Wer in Kiel mit offenen Augen durch den Park spaziert, entdeckt sie immer wieder: Spanngurte zwischen zwei Bäumen. Und Menschen, die darauf balancieren. Slacklinen ist zurzeit DIE Trendsportart in Deutschland und findet immer mehr Anhänger. In Kiel hat Andreas Knauss mit Slackline-Nord ein erfolgreiches Unternehmen gegründet, das sich immer größerer Beliebtheit erfreut.
Von Pier zu Pier hat er in Hamburgs Hafencity ein 25 Meter langes Band gespannt. Rund 70 Schaulustige beobachten mit neugierigen Blicken den Mann, der in fünf Metern Höhe über der graubraunen, aufgewühlten Hafenbrühe auf einer lediglich 3 Zentimeter breiten Linie balanciert. Konzentriert setzt er dabei einen Fuß vor den anderen. Der passionierte Slackliner Andreas Knauss aus Kiel hat sein Hobby längst zum Beruf gemacht.
Er ist der Gründer von Slackline-Nord, einer Kieler Event-Firma, die Workshops auf den langen, elastischen Seilen anbietet. Sie trägt ihren Teil dazu bei, dass die junge Sportart in Norddeutschland einen Boom erlebt. „Ich selbst habe 2007 das erste Mal davon gehört, als ein Freund eine Slackline aus Norwegen mitbrachte. Richtig kennen gelernt habe ich den Sport in Bayern, wo im Park bis zu zwanzig Lines normal sind“, sagt Andreas.
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Mittlerweile ist das aufgespannte Kunstfaserband zwischen zwei Bäumen auch in Kiel keine Seltenheit mehr. Vom ganz normalen Balancieren über Hinsetzen und –legen bis zu den verschiedensten Sprüngen ist auf der Slackline so einiges möglich. Für die Profis zählen mittlerweile sogar Vorwärts- und Rückwärtssalti zum Repertoire.
Über das Wasser laufen
Was liegt an der Förde näher, als einfach eine Line übers Wasser zu spannen? Die Wellen und Strömungen machen das Unterfangen allerdings anspruchsvoller als über festem Boden, da der Untergrund ständig in Bewegung ist. Die Kieler haben sich längst dran gewöhnt und sind Spitzenreiter über dem Wasser. 50 Meter habe er schon geschafft, erzählt Andreas stolz. „Das können in Deutschland nicht mehr als dreißig Leute.“
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Kaum verwunderlich also, dass an einem guten Tag an der Förde schon mal ein Pulk aus rund 100 Menschen irritiert und fasziniert stehen bleibt. Andreas freut sich über so viel Aufmerksamkeit: „Von der Seite sieht man das Seil kaum, da sieht es tatsächlich ein bisschen so aus, als würden wir über das Wasser laufen.“
Ein Sport für Jedermann
Was am Wasser den Neuling abschreckt – wer möchte schon gerne nach ein paar Sekunden in die Fluten stürzen –, das macht im Park Lust aufs Mitmachen. Auf hüfthoch gespannten Slacklines kann sich jeder ausprobieren. Während Andreas allerdings mit den Händen in den Hosentaschen und geschlossenen Augen locker auf so einer Line entlang spaziert, müssen Anfänger Geduld mitbringen und die ersten Schritte an der Hand geführt werden. „Nach 20 Minuten können die meisten stehen, nach einer Stunde ein paar kurze Schritte machen“, weiß der Trainer aus seinen Workshops, die grundsätzlich ausgebucht sind.
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Schon beim Schreiben seiner Magisterarbeit über die Effekte von Slacklinen auf das Gleichgewicht, stellte Andreas fest, dass es in Kiel eine große Nachfrage gibt. „Ich hatte vorher als Animateur gearbeitet und stellte an den Reaktionen der Kids fest, dass die Slackline die ,geilere Hüpfburg‘ ist.“ Mit der eigenen Firma Slackline-Nord versuchen er und sein Team, dem steigenden Interesse gerecht zu werden.
Sie wollen das Angebot weiter ausbauen. In Zukunft soll aus Slackline-Nord ein Sporteventunternehmen werden, das Firmen als Modul oder als Show auf Veranstaltungen buchen können. Zurzeit arbeitet das Team in Schulen und Vereinen, setzt die Slackline aber auch im Rahmen der Sporttherapie ein. Denn nachweislich verbessert das Balancieren auf dem Seil das Gleichgewicht, die Konzentration und die Koordination.
Ursprünge im Klettersport
Schon Mitte der 1970er war das Balancieren auf Seilen bei Klettersportlern in Amerika ein beliebtes Mittel zur Verbesserung des Gleichgewichts. Im Sommer 1983 sah Scott Balcom seinen Kollegen Jeff Ellington und Adam Grosowsky begeistert dabei zu, wie diese über ein gespanntes Schlauchband aus Nylon balancierten.
Zwei Jahre später beging er als Erster die „Lost Arrow“ Highline im Yosemite Valley in 900 Metern Höhe. Die Ursprungsform der heutigen Slackline wurde von Balcom gefördert, mit Erfolg. Heute ist das Slacklinen eine der angesagten Funsportarten.
Anhänger des Sports in Europa trafen sich zum ersten Slackline-Festival in Österreich im Jahr 2006. So schwappte der Sport nach Deutschland herüber, wo es europaweit mittlerweile die größte Slackline-Szene gibt.
Ein Festival für den Norden
In Norddeutschland startet vom 10. bis zum 12. September das erste Norddeutsche Slackline Festival. Im Hochseilgarten Feinklettern in Hanerau-Hademarschen soll vom Anfänger bis zum Pro jeder auf seine Kosten kommen. Von besonders langen (Longlines) über atemberaubend hohe (Highlines) Lines und einem Rookie-Contest wird alles geboten, was das norddeutsche Slacklinerherz höher schlagen lässt. „Wir wollen mit dem Festival herausfinden, wie groß das Interesse in Norddeutschland tatsächlich ist und den Sport mehr in die Öffentlichkeit rücken“, sagt Andreas.
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Zumindest steht er selbst einer Menge an interessierten Augenpaaren gegenüber, wenn er an der Förde oder in der Hafencity „über das Wasser läuft“. „In der Speicherstadt wollte ich unbedingt das Reinfallen vermeiden, da ich das Wasser unter mir nicht kannte. Aber es hat alles funktioniert, und ich habe mich gefreut wie ein kleines Kind, als ich sicher auf der anderen Seite angekommen war.“ Für die Zukunft wünscht er sich, dass noch mehr Leute die Slackline ausprobieren und sich begeistern lassen.
Stefanie Straubel
Mehr zum Slacklinen im Norden findet ihr im Netz unter www.slackline-nord.com und auf der Slackline-Nord-Facebookseite.
Fotos: Slackline-Nord