Rötger Feldmann alias Brösel ist der Erfinder von Werner. Viele der beinharten Geschichten des langnasigen Sanitärazubis stammen aus dem Leben des gelernten Lithografen. Am 17. März feiern beide Geburtstag: Brösel wird 61, Werner feiert seinen 30. Zeit, um nachzuhaken, was 2011 kesseln muss.KIELerLEBEN: Moin, Herr Feldmann …Rötger Feldmann: Sach an.Bin dabei. Am 17. März feiert Werner seinen 30. Geburtstag. Wo fegt er denn die Treppe?
Oh! Das ist ’ne Frage, die ich mir selbst noch nicht beantwortet hab. Eigentlich altert eine Comicfigur nicht. Werner war schon immer und ist heute noch der Lehrling bei Meister Röhrich und darf all die Sachen tun, die ich als 60-Jähriger nicht mehr mache. Zum Beispiel mit seinem selbstgedengelten Bock durch die Gegend fahren oder einfach ab nach Korsika und Flachköpper machen …
… wär das aber nicht mal eine Idee, Werner altern zu lassen?
Ich überlege schon, ob ich die vergangenen 30 Jahre mal aufrolle. Die Welt hat sich grundlegend verändert, heute is’ ja nicht gestern. Das liegt ja wohl auf der Hand: Cyperspace, Facebook, Twitter, Hartz IV, Odenwaldschule …
Haben Sie ein Beispiel, wie diese Veränderungen in der Welt von Werner aussehen könnten?
Na ja, angenommen: Werner ist jetzt alt und sitzt mit seinen Neffen und Nichten vorm Computer und mischt das Universum auf … eben morgen ist gestern heute.
Apropos Computer und Internet, wie haben Sie sich damit arrangiert?
Vor 30 Jahren hätte ich das alles noch kacke gefunden. Da war ich ein arbeitsloser Outlaw, der nach dem Motto „arbeitslos und Spaß dabei“ gelebt hat. Im Sommer im Feld, im Winter in WGs und immer auf meinem Bock unterwegs. Aber später musste ich mich ja an Computer und Internet gewöhnen. Wenn ich das nicht gemacht hätte, wär mit Werner Schluss gewesen. Ich könnte meine Druckvorlagen gar nicht mehr erstellen. Und: Das was ich heute am Computer mache, haben früher 60 Leute in einer Firma gefertigt.
Der neue Film wird für die Kieler Szene der absolute Knaller
Und wie sieht’s mit dem Schrauben an der Maschine aus?
Da komme ich kaum noch zu. Ich stehe morgens um 2 Uhr auf, setze mich an den Computer und arbeite bis 20 Uhr. Bis Ende Februar musste ich Kalender fertig zeichnen, nebenbei digitalisiere ich die alten Comics, die alle als Hardcover erscheinen sollen, und zwischendurch esse ich was und schau Glotze, um mitzubekommen, was in der Welt los ist.
Gerade für Sie als ehemaligen Robinson Crusoe auf dem Moped. Wann haben Sie zuletzt mal eine Motorrad-Tour gemacht?
Das scheitert ja schon bei der Zulassung meiner Böcke. Erstens wegen des ganzen Bürokratie-Irrsinns, da krieg ich Anfälle. Zum Glück kümmert sich meine Frau drum. Zweitens die technische Hürde. Da kommt der TÜV-Prüfer, will mir sagen, dass Nummernschild und Rücklicht senkrecht hängen sollen. Dann müsste ich ’ne Woche daran schrauben und eine Nummernschildhalterung dengeln, die die Ausmaße eines Baugerüstes annimmt. Dann steht das Nummernschild zwar senkrecht, aber der Bock sieht aus wie ’ne Schubkarre. Das Prüferlein ist zufrieden, aber nachdem er die Schüssel dann abgenommen hat, müsste ich wieder ’ne Woche werkeln, damit ich wieder auf die Straße kann. Und dann ist der Sommer auch schon rum.
Und wann war jetzt die letzte Tour?
Wann ich hier zuletzt gefahren bin, weiß ich gar nicht mehr. Aber im Winter fahren wir oft nach Thailand, da ist das alles ein bisschen anders. Da steht man nicht mit einem Bein im Knast, wenn man an seinem Bock ein bisschen rumtüdelt und damit fährt. (lacht)
Sind Sie eigentlich noch ab und an mal in Ihrer Brutstätte, dem Club 68 in der Ringstraße?
Ich habe noch einen guten Kontakt zu Holgi. Ab und an besuchen wir ihn im Club bei einer Flasche Bölkstoff und Holgis weltberühmtem Pfeffersteak und labern über Gott und die Welt. Er macht auch in meinem neuen Film mit. Das wird für die Kieler Szene der absolute Knaller, da freu ich mich jetzt schon drauf!
Apropos neuer Film: Der fünfte Werner „Eiskalt!“ sollte schon im vergangenen Sommer erscheinen. Warum kommt er erst in diesem Jahr?
Der Realteil ist schon seit einem Jahr fertig. Aber Arbeit zieht Arbeit nach sich, besonders beim Trickteil. So etwas wird heutzutage zum Teil in Fernost produziert. Da muss jetzt noch mal ein bisschen nachgeölt werden.
Voll blöd, dass die guten Leute so früh sterben.
Gibt es denn jetzt einen festen Termin für die Veröffentlichung?
Seit Kurzem steht fest: Am 30. Juni wird es soweit sein. Passt natürlich super, da Werner ja dieses Jahr seinen 30. feiert.
Welche Funktion haben Sie denn bei dem Film eingenommen?
Mädchen für alles oder Herr der Dinge: Drehbuchautor, Schauspieler, Art-Direktor, Regisseur, Set-Designer, Fahrzeugkümmerer, alles eben. Einmal hatten wir einen Dreh auf meinem Hof, und ich musste morgens um 3 Uhr mit meinem Trecker den festgefahrenen Catering-Wagen aus dem Schlamm ziehen.
Der Film wird wieder bei Constantin erscheinen, der Filmproduktionsgesellschaft von Bernd Eichinger, der nun kürzlich leider verstorben ist …
Wir haben es im Fernsehen erfahren und waren geschockt. Voll blöd, dass die guten Leute so früh sterben. Wir hatten uns bei der Premiere vom letzten Werner-Film gesehen. Ohne Bernd Eichinger wäre Werner nie im Kino gelandet. Er wollte aus den Comics unbedingt einen Film machen. Unser erstes Meeting war 1989 in New York. Er drehte dort gerade seinen Film „Last Exit to Brooklyn“. Er wollte mich kennenlernen und spendierte mir einen Concorde-Flug. Das geht jetzt ja auch nicht mehr. Vier Stunden später saßen wir im Waldorf Astoria und schmiedeten die ersten Pläne, das fand ich absolut cool. Übrigens bin ich der Meinung: Der beste Film, den Bernd je gemacht hat, war nicht „Das Geisterhaus“ oder „Name der Rose“, sondern „Werner – Beinhart“, da können die Feinkritiker sagen, was sie wollen. Es muss nicht immer Thomas Mann sein …
Hatte Eichingers Tod denn auch Folgen für den neuen Werner-Film?
Ich hoffe nicht. Ich bin mir sicher, der Bernd denkt genauso da oben.
Kommt denn im Jahr 2011 außer dem Film noch etwas Neues von Brösel? Immerhin haben Sie ja zum Beispiel seit 2004 keinen neuen Comicband mehr veröffentlicht …
Ein neues Comic-Buch ist geplant, aber erst mal kommt eiskalt der Film in die Kinos … und dann Luftmatratze, faule Haut und Eis am Stiel.
Das Interview führte Olaf Ernst
Rötger Feldmann
alias Brösel, weil er sein Motorrad immer zerbröselt hat, ist ein deutscher Comiczeichner und Drehbuchautor (geboren 17. März 1950). Nach der Schule absolvierte er bis 1968 eine Lehre zum Lithografen, wurde aber entlassen, weil er während seiner Arbeit Cartoons und Comics über seinen Chef zeichnete. Bis 1978 war er arbeitslos und schraubte an seinen Motorrädern herum. Im Club 68 wurde sein Talent als Comiczeichner entdeckt, erste Veröffentlichungen in Magazinen folgten. 1981 erschien der erste von später 14 Werner-Comics. Der erste Werner-Film „Beinhart“ erschien 1990. Im Sommer 2011 soll der fünfte Werner-Film „Eiskalt!“ in die Kinos kommen. Heute lebt Brösel mit seiner Frau Petra auf einem Resthof vor den Toren Kiels.
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Fotos: Constantin, Petra Feldmann