest“ betrifft, wussten wir vorher schon, dass er live sehr gut läuft, weil die Leute ordentlich abgehen.
Wie darf man sich das Tourleben vorstellen: Kommt ihr überhaupt noch dazu, etwas von den Städten, in denen ihr spielt, zu sehen?
Man wacht im Bus morgens vor der Halle auf und hat dann den Vormittag zur freien Verfügung. Meistens ruht man sich allerdings aus und gibt Interviews oder hat Meet and Greets. Nachmittags folgt der Soundcheck, Essen, Einsingen und dann geht es auch schon auf die Bühne.
Habt ihr bestimmte Bandrituale?
Auf jeden Fall. Vor jedem Konzert treffen wir uns eine halbe Stunde vorher und trinken im Backstage-Raum gemeinsam einen Gin Tonic. Danach packen wir die Holzgitarre aus und singen uns ein bisschen warm. Bevor der Vorhang fällt, bilden wir noch einen Kreis, geben uns ein Küsschen und dann geht’s los.
Ihr kommt aus Düsseldorf. Nervt oder ehrt es euch, dass ihr oft mit den ebenfalls dorther stammenden Toten Hosen in Verbindung gebracht werdet?
Für uns ist das eher eine Ehre. Es gibt definitiv schlechtere Bands, mit denen man in einen Topf geworfen werden kann. Wir haben den Toten Hosen viel zu verdanken. Letztendlich haben sie uns dazu veranlasst, eine Band zu gründen, die jetzt so klingt, wie sie klingt. Mit ihnen dann auf Tour gewesen zu sein und sie supporten zu können, war ein großer Gewinn für uns.
Wenn wir einmal zurückblicken: Was habt ihr gemacht, bevor ihr von der Musik leben konntet?
Das ist ganz unterschiedlich. Ich selber habe lange rumstudiert, in der Hoffnung, dass es mit der Musik irgendwann klappt. Aber ich habe das Germanistik- und Informationswissenschaften-Studium dann abgebrochen und eine Ausbildung zum Bürokaufmann gemacht. Die habe ich auch noch abgeschlossen, aber wegen der Musik nicht mehr in dem Beruf gearbeitet.
Mittlerweile spielt ihr ausverkaufte Shows in den größten Hallen des Landes. Sehnst du dich dennoch manchmal zurück an die früheren Konzerte in kleinen, stickigen Clubs?
Das Schöne ist ja, dass wir solche Konzerte auch weiterhin noch spielen. Wir streuen zwischen den Touren immer wieder Shows vor 300 Leuten ein, um uns warmzuspielen und zu schauen, ob die Lieder funktionieren. Das macht unheimlich viel Spaß. Es ist stickig, die Leute stehen direkt vor einem und die Energie wird ganz anders übertragen als in einer großen Halle. Wir sind dankbar, dass wir beides machen können.
Am 22. Dezember seid ihr in der Kieler Sparkassen-Arena zu Gast. Erinnerst du dich noch an vorherige Auftritte in Kiel?
Nein, ehrlich gesagt nicht. Dadurch, dass wir bereits so viele Konzerte gespielt haben, verschwimmt das leider irgendwann. Ich erinnere mich nur noch an riesige Plakate von einer Handballmannschaft (lacht).
Hast du denn generell eine Verbindung zum Norden?
Auf jeden Fall. Ich war vor 17 Jahren in Eckernförde bei der Marine und habe es bisher noch nicht geschafft, mir das alte Boot nochmal anzusehen. Aber ich stehe in Kontakt mit einigen Kumpels von damals, die noch bei der Marine. Sie laden mich jedes Mal ein, aber bisher habe ich es noch nicht geschafft. Vielleicht klappt es ja dieses Mal.
Das Interview führte Bastian Karkossa.