Der THW Kiel hat seinen Jahresauftakt in der heimischen Arena erfolgreich gestaltet und konnte innerhalb von einer Woche drei von vier möglichen Punkten für sich verbuchen. Im Meisterschaftsrennen war am vergangenen Mittwoch Aufsteiger ThSV Eisenach zu Gast und erwies sich nur in der ersten Halbzeit als potentielle Gefahr, in der Champions League war am Sonntag der polnische Meister aus Kielce zu Gast und ließ einen Punkt an der Förde. Genau dieser Punkt reichte aber, damit der THW sich vorzeitig Platz eins in der Tabelle sichern konnte.
Vor dem CL-Kracher gegen den Hochkaräter aus Polen galt es in der Kieler Arena zunächst, einen vermeintlich "leichten Gegner" zu besiegen. Der Aufsteiger aus Thüringen und erster Heimgegner des Jahres 2014 schien dafür zumindest auf dem Papier ideal zu sein. Der Tabellenvorletzte, der mit 11:33 Punkten aber noch alle Karten um den Klassenerhalt in der Hand hat, erwies sich zunächst aber als harte Nuss. Der THW musste auf den angeschlagenen Aron Palmarsson verzichten und startete mit Rasmus Lauge auf der Mittelposition, Rene Toft Hansen, Dominik Klein, Niclas Ekberg, Marko Vujin, Filip Jicha und Johan Sjöstrand in der die Partie. Viel Respekt flößte diese Weltauswahl den Thüringern aber nicht ein: Eisenach spielte tapfer und bisweilen stur und humorlos seine Angriffe aus, riskierte immer wieder den vorzeitigen Abpfiff wegen passiven Spiels - traf aber dennoch ein ums andere Mal!
Aus Kieler Seite zeigte sich ein anderes Bild: Immer wieder schlugen die Würfe der Kieler an Pfosten und Latte des Eisenacher Gehäuses ein. Kapitän Jicha wurde von den Eisenachern zunächst komplett ausgeschaltet und auch die anderen Kieler Rückraumshooter kamen zunächst selten zum Zug. Einzig Toptorschütze Marko Vujin gelang es, Lücken in der Abwehrformation der Gäste zu nutzen und mit Einzelaktionen kleine Nadelstiche zu setzen. Dennoch: nach nur 10 Minuten, beim Stand von 3:6 bat ein aufgebrachter Gislason sein Team zur Auszeit und versuchte, seine Mannen wieder einzunorden. Kiel stellte auf eine 3:2:1-Deckungsvariante um, eine Umstellung, die schnell Früchte trug. Jicha fischte den Ball unmittelbar aus der Abwehr heraus ab, schickte Zeitz per Tempogegenstoß auf die Reise und der verwandelte sicher. Peu a peu übernahmen die Hausherren das Heft des Handelns, Sjöstrand kam für den glücklosen Palicka ins Spiel und so gingen die Kieler mit 13:11 in die Halbzeitpause. Zuvor hatte man aber keineswegs ein überlegenes THW-Team gesehen. Das Spiel der Kieler war geprägt von Kampf und Krampf, um den Blutdruck von Coach Gislason musste man sich das ein oder andere Mal Gedanken machen, denn was er zu sehen bekam, gefiel ihm keineswegs und man durfte davon ausgehen, dass die Kabinenansprache etwas lauter ausfiel.
Die zweite Halbzeit lief dann "endlich" so, wie man es sich auf Kieler Seite vorgestellt hatte. Sukzessive zog der THW davon, Eisenach wurde seinem Status als "leichter Gegner" gerecht und wirkte wie ausgewechselt. Spielten die Thüringer vorher noch munter und unerschrocken mit, gelangen ihnen bis zur 53. Minute lediglich drei Treffer, der THW war bis dato auf ein standesgemäßes 27:14 davon gezogen. Dass alles entschieden war, war auf allen Seiten klar - der THW schaltete flott einige Gänge runter, schonte sich für bevorstehende Aufgabe und ließ so zu, dass Eisenach noch ein wenig Ergebniskorrektur betreiben konnte. 30:21 hieß es nach 60 gespielten Minuten, die vermutlich schnell aus den Köpfen der Kieler verschwunden waren, denn es wartete ja noch eine größere Aufgabe: Der Kampf um den ersten Tabellenplatz in der Kieler Champions League-Gruppe!
Königsklasse statt Aufsteiger
Gegen den hochkarätig besetzten polnischen Meister waren die Vorzeichen deutlich andere, als noch wenige Tage zuvor. Gegen Kielce waren mit Blick auf das letzte Aufeinandertreffen der beiden Teams nämlich die Kieler der "Underdog", das Hinspiel hatte der THW deutlich mit fünf Toren verloren und war damals weitestgehend chancenlos. Trainer Talant Dujshebaev und sein Team hatten sich auch für den Auftritt in der Kieler Arena viel vorgenommen, das wurde schnell deutlich. Ihnen stand ein geschwächtes THW-Team gegenüber, in dem ein Magen-Darm-Virus grassierte, Christian Zeitz hatte sich kurz vor Anpfiff des Spiels gar komplett abmelden müssen.
Die Partie begann ähnlich, wie das Match gegen Eisenach: Die Kieler hatten viele Holztreffer zu verzeichnen, technische Fehler häuften sich. Wieder nahm Gislason früh eine Auszeit, um seine Jungs rechtzeitig wieder in die Spur zu bringen. Wael Jallouz sollte es für Rasmus Lauge richten, der sich nicht recht in die Partie fand. Einmal mehr war es Marko Vujin, der seine Farben im Spiel hielt, für eine Aufholjagd oder gar ein Davonziehen reichten seine Einzelaktionen aber bei Weitem nicht. Mit drei Toren rückstand gingen die Kieler in die Halbzeitpause, die mitgereisten polnischen Fans brachten ihre Begeisterung lautstark zum Ausdruck, witterten sie doch einen Sieg ihres Klubs und die damit verbundene Tabellenführung. Doch es sollte anders kommen in einer zweiten Halbzeit, die alles vereinte, was Handball spannend macht: Rückstand, Führung, Unentschieden und eine Schlussszene, die nach dem Spiel noch für Diskussionen sorgte, aber letztlich nicht mehr zu ändern war.
Nach Wiederanpfiff bot sich aber zunächst ein aus Halbzeit eins bekanntes Bild: Der THW robbte sich ein ums andere Mal heran, Kielce bot immer wieder Paroli. Doch dann kamen die 10.000 Kieler Fans ins Spiel: Aufgebracht über eine strittige 2-Minuten-Strafe für Publikumsliebling Jallouz machten die Fans fortan richtig Stimmung, Sjöstrand nagelte seinen Kasten zu und der THW konnte nun endlich mit einer mannschaftlich deutlich homogeneren Leistung auf einige Tore davonziehen (25:22/ 50. Spielminute). Bei drei Toren Vorsprung war aber Schluss, Kiel schien wieder einige Gänge zurückzuschalten, was wiederum die Polen nutzten und ausglichen (25:25/ 52.). Die Spannung war nun spürbar, die winkende Tabellenführung bedeutete immerhin "leichtere" Gegner in der kommenden Phase der Champions League. Dass Toft-Hansen Treffer zum 28:26 (57. Spielminute) das letzte Tor der Kieler war, konnte zu diesem Zeitpunkt niemand wissen und Kielce kam auch wieder zum Ausgleich (59. Spielminute). Schon längst standen die 10.000 Kieler Fans im Oval, die 100 polnischen Fans hatten ohnehim kaum gesessen und sahen mit großer Anspannung den letzten Angriff. Kiel hatte schnell abgeschlossen, erfolglos, noch etwa 30 Sekunden für Kielce, um den finalen Nadelstich zu setzen. Kielce ließ sich viel Zeit, spielte den Angriff ruhig aus, der finale Wurf lag in den Händen von Kielces Linksaußen Mateusz Jachklewski, der aber von Sprenger (siebenmeterwürdig?!?!) gestoppt wurde. So blieb den Polen nur noch ein indirekter Freiwurf von der Außenposition, den sie aber nicht mehr im Kieler Tor unterbringen konnten. So stand am Ende ein 28:28 zu Buche, das dem THW zur Tabellenführung reichte. Der THW kann nun also ganz entspannt auf die nächste Aufgabe gegen den FC Porto blicken. Die Portugiesen werden am Mittwoch zu Gast in Kiel sein, Anpfiff der Partie ist um 19.30!