Ob Feuerspucken, Synchron schwimmen oder Slack-Lining ... Redakteur Thore Albertsen tut das, was Sie sich wünschen. Dieses Mal ist er Eichhörnchen-Ersatzpapi.Ich hatte schon immer ein besonderes Verhältnis zu Eichhörnchen. Als klassisches Dorfkind, wie es in Büttenwarder kein besseres geben könnte, bin ich direkt am Wald aufgewachsen. Die kleinen, roten Nussliebhaber waren somit meine Nachbarn. Ein Exemplar, das ich in meiner jugendlichen Disneybegeisterung Chap genannt habe, kam sogar immer direkt ans Fensterbrett und ließ sich aus der Hand füttern.
Umso mehr freue ich mich, dass ich an einem sonnigen Mittwochmorgen um 8 Uhr auf dem Außengelände der Eichhörnchen- Schutz-Station in Eckernförde stehe. Hohe Bäume, grüne Wiesen, fröhliches Vogelgezwitscher. Heidi – nicht Klum, sondern das Mädchen von der Alm – hätte hier ihre wahre Freude. Während ich lustwandle, kommt eine Frau mit strahlend weißen Zähnen und modischem Kurzhaarschnitt auf mich zu. Monika Rademacher ist fast seit Gründung der Eichhörnchen-Schutz-Station im Jahr 2006 ehrenamtlich dabei. Über 150 Eichhörnchen hat sie bei sich zu Hause schon mit der Flasche aufgepäppelt.
Monika Rademacher erklärt mir alles Wissenswerte über die Kleinen
Die Tierfreundin nimmt mich mit in ein Haus, das stark an die Holzferienhäuser in Dänemark erinnert. Hier ist das Hauptquartier und der allmorgendliche Treffpunkt. Drei ehrenamtliche Helfer und drei 1-Euro-Jobber arbeiten im Schichtsystem. Wir haben die erste und beginnen mit der Essenszubereitung. Wie es sich für ein gutes Eichhörnchenhotel gehört, steht nur Gesundes auf dem Speiseplan. Gurken, Zucchini und ein paar Weintrauben für den guten Geschmack – denn die kleinen roten Flummis essen längst nicht alles. Nach einer gefühlten Tonne geschnittenem Gemüse starten wir die Essensverteilung.
Die erste Station ist das Auswilderungsgehege. Hier werden die Findelkinder, die aus ganz Deutschland nach Eckernförde kommen, auf die Freiheit vorbereitet und von den Menschen entwöhnt. Beim Betreten des Bereichs ist von den kleinen Nagern aber nichts zu hören. Monika greift vorsichtig in einige Behausungen der Eichhörnchen, die aussehen wie Medizinbälle aus Stroh, um auf Nummer sicher zu gehen, dass keinem der Tiere etwas passiert ist. Doch die meisten dieser Kogel, wie sie in der Fachsprache genannt werden, sind leer. Dann plötzlich ein meckerndes, schrilles Mok-Mok – vom Ton her eine Mischung aus Frosch und Hundefiepen. Monika hat eines entdeckt. Ganz schläfrig und gleichzeitig genervt schaut uns das dunkelrote Tier an und rennt dann davon. „Schlechte Laune, wer wird schon gern beim Schlafen gestört?“, sagt Monika. Der Rest der Bande beginnt ebenfalls zu meckern. Wir verteilen schnell das Gemüse und lassen ihnen ihre Ruhe.
Liebevoll nimmt Miss Marple die Nuss aus meiner Hand
Unsere Runde führt uns weiter ins Dauergehege. Hier leben die Tiere, die nicht mehr auswilderungsfähig und somit Dauercamper sind. Eine von ihnen ist Miss Marple, die ein bisschen aussieht wie ihre Namensvetterin, nur ohne Hut. Freudestrahlend mit dicken Bäckchen wartet sie schon auf uns. Bereits seit 2008 ist die Lady hier Gast. Nachdem sie zu lange bei Menschen gelebt hatte, konnte sie einfach nicht mehr ausgewildert werden. Daher lässt sie sich gern aus der Hand füttern und kaut genussvoll auf einer Weintraube herum. Auch die anderen Bewohner stürzen sich sofort auf das Grünfutter.
Monika erklärt mir, dass viele der Tiere aufgrund eines Zahnproblems im Dauergehege sind. Die Zähne wachsen in die falsche Richtung, und so würden sie in freier Wild bahn nicht überleben. Also heißt es jetzt: Eichhörnchenzahnarzt. Doch anstatt eines adretten weißen Kittels und eines Bohrers bekomme ich einen orangefarbenen Käscher in die Hand. Diesen soll ich vor den Kogel halten, damit wir die Tiere ganz sanft fangen und dann die Zähne stutzen können. Doch was so leicht klingt, entpuppt sich schwieriger als das „Fang den Hut“-Spiel, das ich in meiner Kindheit geliebt habe. Monika und ich geben auf. Aber die Tierfreundin prophezeit mir eine schöne Alternative. Ich bin gespannt.
Als Eichhörnchenzahnarzt unterwegs
Wir gehen zurück zum Stützpunkt. Hier wartet eine große abgedeckte Transportbox auf uns. Als Monika diese öffnet, schauen uns acht kleine Augen erwartungsvoll entgegen. Die vier Eichhörnchen gehören zu den Findelkindern, die sie aktuell großzieht. Die gebürtigen Düsternbrooker wurden vor drei Wochen in einer Hecke gefunden und dann in der Schutz-Station abgegeben. Seitdem werden sie alle vier Stunden gefüttert, zum Urinieren gebracht, und ihnen wird der Bauch massiert.
Eichhörnchen-Baby Till hat sehr großen Hunger
Dieses Mal darf ich helfen. Sanft nimmt Monika eines der Kleinen, mit dem klingenden Namen Till, aus dem Kasten und legt ihn mir in die Hand. Er zappelt ein wenig, stürzt sich dann aber wie ein Raubtier auf die angewärmte, mit Katzenaufzucht-Milch gefüllte Pipette, die ich ihm hinhalte. Laut schmatzend saugt er und schafft es, zwei Portionen in einem Rutsch zu verschlingen. Dann kommt der mir etwas unangenehme Teil: Durch das Streichen an der richtigen Stelle müssen die kleinen Kerle zum Urinieren gebracht werden. Genauso wie ihre Mama in der freien Natur dies tun würde, weil sie es alleine noch nicht können. Das entspricht irgendwie nicht meiner Disneyfantasie, und so gebe ich den kleinen Racker an Monika weiter, die diesen Teil gekonnt übernimmt. Danach darf ich Till den Bauch massieren. Der sieht in mir aber eher eine Eiche als einen Menschen und beginnt, auf mir rumzuturnen. Er hangelt sich von der Brust, über die Schulter bis hin zur Kapuze. Am Hals bleibt er stehen und stupst mich mit seiner Schnauze an die Wange. Jetzt sind wir Freunde. Insgeheim habe ich ihm auch schon den Kosenamen Chap gegeben.
Eichhörnchen-Schutz-Station
Gelände des UmweltInfoZentrums
Hans-Christian-Andersen-Weg, Eckernförde
Öffnungszeiten: Di–So 10–16 Uhr
www.eichhoernchen-eck.de
Spendenkonto: Fördesparkasse IBAN: DE10 2105 0170 1400 0829 45