Dunkle Geheimnisse, brennende Tonnen und röhrende Motoren: Kiels zweite Open-Air-Oper auf dem Rathausplatz sorgt mit Giuseppe Verdis Troubadour für begeisterten Applaus. Rechtzeitig zum 200. Geburtstag des Komponisten inszeniert das Theater Kiel unter der Regie von Daniel Karasek das klassische Rache-Drama in finsterer Atmosphäre als ganz großes Kino.
Wie von Zauberhand entzünden sich die Feuerschalen (Bühnenbild: Norbert Ziermann), während Ferrando (Christoph Woo) den Bediensteten die erschütternde Vergangenheit des Grafen Luna (Tomohiro Takada) erzählt. Dessen kleiner Bruder Manrico (Jesus Garcia) wurde angeblich im Kindbett von einer alten Zigeunerin verhext. Qualvoll fand sie zur Strafe den Tod auf dem Scheiterhaufen. Ihre Tochter Azucena (Cristina Melis) schwor Rache, raubte den jungen Manrico, um ihn ebenfalls zu verbrennen. Unwissend stehen sich nun die beiden Brüder nicht nur im Erbfolgekrieg im Königreich Aragon gegenüber, sondern sie sind zudem erbitterte Rivalen im Kampf um die Gunst der schönen Leonora (Serena Daolio). Leonoras Liebe jedoch gehört einzig und allein dem Troubadour Manrico.
Unter Kiels Himmel wird es heiß
Im zweiten Akt geht es hoch her. Offenes Feuer lodert aus der Bühnenmitte, Motorengeheul dröhnt durch die Lautsprecher, und schon flitzt eine rote Corvette herein. Vor den überraschten Zuschauern auf der anderen Seite hält ein Pickup. Fröhlich stürmen die „Zigeuner“ (Choreinstudierung: Barbara Kler) das Geschehen. Sie lachen, trinken und wienern allerlei nützliche Autoteile. Auf dem Schrottplatz macht sich eine Art Lagerfeuer-Romantik breit. Doch mit dem Erscheinen Azucenas züngeln die Flammen bedrohlich hoch gen Himmel. Und auch aus dem transparenten Zelt, in dem Generalmusikdirektor Georg Fritzsch und seine Musiker Platz gefunden haben, drängt die Oper fiebernd voran.
Beeindruckender Auftritt der Azucena
Welche Dramatik spielgelt sich da in den Augen und dem rauen Timbre der jungen sardischen Mezzosopranistin Cristina Melis wider! Im schwarzen Spitzenkleid verzaubert sie die Zuschauer als liebende, aber von Racheplänen gepeitschte Mutter, die im blinden Wahn ihren eigenen Sohn ins Feuer warf. Für die Interpretation der Azucena ist die Sängerin bereits mehrfach ausgezeichnet worden.
Jesus Garcia als Ziehsohn sticht zumindest optisch im bodenlangen, roten Ledermantel mit goldenen Westenknöpfen und Nieten-Jeans (Kostüme: Claudia Spielmann) aus der „Zigeunerschar“ heraus. Stimmlich kann der Tenor aus Texas diesmal nicht zur Höchstform auflaufen, sodass ihm die Erleichterung nach der Bewältigung der Stretta „Di quella pira“ deutlich anzusehen ist. Dennoch bleibt sein Belcanto unwiderstehlich.
Die Italienerin Serena Daolio, in der Rolle der Leonora, besticht durch einen sanften und edlen Sopran, der in schwindelerregender Höhe Gänsehautpotenzial besitzt. Sie gibt sich unbeschwert schwärmerisch. Aus dem Kieler Ensemble überzeugt neben dem starken Bassbariton Christoph Woo auch Tomohiro Takada mit gewohnt kraftvollem Bariton. Neben Bösartigkeit verleiht er dem Grafen Luna auch sympathische Züge.
Auch wenn am Ende der Oper eine Menge Reisigbündel gestapelt wurden, der Scheiterhaufen ging nicht in Flammen auf. Dafür sorgte aber das funkensprühende Feuerwerk für den gelungenen Abschluss eines stimmungsgeladenen Sommerabends, der ganz im Zeichen von Verdis „feuriger“ und flotter Musik stand.
Weitere Aufführungen: 20.08 – 25.08. jeweils um 20 Uhr, Restkarten: 0431/901 901 oder www.theater-kiel.de
Text: Bianca Thedens
Fotos: Olaf Struck