Häusliche Gewalt, seelische Grausamkeiten und Erpressung – viele Frauen erleiden über Jahre schlimmste Ängste, bis sie sich entscheiden, im Frauenhaus Hilfe zu suchen. Zwei Mitarbeiterinnen der Kieler Einrichtung erzählen von ihrer Arbeit.
Die Frau steht gedankenverloren am Fenster, ihr Blick ist in die Ferne gerichtet, auf einen Punkt, den nur sie sehen kann. Das Geräusch einer Tür im Untergeschoss lässt sie zusammenfahren, dann blickt sie wieder hinaus. Sie ist die dritte Frau, die diese Woche im Frauenhaus Hilfe gesucht hat. „Etwa alle drei Tage kommt eine neue Hilfesuchende zu uns“, erzählt Gila Koglin, Sozialpädagogin und seit 24 Jahren Mitarbeiterin im Frauenhaus.
Das Frauenhaus existiert seit 1978 in Kiel, seit 2006 in einem barrierefreien Neubau, bei dessen Planung noch mehr auf die Bedürfnisse der meist stark traumatisierten Frauen eingegangen wurde. Sich sicher fühlen, zur Ruhe kommen, neu anfangen. Das möchte auch die Frau, die gerade neu eingezogen ist. Viele haben körperliche Gewalt erlebt, wurden psychisch unter Druck gesetzt, sozial isoliert und mit der Wegnahme der gemeinsamen Kinder erpresst. Die Unkenntnis über ihre Rechte ließ sie die Situation ertragen, oft über Jahre. Örtliche Behörden arbeiten eng mit dem Frauenhaus zusammen, um gefährdete Frauen zu erkennen. „Es kommt häufig vor, dass Frauen direkt von einem Polizeieinsatz zu uns gebracht werden. Viele von ihnen wissen nicht einmal, was ein Frauenhaus ist“, erklärt Maria Echaniz, Doktorin für Frauengeschichte und seit zehn Jahren Mitarbeiterin im Frauenhaus. Andere kommen über die Beratungsstelle „Lerche“ in der Holstenstraße, die eng mit dem Frauenhaus zusammenarbeitet.
26 Plätze in 11 Zimmern hat das Kieler Frauenhaus. „Leider zu wenige“, sagt Gila Koglin. „Wir haben immer Platz für Frauen in akuter Not, die für eine Nacht Zuflucht suchen. Wenn für einen dauerhaften Aufenthalt keine Kapazitäten vorhanden sind, versuchen wir, zu einem Frauenhaus in anderen Städten zu vermitteln.“ Die Frau heute hatte Glück, sie konnte ins Frauenhaus einziehen. Jede Frau bekommt ihr eigenes Zimmer, in dem auch die Kinder unterkommen können. „An ihnen kann man das Ausmaß der vorherigen Situation besonders gut erkennen. Die meisten Frauen gehen davon aus, dass ihr Kind nichts mitbekommen hat. Das ist so gut wie nie so“, sagt Maria Echaniz. Innerhalb kürzester Zeit blühen die Kinder auf, eine große Last wird von ihren Schultern genommen.
Der Alltag im Frauenhaus ist auf Selbstständigkeit ausgerichtet. Frauen und Kinder kaufen gemeinsam ein und bereiten das Essen zu, oft auch mit anderen zusammen. „Nicht selten entstehen im Frauenhaus wahre Freundschaften“, erzählt Gila Koglin. Auch für die Kinder gibt es viel Raum, sogar zwei eigene Spielzimmer. Nach der ersten Zeit, in der die Frauen zur Ruhe kommen, begleiten die Mitarbeiterinnen des Frauenhauses sie auf ihrem weiteren Weg. Wohnungssuche, Jobsuche, Behördengänge, Formulare ausfüllen und nicht selten Gerichtstermine. Da viele überfordert sind, oft auch aufgrund mangelnder Sprachkenntnis, greifen die Mitarbeiterinnen ihnen unter die Arme. Während ihres meist drei- bis viermonatigen Aufenthalts im Frauenhaus direkt dort, danach über die Beratungsstelle „Lerche“. „Die Frauen sind für die Hilfe im Frauenhaus sehr dankbar, oft hören wir noch Jahre nach ihrem Auszug von ihnen“, erzählt Gila Koglin. Sie steht auf, um ins Nebenzimmer zu gehen, wo die neu eingetroffene Frau am Fenster steht. Als diese die Sozialpädagogin sieht, zuckt ein zögerliches Lächeln über ihr Gesicht. Der erste Schritt ist gemacht.
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