Unter normalen Umständen bedeutet „THW gegen Underdog“, dass die Hausherren in Kiel einen Kantersieg einfahren. Der 29:21-Sieg gegen den Tabellensechzehnten TV Neuhausen am vergangenen Sonnabend war allerdings nicht mehr als „Pflichterfüllung“, die Umstände aber eben auch nicht normal.
Gerade einmal 17 Stunden blieben den „Zebras“ zur Erholung zwischen Moskau-Reise und Bundesliga-Alltag, eine echte Vorbereitung blieb demnach aus. Hatten es die Zebras „gerade so“ geschafft – der Flughafen wurde nur 30 Minuten nach Abflug der Kieler witterungsbedingt gesperrt – war das Gepäck auf der Strecke geblieben. In neuem Schuhwerk und mit Improvisationstalent konnte Gislason dennoch eine gut ausgestattete Truppe auf die Platte stellen und gab Andreas Palicka und Patrick Wiencek aus der „zweiten Reihe“ eine Chance, begann weiterhin mit Zeitz, Klein, Ilic, Jicha und Sprenger.
Die Kieler begannen mit einer defensiven 6:0-Abwehrformation, an der sich die unerfahrenen Gäste bis zur 15. Minute die Zähne ausbissen. Redlich bemüht, versuchten es die Neuhausener mit Doppelkreuzen im Rückraum, die die Kieler Abwehr allerdings kaum ins Wanken gerieten ließen. Für Kiel standen zu diesem Zeitpunkt bereits Sieben, für die Gäste lediglich ein Treffer auf der Haben-Seite.
Ans Aufgeben dachten die Baden-Württemberger allerdings noch lange nicht und kämpften sich zurück ins Spiel. Eine kleine Schwächeperiode auf Kieler Seite konnten sie nutzen, um sich wieder in eine Drei-Tore-Schlagdistanz zu bringen, die Abwehrumstellung der „Zebras“, die ab der 20. Minute mit Jicha an der Spitze agierte brachte das Konzept der jungen Truppe wieder gehörig ins wanken. Konnte sich ein Spieler doch einmal durchsetzen, fanden die Würfe der Neuhausener zu häufig ihren dankbaren Abnehmer im stark parierenden Andreas Palicka im Kieler Gehäuse, der vom Publikum lautstark gefeiert wurde.
Viele andere Gelegenheiten zum Feiern boten sich dem Publikum allerdings auch nicht. Vor allem im Kieler Angriff war noch mächtig Sand im Getriebe, technische Fehler und verworfene Bälle gab es Minutentakt. So war es nur folgerichtig, dass nach den ersten 30 Minuten zwar nur sieben Tore den Weg ins Kieler Tor gefunden hatten, auf der Gegenseite allerdings auch nur 13 Treffer zu Buche standen.
TVN-Coach Markus Gaugisch schien in der Halbzeitansprache dann noch einmal den Kampfgeist seines Teams geweckt zu haben: Neuhausen deckte zu Beginn der zweiten Hälfte deutlich aggressiver, der Kieler Angriff wirkte oft konfus und auch frei vor dem Tor ließen die "Zebras" die gewohnte Nervenstärke vermissen. Aus dem gebundenen Spiel funktionierte nicht viel, der Kräfteverschleiß der unerfahrenen Aufsteiger-Truppe macht sich ab der 45. Minute jedoch deutlich bemerkbar, sodass die „Zebras“ spätestens in der 55. Minute ihre Aufgabe gelöst hatten und den ersten „standesgemäßen“ Zehn-Tore-Vorsprung heraus gespielt hatten. Highlights blieben auch in den letzten fünf Spielminuten aus, nach 60 Minuten schienen alle Beteiligten irgendwie froh zu sein, dass es vorbei ist. 2 Punkte in der Bilanz verbuchen, Schublade auf, Spiel rein, Schublade zu und vergessen!
Zeit zum Verschnaufen bleibt den Kielern allerdings keine. Am kommenden Sonntag wartet nicht nur das CL-Rückspiel gegen Moskau, das unbedingt gewonnen werden muss – am Mittwoch muss der THW zum Bundesliga-Gastspiel nach Göppingen!