Früher war alles besser – ein Spruch, den man seit Generationen immer und immer wieder zu hören bekommt. Doch für eine Institution in Kiel trifft dies zu – glaubt man den Besuchern und Standbetreibern des Wochenmarkts auf dem Exerzierplatz. Mittwochs und samstags findet man dort mitten in der Stadt von Obst und Gemüse bis hin zum neuen T-Shirt fast alles. Was heute anders ist – ein Rundgang.
Anneliese Falk kommt seit rund 25 Jahren meist einmal in der Woche extra aus Suchsdorf in die Innenstadt, um auf dem größten Wochenmarkt Kiels einkaufen zu gehen. Dabei genieße sie besonders die persönliche Atmosphäre auf dem Markt: „Es ist schön, wenn man die Verkäufer mit Namen kennt.“ Einiges habe sich über die Jahre aber verändert, „vor allem die Größe. Früher war der ganze Platz mit Ständen besetzt, jetzt ist es um einiges kleiner.“
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Das bestätigt auch Petra Puchert. Sie betreibt mit ihrer Familie den Obst- und Gemüsehandel Puchert. Früher durften keine Pkw auf dem Platz parken, „heute ist ein großer Teil wieder Parkfläche“, erzählt auch Petra Puchert. Ihre Mutter steht trotz ihres rüstigen Alters ebenfalls immer mit hinter dem Verkaufsstand. Erika Puchert ist mit ihrem Obst- und Gemüsehandel seit rund fünf Jahrzehnten selbstständig und war als kleines Kind auch schon immer mit dabei. „Die Oma meiner Mutter ist früher noch auf dem Pferdewagen mit zum Wochenmarkt gefahren“, erzählt Tochter Petra.
Ob Petra Pucherts Kinder später den Laden übernehmen werden? „Da besteht kein großes Interesse. Was aber auch verständlich ist, die Geschäfte werden schlechter, und es bedeutet immer wieder sehr viel Arbeit.“ Ganzjährig seien sie auf dem Wochenmarkt vertreten. Morgens gegen halb vier geht es los, um vier Uhr wird der Stand aufgebaut. Wenn Spargelzeit ist, beginnt der Tag für Familie Puchert sogar noch früher.
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„Obst und Gemüse Puchert“ ist jede Woche auf unterschiedlichen Märkten in und um Kiel zu treffen. Ob beispielweise in Kronshagen, Altenholz-Stift oder eben mittwochs und samstags auf dem Exer. Und jeder Markt hat dabei seinen eigenen Charakter: Hier auf dem Exer gehe es etwas hektischer zu. Aber auch amüsant: So treffe man früh morgens nicht nur die Frühaufsteher, sondern auch die, die gerade erst aus der Diskothek kommen und vor dem Schlafengehen ein wenig angeschwipst ihre Einkäufe erledigen, wie Petra Puchert schmunzelnd berichtet.
Frank Reick ist mit seinem Stand „Frank's Biospezialitäten“ seit 13 Jahren auf den Kieler Wochenmärkten vertreten. Einen Lieblingsplatz habe er dabei nicht: „Die Kunden sind überall sehr nett, aber das Publikum ist einfach auf jedem Markt anders.“ So seien auf dem Blücher eher Familien und Geschäftsleute zu finden, auf dem Exerzierplatz sind die Besucher insgesamt gemischter.
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Seiner Meinung nach sind im Gegensatz zu früher insgesamt weniger Händler vertreten, durch die verlängerten Öffnungszeiten der Supermärkte habe sich zusätzlich viel verändert. Was den Unterschied zu den Ketten ausmache? „Die hier verkaufte Ware ist einfach frischer, da die Wochenmarkt-Händler jeden Morgen in Hamburg einkaufen.“
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Das findet auch Christian Imme. Er kommt immer extra zum Wochenmarkt, um ganz frisch das zu erstehen, was er gerade braucht. Ob Fisch, Obst, Gemüse oder auch mal eine schöne Pflanze, wenn mal wieder Gartenzeit ist. Das Flair des Wochenmarkts spiele für ihn dabei eine große Rolle, weswegen er den Einkauf auf dem Exer dem im Supermarkt vorziehe.
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Eigentlich stellt man sich einen Wochenmarkt ja nur im Freien vor. Dabei kann man das ganze Jahr über zweimal wöchentlich auf dem Exer einkaufen gehen. Eigentlich. Karl-Heinz Stear von Blumen Stear musste im letzten Winter notgedrungen zu Hause bleiben: „Die Temperaturen waren einfach zu niedrig, der Winter zu hart, sonst verkaufen wir ganzjährig“, erzählt der rüstige Standbetreiber. Auch er kennt das Marktgeschäft seit Jahrzehnten, schon nach dem Krieg war seine Mutter mit dem Familienbetrieb unterwegs.
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Montags, mittwochs und freitags macht sich Familie Staer nachts gegen halb eins auf den Weg, um ihre Blumen in Vierlanden bei Hamburg abzuholen, danach geht's auf den Markt. „Wenn dann um 13 Uhr die Sirene zum Ende heult, fangen wir mit dem Aufräumen an. Zu Hause geht es weiter mit der Arbeit. Dann machen wir eine kurze Pause, bevor es nachts wieder losgeht. Auf zum nächsten Wochenmarkt.“