Zu Recht erntete Hello, Dolly! für die gelungene Premiere am Samstagabend im Kieler Opernhaus stürmischen Applaus des begeisterten Publikums. Das Ensemble um Regisseur Olaf Strieb zog mit seiner Version des Broadway-Klassikers die Zuschauer in den Bann.
New York City, wir schreiben das Jahr 1898, ist der Schauplatz eines der erfolgreichsten Broadway-Musicals aller Zeiten. Die musikalische Komödie Hello, Dolly! mit der Musik und den Gesangstexten von Jerry Herman und dem Buch von Michael Stewart wurde 1964 im St. James Theatre in New York uraufgeführt und 2.844 Mal auf die Bühne gebracht. Als literarische Vorlage diente Thornton Wilders “The Matchmaker“. Im Jahr 1969 ging Hello, Dolly! unter der Regie von Gene Kelly in die Filmgeschichte ein und erhielt drei Oscars. In der Hauptrolle die noch sehr junge Barbra Streisand und Walter Matthau in seiner Paraderolle als griesgrämiger Eigenbrötler Horace Vandergelder. Frei nach dem Motto „Wenn du schon von der Hand in den Mund lebst, dann nimm wenigstens beide Hände“ schlägt sich die lebenslustige und früh verwitwete Dolly Levi, gespielt von Heike Wittlieb, als Heiratsvermittlerin durchs Leben. Dolly ist ein Allround-Genie, wenn es um Arrangements der unterschiedlichsten Art geht – ob Tanzkurse für Angestellte, Schafzucht für Fortgeschrittene oder die Anbahnung von Hochzeiten – allem verpasst sie den letzten Schliff. Um auch ihrem eigenen Liebesglück auf die Sprünge zu helfen, beschließt sie zusammen mit dem jungen Künstler Ambrose Kemper (Andreas Schneider), der bislang vergeblich um die Hand der 17-jährigen Ermengarde (Evita Komp) angehalten hat, nach Yonkers zu fahren. Schwungvolle Tanzeinlagen des Ballett-Ensembles Kiel kündigen an, dass Dolly nicht nur das Leben der anderen durcheinanderwirbeln wird, sondern auch ihr eigenes. Die Tänzerinnen tragen pastellfarbene Korsett-Kleider mit Rüschen, Schleifen und Spitze verziert, ihre Hüte sind reich mit Blumen, Bändern und bunten Federn geschmückt, ihre Tanzpartner tragen Anzüge in verschiedenen Farben passend dazu Melone oder Zylinder.
Sabrowski glänzt als Vandergelder
Der Auserwählte ist der vermögende Heu- und Futtermittelhändler Horace Vandergelder, ein unausstehlicher Misanthrop und Geizhals, der ganz sicher die Hilfe einer Heiratsvermittlerin nötig hat. Deshalb arrangiert Dolly für ihn ein Rendezvous mit der ebenfalls verwitweten Irene Molloy, die in New York City ein Geschäft für Hüte besitzt. Denn jeder Mann hat gern eine anmutige und zarte Frau an seiner Seite, die ihm das Leben versüßt oder, um es mit den Worten von Horace Vandergelder zu sagen, den Müll rausbringt. Diese Rolle ist Jörg Sabrowski wie auf den Leib geschneidert. Doch wie sollte es anders sein – in der Liebe läuft es oft kompliziert, mal amüsant, aber gewiss nicht nach Plan – oder doch? Seine beiden Angestellten Cornelius Hackl und Barnaby Tucker, die Tag und Nacht im Laden ihres mürrischen Chefs schuften, wollen der Langeweile ihres Arbeitsalltags entfliehen. Besonders Cornelius kann es kaum erwarten, das Abenteuer des Lebens und der Liebe in der Großstadt zu entdecken. Er beschließt erst dann wieder nach Yonkers zurückzukehren, wenn beide ein Mädchen geküsst haben. So stellt Dolly ihnen eine sehr verlockende Verabredung mit zwei jungen Hutmacherinnen in Aussicht. Wo? In Irene Molloys Hutladen natürlich.
Keck und witzig
Cornelius (Guido Kleineidam) und Barnaby (Michael Müller) sind die heimlichen Stars des Musicals. Voller Übermut und Lebenslust machen sie sich in ihren Sonntagskleidern auf die Reise. Bunte Tellerröcke drehen sich in dieser Szene vor lauter Freude schwindelig, zarte Sonnenschirme imitieren die schweren Eisenräder der Lokomotive, Sonnenhüte fliegen durch die Luft. Irene Molloy, gespielt von Sabine Schreittmiller, die mit ihrer angenehm warmen Singstimme überzeugt, hasst Hüte und möchte sich mit der Heirat von Horace Vandergelder versorgt wissen. Geradezu verzückt war das Publikum von Marianne Curn, die ihre Rolle als Minnie Fay, Irene Molloys Angestellten, besonders keck und witzig interpretierte. Um den zwei hübschen New Yorkerinnen zu imponieren, geben sich Cornelius und Barnaby als erfolgreiche Lebemänner aus.
Beachtlicher Szenenapplaus
Wenig später betritt auch Horace Vandergelder das Geschäft. Die zwei Ausreißer flüchten in einen Schrank. Doch er bemerkt die Konkurrenten, woraufhin er wütend den Laden verlässt, aber nicht ohne die teuren Schokoerdnüsse, die er Irene Molloy geschenkt hat. Jörg Sabrowski erntet an dieser Stelle einen beachtlichen Szenenapplaus. Zur Wiedergutmachung laden Cornelius und Barnaby Irene und Minnie ins Harmonia Garden Restaurant zum Essen ein, wo auch ein Pokaltanzwettbewerb stattfinden soll. Vorher jedoch bringt Dolly den beiden Provinzlern das Tanzen bei, „damit die Musik ihre Zauber weben kann“. Das gelingt dem Philharmonischen Orchester Kiel unter dem Dirigat von Michael Nündel hervorragend. Nach so viel Arrangement für das Glück der anderen entschließt sich Dolly, ihren verstorbenen Mann Ephraim zu bitten, sie wieder ins Leben zurückzulassen. Denn lieber möchte sie ein Trottel unter vielen anderen sein, als weiterhin allein zu bleiben.
Teller und Silberplatten wirbeln durch die Luft
Irene überredet Dolly mit auf die Parade zu kommen. Sehr patriotisch marschiert der Festumzug auf die Bühne, zahlreiche amerikanische Fähnchen werden geschwungen, Cheerleader halten ihre Pompons in die Höhe und Dolly singt als ginge es um ihr Leben. Um Horace ins Harmonia Garden Restaurant zu lotsen, vermittelt sie ihm ein Date mit der steinreichen Erbin Ernestina Simpel (Silke Dubilier). Cornelius und Barnaby führen ihre Herzensdamen elegant zu Fuß in das noble Restaurant aus, wohl wissend, dass sie die hohen Preise nicht zahlen können. Dort ist auch Horace inzwischen angekommen und schlägt sich mit der sehr extravaganten und höchst unkultivierten Ernestina herum. Dolly kehrt nun endlich in ihr Zuhause, das Harmonia Garden Restaurant, zurück und wird dort vom Oberkellner Rudolph (Fred Hoffmann) und seinen flinken Angestellten überschwänglich empfangen. Neben dem Opernchor des Theaters Kiel läuft jetzt auch das Ballett Kiel zur Höchstform auf. Teller und Silberplatten werden durch die Luft gewirbelt, das Essen fliegt gekonnt über die Bühne und eine Akrobatiknummer wird vom Publikum mit frenetischem Applaus bedacht. Das Leben scheint ein großes Fest zu sein. Als Barnaby und Horace beim Kapellmeister einen Musikwunsch für ihre Begleitung abgeben, vertauschen sie in dem ganzen Durcheinander ihre Portemonnaies. Schließlich setzen sich Dolly und Horace gemeinsam an einen Tisch. Das gesamte lustig inszenierte Dinner sorgt für ausgiebiges Schmunzeln. Als dann das Messer quietschend im Truthahn aus Styropor verschwindet, kann sich das Publikum vor Lachen kaum halten.
Die Botschaft: Spring auf den Zug des Lebens!
Dann beginnt der Tanzwettbewerb, bei dem auch Ambrose und Ermengarde mit von der Partie sind. Gewinnen sie den Pokal aus purem Gold, könnte sie niemand mehr von einer Hochzeit abhalten. Horace entdeckt Cornelius, Barnaby, Ambrose und Ermengarde beim Tanzen und feuert sie allesamt. Ein Tumult lässt sich nun nicht mehr vermeiden und Rudolph muss die Situation schlichten. Cornelius gesteht Irene seine Liebe, in die er sich in nur einem Moment verliebt hat. Dolly sagt Horace adieu, denn sie glaubt, dass er sich „in den endlos kalten Winternächten nur an seine klingelnde rostige Registrierkasse kuschelt“. Nach Yonkers zurückgekehrt dämmert es Horace, Dolly ist eine wunderbare Frau – seine Frau. Ein abschließendes Hello, Dolly! von Louis Armstrong, pardon Jörg Sabrowski, entlässt das geneigte Premierenpublikum mit der Botschaft: Spring auf den Zug des Lebens! in einen rundum schönen Abend.
Weitere Aufführungen im Kieler Opernhaus am 12.11. um 20 Uhr, 25.11. um 20 Uhr, 18.12. um 19 Uhr, 31.12. um 16 + 20 Uhr, 07.01. 2012 um 20 Uhr, 08.01. um 16 Uhr, 29.01. um 20 Uhr, 08.02 um 19:30 Uhr, 17.02 um 20 Uhr, 23.02. um 20 Uhr, 13.03. um 19:30 Uhr, 14.04. um 20 Uhr, 21.04 um 20 Uhr, 06.05. um 19 Uhr, 30.05. um 19:30 Uhr, 03.06. um 18 Uhr, 07.06. um 20 Uhr und am 13.06. um 19:30.
von Bianca Thedens