Ob Feuerspucken, Synchronschwimmen oder Marathon laufen – Redakteur Thore Albertsen tut das, was Sie sich wünschen. Dieses Mal wagt er sich an die Herstellung süßer Köstlichkeiten.
Es war einmal ein kleiner, stiller Ort mitten in Frankreich – so lauten die ersten Worte einer meiner absoluten Lieblingsfilme – „Chocolat“. Seitdem ich das erste Mal Juliette Binoche in ihrer Chocolaterie an ihren Töpfen sah, suche ich nach der Schokolade, die so eine geschmackliche Offenbarung ist wie die im Film. Dieser Weg führte mich während meiner Praktikumszeit in Paris durch viele kleine Schokoladenläden und von einem geschmacklichen Orgasmus zum nächsten – fünf Kilogramm Hüftgold inklusive.
Wieder zuhause habe ich alles versucht, um selbst solche Köstlichkeiten herzustellen, bin aber kläglich gescheitert und habe diese Kunst wieder anderen überlassen. Dennoch, ein kleines Fünkchen Konditor steckt nach wie vor in mir, wie mir Corinna Fleißer, Inhaberin von 2fach Floristik & Patisserie, mit einem Zwinkern bestätigt. „Wenn du so von Schokolade träumst, bist du ein heimlicher Konditor“, erklärt sie mir, als wir vor der bereits für Weihnachten dekorierten Tür des Geschäfts in einem Hinterhof der Saarbrückenstraße stehen.
An diesem wunderschönen sonnigen Freitagmorgen darf ich zusammen mit der 45-Jährigen Lebkuchenpralinen herstellen. In dem mit Liebe gestalteten Geschäft, das zur einen Hälfte aus Konditorei, zur anderen aus Blumenladen besteht, duftet es herrlich nach Zimt, Keksen und köstlichem Kaffee. Leichte Jazzmusik ertönt aus den Lautsprechern. Ein Ort zum Wohlfühlen.
Hinter der großen Glasvitrine im Vorraum gelangt man in die kleine Backstube. Hier beginnt meine Reise ins Süßigkeitenland, auf die mich Schokoladenfee Corinna mitnimmt. Zunächst suchen wir die Zutaten zusammen: Butter, Zimt, Lebkuchengewürz, Sahne und vor allem viel Schokolade. Ganz vorsichtig wiegt die Konditorin die Zutaten ab. Ihre kurzen braunen Haare wippen dabei leicht auf ihrer Stirn hin und her.
Dann rühren wir auf einer Kochplatte die Sahne und das Kakaoprodukt in einem silbernen Topf zusammen. Corinna zeigt mir, dass ich nur ganz kleine Bewegungen machen darf, da wir sonst nicht die gewünschte Konsistenz erreichen – ich fühle mich wie Miraculix beim Zubereiten des Zaubertranks – jetzt nur nichts falsch machen. Langsam beginnt die Schokoladenmasse zu dampfen, und wir geben den goldbraunen Zimt, ein paar Butterflocken und das Lebkuchengewürz hinzu, das langsam einsinkt. Noch ein bisschen untereinandermischen, und der Grundteig für die Praline ist fertig.
Daraufhin gieße ich den Topf auf einem Blech aus, das in der Mitte eine verstellbare Trennwand hat, die mit Marzipan festgeklebt wird. Ganz langsam verteilt sich der Pralinenteig, bis er überall eine Höhe von zwei Zentimetern erreicht. „Jetzt müssen wir eigentlich zwei bis drei Tage warten“, erklärt mir Corinna freundlich und drückt mir eine Tasse Kaffee in die Hand. Als sie meinen Hundewelpenblick bemerkt, fügt sie jedoch sofort hinzu: „Keine Angst, ich habe da schon mal was vorbereitet“, und holt fertige Pralinenmasse hervor, die wir gemeinsam ausschneiden. Immer in kleine Würfel.
Zwei Tonnen Schokolade verbraucht Corinna, die aus München für die Liebe nach Kiel gekommen ist, in den letzten sechs Wochen vor Weihnachten. Daraus macht sie die leckersten Pralinen, Plätzchen oder auch ausgefallene Adventskränze. Den Spaß hat sie dabei nie verloren, und selbst beim Ausschneiden der Pralinen sieht man den Glanz in ihren Augen.
An der nächsten Station kümmern wir uns um das Temperieren des Schokoladen-Pralinenüberzugs. Auf einem Gerät, das aussieht wie vier Warmhalteplatten für Riesen, schmelzen wir dunkle Schokolade. „Die ist für Anfänger viel leichter zu temperieren als weiße oder Vollmilchschokolade“, erklärt mir die Wahlkielerin. Da die Schokolade hart ist, müssen wir sie jedoch noch extra erhitzen. Während ich jetzt eine Conche erwarte, wie sie aus der Werbung wohl jedem bekannt ist, holt Corinna einen Heißlufttrockner, den man handelsüblich im Baumarkt kaufen kann. Mit diesem föhnen wir die Stücke einfach weich – eine Idee, auf die ich persönlich nie gekommen wäre – bis die Masse zu einem großen Ganzen verschmolzen ist.
Dann kommt das Schwierigste: Ich lerne, wie ich die Temperatur am besten bestimme – mit dem Mund. Dafür gibt mir Corinna einen Löffel, den ich in die Schokolade tunken soll. Auf Anweisung schmiere ich mir etwas davon auf die Unterlippe. „Wenn du fühlst, dass die Masse ungefähr die Temperatur deiner Lippen hat, ist das genau richtig“, erklärt mir die 45-Jährige. Für mich fühlt es sich perfekt an, Corinna stimmt zu. Ich schlecke die Schokolade von meinem Mund und bin im Himmel.
Nun dürfen wir die zuvor fertiggestellten Pralinenwürfel mit einem Gerät, das mich an den Dreizack von Triton in meinem Lieblings-Disney-Klassiker Arielle erinnert – nur in klein – in die Schokolade hineintunken. Dann müssen sie innerhalb der Masse gedreht und wieder rausgeholt werden. Ich tue mein Bestes, doch bei meinem ersten Versuch sieht es eher so aus, als würde ich nach der Praline angeln, als sie gekonnt zu drehen. Mit Corinnas Hilfe gelingt es mir schließlich, und die erste landet auf dem weißen Papier auf der Arbeitsfläche. Zehn Mal wiederhole ich das Ganze, bis mir die perfekte Praline gelingt, die ich noch mit einem goldenen Zuckerstern verzieren darf. Einfach perfekt, und auch die Konditormeisterin lobt mich. Ich bin stolz und fühle mich ein wenig wie Juliette Binoche in Chocolat. Und wer weiß, vielleicht eröffne ich ja doch irgendwann meine eigene Chocolaterie – in einem kleinen, stillen Ort mitten in Frankreich.
(tal)
Die Köstlichkeiten bei 2fach – einfach lecker
Fotos: Kathrin Knoll