Mit einer kraftvollen Energieleistung hat der THW Kiel am Mittwochabend den direkten Konkurrenten aus Mannheim in die Schranken gewiesen und die Rhein-Neckar Löwen mit 31:28 bezwungen.
Schon vor Beginn der Partie rieben sich die Kieler Fans in der ausverkauften Arena verwundert die Augen - machte sich doch tatsächlich Aron Palmarsson gemeinsam mit dem Team warm. Sämtliche Vorberichte zum Topspiel der Liga (Tabellenführer gegen den Zweiten) wähnten den Isländer nach seiner Knieverletzung, die seit Saisonbeginn nur Kurzeinsätze zuließ, noch in der Reha - dem Gegner ging es vermutlich ähnlich. Und tatsächlich stand Palmarsson in der Starting-7 und sorgte über die komplette Spielzeit von der Mittelposition aus für Ordnung im Kieler Spiel. Mit großer Übersicht lenkte er das Spiel, setzte selbst ein ums andere Mal mit tollen Torabschlüssen für echte Glanzpunkte in der Kieler Arena und konnte nach Abpfiff sieben Treffer auf seiner persönlichen Bilanz gutschreiben.
Neben Palmarsson schenkte Gislason den Außen Sprenger und Sigurdsson das Vertrauen, Toft-Hansen begann am Kreis, Vujin und Jicha agierten von den Halbpositionen. Im Tor legte Johan Sjöstrand los, der kurz nach Beginn der Partie von einem sichtlich nervös wirkenden Uwe Gensheimer voll im Gesicht getroffen wurde - der Schwede ging zwar prompt zu Boden, stand aber auch genauso schnell wieder, schüttelte sich kurz und machte weiter. Folgt man dem Handballer-Spruch "Tor hat Recht", dann müsste "gehalten hat Recht" ja ebenso gelten. Dem Linksaußen der Löwen gelang fortan von seiner Position nicht mehr viel, der Kieler Keeper hingegen lief sukzessive zu Höchstform auf und feierte viele starke Paraden.
In der Abwehr griffen die "Zebras" zunächst auf die bewährte 6:0- Variante zurück und orientierten sich eher defensiv - Bjarte Myrhol hatte als Löwen-Kreisläufer zwischen den Kieler Abwehr-Hünen in der Mitte nicht viel zu lachen und wurde größtenteils von zwei Zebras bewacht. Auf der anderen Seite standen die Kieler zwar auch einer 6:0-Abwehr gegenüber, allerdings einer deutlich offensiver orientierten, die immer wieder die Mitte aufmachte und so für die Kieler Kreisläufer Raum schaffte - oder eben für Palmarsson, der sich immer wieder stark durchsetzte, als wäre nie etwas gewesen. Nichts an seinem Bewegungsablauf ließ darauf schließen, dass er vor Kurzem noch arg um seine Gesundheit bangen musste.
Es entwickelte sich ein Spiel, in dem beide Mannschaften ans Limit gingen und ohne zu zögern auch dort hin, wo es wirklich schmerzahft werden kann. 10.285 Kieler Fans peitschten ihr Team lautstark an, für die Rhein-Neckar-Löwen schien der massive Dezibel-Pegel aber ebenso für Motivation zu sorgen - sie ließen sich einfach nicht abschütteln. Kurz vor der Halbzeit stand alles wieder auf Null, der Vorsprung von lediglich einem Tor war wahrlich kein kommodes Polster für eine entspannte Halbzeit-Pause und es war wohl allen klar, dass in den verbleibenden 30 Minuten ein heißer Tanz bevorstehen würde. Für die Gäste ging es immerhin darum, den Anschluss an die Tabellenspitze nicht zu verlieren.
Auch Halbzeit zwei begann im Express-Tempo, beide Teams zeigten maximale Entschlossenheit und absolute Schmerzfreiheit, wenn es darum ging, Lücken in der gegnerischen Abwehr zu nutzen oder überhaupt erst zu schaffen. Sowohl Filip Jicha, der gewohnt körperbetont in Angriff und Abwehr agierte, als auch Patrick Wiencek, der nahtlos an seine starken Leistungen in der Nationalmannschaft anknüpfte und zum echten "Kampfschwein" in der Abwehr mutierte zeigten ein starkes Match. Und dann war da eben noch Palmarsson, der selbst mit der knie-schonenden Stemmwurf-Variante erfolgreich war und Niklas Landin im Löwen-Tor immer wieder überwinden konnte.
Auch als sie mit drei Toren zurücklagen (16:19, 38. Spielminute), wurden die Kieler, die nahezu in der Starting-7-Formation durchspielten, nicht nervös und schlugen zurück. In der 47. Spielminute stand erneut alles auf Null (22:22) und die packende Schlussphase begann...
Zwar schienen alle Kieler bereits am Limit zu spielen, doch schafften sie es, scheinbar noch an einem winzigen Rädchen zu drehen und noch eine klitzekleine Leistungssteigerung aus sich heraus zu kitzeln. Ab der 49. Spielminute zogen sie den Löwen mit einem 5-Tore-Lauf endgültig den Zahn. Die Löwen wurden zu handzahmen Kätzchen und zu Beobachtern des Geschehens, das zunehmend an ihnen vorbei zu laufen schien. 29:22 stand es vier Minuten vor Abpfiff, das Hallenpublikum erhob sich mit allergrößtem Respekt vor dem Team siegesselig von seinen Plätzen, der Rest war Party! ...wohl auch auf dem Parkett, denn die verbleibende Zeit avancierte zum Freundschaftsspiel, in dem die Löwen zwar noch verkürzen konnten, aber auch nur dank einer Zebra-Abwehr, die sämtliche Intensität rausgenommen hatte und nicht mehr viel mehr als eine Statistenrolle innehatte. Die wütende Auszeit von Gislason - 20 Sekunden vor Schluss - verdient demnach nicht mehr als eine kleine Randnotiz nach 55 absolut meisterlichen und starken Minuten, in der der THW wirklich großen Handball spielte und am Ende mit 31:28 siegte.