Der Low-Budget Science-Fiction-Thriller "District 9" schafft es, auf anregende und intelligente Art den späten Kinosommer zu retten und die mäßig bis schlechten Blockbuster der Saison vergessen zu machen. KIELerLEBEN-Online-Reporter Jonas Kirstein sagt, warum.
Auch dieses Jahr hatte der Kinosommer einige Blockbuster - vor allem für Science-Fiction- und Action-Fans - zu bieten, beispielsweise "Transformers 2", "X-Men 3", "Terminator 4", oder auch "G.I. Joe". Eintönige und uninspirierte Sequels sowie neuerdings Spielzeug-Verfilmungen stehen hoch im Kurs, da sie für die Filmstudios weiterhin gewinnbringend sind. Wirklich überzeugen konnte keiner dieser kurzweiligen Filme, zu augenfällig wurden die dünnen Drehbücher durch protzige Effekte überlagert. Einzig die Neuauflage von Star Trek war wirklich einen Kinobesuch wert. Insbesondere für Science-Fiction-Fans, welche von den bisher erschienenen Filmen größtenteils enttäuscht sein dürften, kam am letzten Donnerstag ein Film in die Kinos, der auch nachhaltig im Gedächtnis verweilen wird.
Aliens im Asyl
Ausgangspunkt des Films ist eine unfreiwillige Strandung von Außerirdischen über Johannesburg vor 28 Jahren. Die desorientierten und führerlosen Aliens werden in einer speziellen Notunterkunft, dem District 9, untergebracht. Nach jahrelanger, aber unergiebiger Kontaktaufnahme hat sich die Regierung Südafrikas entschlossen, die nicht vermittelbaren Aliens in einen Bezirk außerhalb der Stadt umzusiedeln, da sich die Notunterkunft zum regelrechten Slum entwickelt hat und sich die Bevölkerung von Johannesburg wegen sozialer Spannungen zunehmend bedroht fühlt. Während der eskalierenden Umsiedelung, die von einer amerikanischen Privatfirma durchgeführt wird, infiziert sich ein führender Projektleiter mit einem Virus, der ihn selbst zum Alien mutieren und somit zwangsweise die Seiten wechseln lässt.
Science-Fiction als Gesellschaftskritik
Die hier angedeuteten unkonventionellen und genreübergreifende Momente machen den speziellen Reiz des Films aus. Einerseits kann man den Film als Science-Fiction- und Action-Film genießen. Allein die schäbig gezeichneten Aliens als eine Mischung aus Krebsgetier und Insekten und ihre eigenartigen und primitiv anmutenden Verhaltensweisen sind schon sehenswert. Hinzu kommen ansehnliche Actionszenen, die trotz des äußerst niedrigen Budgets von 30 Millionen US-Dollar verblüffend gut gelungen sind. An manchen Stellen erinnert der Film sogar an das extrem aufwändig und imposant gedrehte Kriegsdrama "Black Hawk Down".
Andererseits funktioniert der Film wegen seines kritischen Subtextes ebenso als realistischer und packender Sozialthriller, der die Apartheit und weltweite Migrantenproblematik auf eine neue Ebene transportiert. Der Titel "District 9" ist in Anlehnung an den real existierenden "District 6" in Kapstadt gedacht. Dort fand im Zuge der allgemeinen Rassentrennung in Südafrika 1986 die Umsiedelung aller Schwarzen aus diesem Gebiet statt. Die Apartheid wird in District 9 umgekehrt, die einstigen Opfer werden zu Tätern und die Apartheid als solche ad absurdum geführt. Nebenbei wird das aktuell präsente, niederträchtige Treiben amerikanischer Privatfirmen in Krisenregionen als auch die kriminellen Machenschaften nigerianischen Banden aufgegriffen. Angemessen unterstützt wird der real-sozialkritische Aspekt des Films durch eine gelungene pseudo-dokumentarische Inszenierung in der ersten Hälfte des Films.
Die stärksten Momente hat der Film allerdings durch die Schilderung der notbedingten Annäherung zwischen dem menschlichen und dem außerirdischen Protagonisten. In diesen Szenen werden regelrecht entzückende Buddy-Movie-Elemente verwendet, und man fühlt sich nahezu melancholisch erinnert an einen der unterbewertetsten Science-Fiction-Filme überhaupt, nämlich "Enemy Mine" von Wolfgang Petersen von 1985.
Der erst dreißigjährige Regisseur Neill Blomkamp, der im Übrigen selbst aus Johannesburg stammt, gelingt mit "District 9" ein phänomenales Spielfilmdebüt. Allerdings hatte Blomkamp auch einen prominenten Lehrmeister, denn kein geringerer als "Herr der Ringe"-Regisseur Peter Jackson nahm ihn als ausführender Produzent an die Hand. Man kann durchaus von der formidabelsten Begegnung eines etablierten und eines jungen Filmemachers sprechen, seitdem Howard Hawks 1951 Christian Nyby bei dem Science-Fiction-Klassiker "The Thing from Another World" betreute. Zuvor arbeiteten Jackson und Blomkamp gemeinsam an der Verfilmung des Computerspiels "Halo", die allerdings vom produzierenden Studio gegenwärtig auf Eis gelegt wurde. In der internationalen Community werden nach dem Debüt Blomkamps die Stimmen lauter, er solle sich nun an die Verfilmung der legendären Half-Life-Computerspiele wagen. Man darf gespannt sein, was Blomkamp als nächstes präsentieren wird.
Fazit
Neben "Children of Men" und "The Fountain" der vielleicht beste Science-Fiction-Film des 21. Jahrhunderts, welcher nebenbei schwierige Themen wie Diskriminierung und Rassenhass aufgreift. Zu Recht liegt "District 9" zurzeit auf Platz 49 der IMDB-Charts der besten Filme aller Zeiten. Für Science-Fiction-Fans ist "District 9" ein cineastisches Meisterwerk, für den normalen Zuschauer allemal ein besonderes und nachhaltiges Filmerlebnis.
Start: 10. September
Genre: Science Fiction
Länge: 110 Minuten
FSK: Ab 16 Jahren
Jonas Kirstein
Bild: www.filmstarts.de