Ob Krabbenfischen, Feuerspucken oder Synchronschwimmen, Redakteur Thore Albertsen tut das, was Sie sich wünschen. Dieses Mal kreiert er eine Porzellanschale.
Meissen, Fürstenberg, Rosenthal – diese Namen sind wohl jedem ein Begriff. Für mich bedeuten sie vor allem eins: kleine Tassen für großes Geld. Beheimatet meistens in dunklen Vitrinenschränken älterer, nach Chanel No. 5 duftender Damen. In meinem weißen Regal dagegen steht ein günstiges Service des bekannten schwedischen Möbelhauses. Über die Herstellung habe ich mir jedoch nie Gedanken gemacht. Grundideen von rotierenden Tonscheiben wie in dem 90er Jahre-Film Ghost mit Frauen-Schwarm Patrick Swayze schwirren durch meinen Kopf.
Umso erstaunter bin ich, als ich in der 15 Quadratmeter großen Laden-Werkstatt von Diplom-Porzellandesignerin Daniela Abendroth keine der Scheiben entdecken kann. Dafür türmen sich viele runde, eckige und sternenförmige Formen aus Gips in den kleinen Regalen. Die braunhaarige Designerin klärt mich auf. Hier wird nicht getöpfert, sondern die Porzellanmasse in Formen gegossen. Schamesröte steigt mir ins Gesicht. Schlecht vorbereitet. Daniela scheint es zu merken, lächelt mich strahlend an und bietet mir erst mal einen Tee an. Zur Beruhigung, bevor wir starten. Denn um innovative Sachen aus Porzellan zu formen, braucht man eine sehr ruhige Hand. Ich warne Dani schon mal vor, dass ich mich gern mal benehme wie der klassische Elefant im Porzellanladen, der gleichzeitig noch zwei linke Hände hat. Doch die 31-Jährige winkt nur ab und führt mich zu einem großen schwarzen Bottich.
Porzellandesignerin Daniela Abendroth erklärt mir die einzelnen Schritte
Wir wollen die Masse für das weiße Gold anrühren. Mit einem Gerät, das aussieht wie eine Mischung aus Black & Decker-Bohrmaschine und einem handelsüblichen Petra Handrührgerät, vermengen wir braunes Pulver mit Wasser, bis eine zähe Masse entsteht. „Das muss jetzt ein paar Tage stehen bleiben“, erklärt mir meine Porzellanfee. Dennoch müssen wir nicht aufhören, denn genauso wie Jean Pütz in seiner allseits beliebten Heimwerkersendung hat auch Dani schon mal etwas vorbereitet.
So stehen wir keine drei Minuten später an der weißen Werkbank, die gleichzeitig als Tresen des kleinen Ladens dient, und füllen den zähflüssigen Porzellan-Schlicker in vorgefertigte halbrunde Formen. Während bei mir das Kleckern dabei vorprogrammiert ist, macht die Wahlkielerin das mit links. Heimvorteil. Immerhin hat sie sich bereits während ihres Studiums auf diese Kunst spezialisiert und in einer großen Porzellan-Manufaktur ihre Masterarbeit geschrieben. Der Liebe wegen ist sie dann nach Kiel gekommen und hat ihr Geschäft – ganz passend im Lehmberg – eröffnet.
Nach fünf Minuten, die mir wie eine Ewigkeit vorkamen, darf ich die Flüssigkeit in den Formen durch ein Sieb wieder abgießen. Im Inneren der Halbkugel bleibt an den Rändern der grau-braune Schlicker kleben. Dieser muss jetzt trocknen, bis man die halbrunde Schale komplett aus der Form entfernen kann. Das heißt schon wieder warten. Ich wäre eindeutig zu ungeduldig für diesen Beruf. Doch Dani weiß auch hier Rat und drückt mir eine bereits vorbereitete, nahezu identische Halbkugel in die Hände. „Damit du dich nicht langweilst“, sagt sie und zwinkert mir zu.
Ganz vorsichtig fülle ich die Porzellanmasse in eine vorgefertigte Form
Zusammen stechen wir mit einem kleinen Bohreraufsatz Löcher in die halbfertige Schale. Die getrocknete Form fühlt sich ein wenig an wie Lehm und riecht muffig. Kaum zu glauben, dass aus diesem Material schöne Dinge entstehen können. Individuelle Tassen, kunstvolle Installationen und schicke Ohrringe sind mit Liebe drapiert auf den Regalen des Ladens zu finden. Als die Schale aussieht wie ein Schweizer Käse, hören wir auf. Nun muss mein kleines Kunstwerk für 20 Stunden bei 1.000 Grad in den Ofen. Zwangspause.
Am nächsten Tag sehen wir uns wieder. Ganz gespannt schaue ich auf den runden Brennofen, der aussieht wie eine Waschmaschine aus Großmutters Zeiten, als Dani die gelöcherte Schale herausholt. Sieht super aus. Mein verborgenens Künstlerherz freut sich. „Jetzt muss es nur noch geputzt, glasiert und noch mal gebrannt werden und schon ist es fertig“, sagt die Ex-Berlinerin fast euphorisch. Für mich klingt das weniger nach „schon fertig“, sondern nach viel Arbeit. Also mache ich mich sofort ran ans Werk und putze das Gefäß mit einem kleinen gelben Schwamm. Nebenbei unterhalten wir uns. Für einen kleinen Moment bin ich unaufmerksam. Da passiert es. Ein Knacksen vibriert durch meine Hand. Ich habe ein Stück im Ausmaß einer 50-Cent-Münze herausgebrochen. Schuldbewusst wie ein Hund, der ins Wohnzimmer gemacht hat, schaue ich zu Dani.
Patzer: Mir ist ein Stück rausgebrochen
Doch sie lacht nur, nimmt mir das Gebilde aus der Hand, bessert es mit einem runden, etwas härteren Schwamm aus, und schon sieht es aus, als wäre das große Loch am Rand gewollt. Den Rest der Arbeit überlasse ich der Fachfrau. Erst die Glasierung, dann kommt alles in den Ofen. Das heißt wieder warten. Ich verabschiede mich. Dani verspricht mir, Bescheid zu geben, wenn mein Kunstwerk fertig ist. Beeindruckend, wie viel Geduld sie aufbringt. Ich hingegen werde mich das nächste Mal für die Drehscheibe entscheiden. Das geht schneller. Zumindest mithilfe von Patrick Swayze…
Fotos: Merle Primke