Roger Cicero kehrt nach knapp drei Jahren mit einem neuen Album zurück und tritt am 11. März in der Sparkassen-Arena auf. Im KIELerLEBEN-Interview spricht der Sänger über seine musikalische Pause, die Herausforderung Kindererziehung und die Langeweile von Castingshows.KIELerLEBEN: Zwischen 2005 und 2009 haben Sie gleich drei Platten veröffentlicht. Jetzt dauerte es fast drei Jahre für Ihr viertes Album. Woran lag’s?
Roger Cicero: Die Pause war schon länger geplant. Ich war also nicht ausgelaugt vom vielen Touren oder so. Die ersten drei Alben sind in einem Fluss und im gleichen Team entstanden. Und ich hatte mir schon vor der Produktion des dritten Albums „Artgerecht“ vorgenommen, dass ich zum nächsten Album etwas verändern werde. Für „In diesem Moment“ habe ich mit Rea Garvey oder Stanfour getextet und unter anderem mit den Produzenten von Jamiroquai gearbeitet.
Wie haben Sie die Pause genutzt?
Ich habe sehr viele andere Sachen ausprobiert. Ich bekomme ständig irgendetwas angeboten und einige Dinge haben mich einfach gereizt. Und so habe ich in einem Kinofilm mitgespielt, mich als Moderator ausprobiert, hab ein Buch geschrieben, war mit Big Band auf dem Jazz-Festival in Montreux und habe beim Disney-Film „Küss den Frosch“ die Figur Prinz Naveen vertont.
Würden Sie eine Sache davon gerne noch einmal machen?
Das Synchronisieren hat mir unglaublich gut gefallen, weil es mir bekannt vorkam, in einem Studio zu stehen und nur mit meiner Stimme zu arbeiten. Obendrein war es natürlich etwas ganz Besonderes für mich, einen Film von Walt Disney zu vertonen, dessen Produktionen ich aus meiner eigenen Jugend ja noch kenne und sehr mochte. Weitere Sprech-Angebote lagen auch vor, aber ich hatte wieder Lust auf Musik.
Hört sich beruflich wenig nach Pause an, und privat?
Ich bin kein Mensch, der gut nichts tun kann – außer im Urlaub, aber das war’s dann auch schon. Und unser Urlaubsrhythmus ist gleich geblieben: Wir fahren immer am Ende des Jahres noch einmal in den Süden ins Warme.
Von Kindererziehung kann man keine Auszeit nehmen.
2008 wurde Ihr Sohn Louis geboren. Wie passt er in Ihren Alltag?
Sehr gut. Seitdem er da ist, hat mein Privatleben eine ganz neue Qualität. Das begann bereits bei seiner Geburt im Kreißsaal. Ich war völlig im Bann dieser Geburt und sofort besorgt, hab gedacht: Was macht er? Warum schreit er nicht? Geht’s ihm gut? Ich war sofort im Aufpassermodus, und seitdem dreht sich das Leben nicht mehr nur um mich, sondern auch um die Themen Wickeln, Spielplatz und Erziehung, was eine sehr anspruchsvolle Aufgabe ist. Davon kann man sich keine Auszeit nehmen.
Sie sind in einer Künstlerfamilie groß geworden. Ihr Vater war Jazz-Pianist, Ihre Mutter Tänzerin. Ihr Sohn wächst also ähnlich auf. Was werden Sie in der Erziehung anders machen als Ihre Eltern, was gleich?
Seitdem ich selbst Vater bin, habe ich lustigerweise gemerkt, wie sehr ich von meinen Eltern geprägt bin. Davor habe ich wohl wie viele andere gedacht, dass ich völlig anders als meine Eltern wäre. Heute höre ich mich reden und denke häufig, dass hab ich irgendwie schon mal gehört. Natürlich hat sich über die Jahre in der Kindeserziehung auch viel verändert, und ich mache auch viel anders.
Ein Beispiel bitte!
Da sind viele kleine Alltagsgeschichten dabei. Aber: Wir sind zum Beispiel keine Freunde von diesen ganzen Impfungen. Da steckt so eine große und mächtige Lobby dahinter. Ich finde das Ganze sehr dubios. Daher haben wir nicht das volle vorgesehene Programm gemacht, sondern nur die wichtigen. Siebenfache Impfungen grenzen für mich an Körperverletzung.
Stichwort: Körperverletzung. Für manche grenzen Casting-Shows an Körperverletzung. Nun ist die Show für den Eurovision-Song-Contest angelaufen. Haben Sie sich „Unser Star für Baku“ angeschaut?
Ich habe was drüber gelesen, gesehen habe ich sie nicht. Von Casting-Shows schaue ich mir meistens eine Folge an, finde sie interessant und unterhaltend. Wenn ich mir dann die zweite Folge anschaue, wird mir meistens langweilig.
Sind Sie froh, dass Sie 2007 nicht durch so eine Casting-Sendung mussten, um zum ESC zu kommen?
Das kann man nicht vergleichen. Aber ich kann zum einen nachvollziehen, warum dieses Konzept funktioniert, und zum anderen passt es auch zum ESC. Da geht es wenig um Kunst oder die Musik.
Bereuen Sie denn Ihren Auftritt?
Im Gegenteil, ich habe fast ausschließlich positive Erinnerungen. Die Atmosphäre backstage zwischen den ganzen Nationen war beinah olympisch. Aber man darf das einfach nicht zu ernst nehmen. Der ESC ist kein Musikwettbewerb. Es geht nicht um Musik und auch nicht darum, dass der beste Song gewinnt. Es ist die größte Musik-Unterhaltungssendung der Welt, aber kein Wettbewerb.
Ich habe mir Ihr neues Album angehört und hatte das Gefühl, dass nicht mehr ganz so viel Augenzwinkern in den Texten – zum Beispiel zum Zusammenleben zwischen Mann und Frau – vorhanden ist, sondern eher die großen Themen des Daseins wie Leben oder Einsamkeit …
Diese Themen sind bei mir schon seit Jahren im Kopf, aber waren bislang nicht im Vordergrund. Die humoristische Darstellung des Geschlechterkampfs habe ich lange und mit großer Freude in meinen Songs ausgelebt und werde es auch auf Konzerten weiterhin machen. Aber beim neuen Album war es mir ein Bedürfnis, mehr persönliche Texte und autobiographische Elemente zu bringen.
In dem Song „Keine halben Sachen“ geht es um einen Mann, ich schätze ihn so um die 40 Jahre, der sich ab morgen radikal verändern möchte. Auch autobiographisch?
In gewisser Weise, denn die Hauptaussage des Liedes ist eigentlich, dass gutgemeinte „Ab morgen“-Vorsätze nicht funktionieren. Wenn man etwas verändern will, dann heute. Denn morgen wird schnell zum Heute.
Im Lied heißt es „Die nächste hier wird meine letzte Zigarette. Ich fahr mehr Rad und halt den Rücken gerade … Ess’ mehr Salat und keine Schokolade.“ Das trifft alles auf Sie zu?
(lacht) Früher war ich ein knallharter Verfechter der Theorie: Einer wirklich guten Stimme können auch Zigaretten nicht schaden. Aber dann hab ich vor vielen Jahren das Rauchen aufgehört, treibe häufig Sport und ernähre mich gesund. Ich weiß also, wie es geht. Mich fit zu halten, ist meine zweite Natur geworden.
Zum Schluss noch einen Satz zu Kiel, bitte! Am 11. März werden Sie in der Sparkassen-Arena spielen …
Zuerst will ich sagen, dass ich es etwas schade finde, dass auch in Kiel dieser Hallen-Umbenennungswahn Einzug gehalten hat. Wobei die Ostseehalle glücklicherweise erst einmal umbenannt wurde. Teilweise habe ich über Jahre in Hallen Konzerte gegeben, die jedes Mal anders hießen. Ansonsten bin ich sehr gerne in Kiel, da es quasi vor der Haustür ist und ich zur Kieler Woche und zum Duckstein Festival in toller Atmosphäre und vor tollem Publikum spielen durfte. Und wenn ich mal Zeit habe, fahren wir im Sommer auch schon mal kurz von Hamburg zu euch hoch und legen einen Strandtag ein.
Das Interview führte Olaf Ernst
Roger Cicero
geboren am 6. Juli 1970, war schon vor seinem Durchbruch mit seinem ersten Album „Männersachen“ 2006 in der Musikszene kein Unbekannter und hatte zahlreiche Zusammenarbeiten mit bekannten Musikern wie Till Brönner, Stefan Gwildis, Jazzkantine oder Bill Ramsey. Es folgten 2007 das Album „Beziehungsweise“ und der Auftritt beim Eurosvision Song Contest in Helsinki. 2009 veröffentlichte er sein drittes Album „Artgerecht“. Alle drei Alben erhielten Platin, und der Sänger spielte in nur drei Jahren mehr als 300 Konzerte. Cicero wohnt mit seinem dreijährigen Sohn und seiner Freundin in Hamburg.