Der THW Kiel hat am Mittwochabend in einem packenden Duell den VfL Gummersbach mit einer denkbar knappen Niederlage im Gepäck nach Hause geschickt. Trotz einer zwischenzeitlichen Acht-Tore-Führung stand der Traditionsverein aus dem Oberbergischen am Ende mit leeren Händen da und musste mitansehen, wie sich die "Zebras" nach dem Schlusspfiff jubelnd in die Arme fielen.
Der THW legte zunächst einen klassischen Fehlstart hin und war nach nicht einmal zehn gespielten Minuten bereits mit drei Toren ins Hintertreffen geraten (4:7, 9. Spielminute). Massive Unkonzentriertheiten führten zu Ballverlusten im Angriff, der stets nach vorn eilende Florian von Gruchalla war ein- ums andere Mal Adressat zielgenauer langer Pässe von VfL-Schlussmann Lichtlein und verwandelte per Gegenstoß sicher - bis zum Team-Time-Out des erbosten Alfred Gislason (10.) allein viermal. Auch für das Publikum schien die Auszeit ein Weckruf gewesen zu sein. Einige Dezibel lauter als zuvor, feuerten sie ihr Team an, das sich langsam wieder heranschlich. Großer Jubel brandete auf, als der Isländer Aron Palmarsson nach langer Verletzungspause erstmals wieder für die Zebras auflief und fortan von der Mittelposition Regie führte. Seinen dritten Ballkontakt der Spielzeit 13/14 nutzte er sogleich für einen markigen Treffer (5:8, 12.). Bis zur 25. Minute entwickelte sich ein Spiel ohne echte Highlights. Zwar konnte die Kieler Abwehr die Gäste nun vor deutlich größere Probleme stellen, den Rückstand zu verringern, gelangen ihnen aber nicht. Die Abwehrumstellung auf eine 5:1-Formation sorgte lediglich dafür, dass Gummersbachs Rückraum sich immer wieder festlief, auf Außen nutzen Raul Santos und Florian von Gruchalla aber weiter den sich bietenden Platz zu erfolgreichen Abschlüssen.
Dass die Gäste ihre Führung kurz vor Ende der ersten Halbzeit gar noch ausbauen konnte, war zum einen einer Kieler Pechsträhne zuzschreiben, zum Anderen aber stark kämpfenden Gummersbachen, die Morgenluft gewittert hatten und sich nicht anmerken ließen, dass sie sich selbst in dieser Partie als "klaren Underdog" (Nationaltorhüter Lichtlein vor dem Spiel) sahen. Abwehrarbeit mit fehlender letzter Konsequenz auf Kieler Seite, Kampf mit Mann und Maus auf Gummersbacher Seite, das machte in der ersten Hälfte den Unterschied aus - 13:17 stand es zur Pause.
Die zweite Hälfte begann Kiel wieder mit einer defensiven 6:0 Abwehrreihe, die Sprenger und Sigurdsson "einrahmten", Wiencek durfte am Kreis ran. Gummersbach machte dort weiter, wo sie in der ersten Hälfte aufgehört hatten: Aus dem Positionsangriff gelang nicht viel, lediglich hervorragende Einzelleistungen, etwa durch Fredrik Larsson, machten den Gummersbacher Erfolg aus. Spätestens beim 15:23 (38.) war Spielern und Fans klar, dass der THW noch ein völlig anderes Gesicht zeigen musste, um noch irgendwie an die beiden Punkte, die es zu vergeben galt, heranzukommen.
Die Antwort auf die Frage "Wie?" gaben in einer packenden Schlussphase Marco Vujin und Kapitän Jicha, der erst in der 46. Spielminute seinen ersten Treffer markierte. Von der Hoffnung auf ein schönes Handballspiel hatten wohl bereits alle Beteiligten Abschied genommen, die Schlussviertelstunde stand voll und ganz im Zeichen von "Kampf". In der 52. Spielminute hatte Kiel sich wieder auf 24:26 herangekämpft - die Abfahrt auf die Siegerstraße, wie sich in den letzten Minuten zeigen sollte. Dennoch: Den ersten Ausgleich seit dem 4:4 in der siebten Spielminute erzielte Kapitän Jicha per entschlossenem Gewaltwurf erst in der 59. Spielminute.
Längst hielt es niemanden im Kieler Handballtempel mehr auf den Sitzen. Die letzte Minute bot ein Handballspektakel, das spannender kaum sein konnte: 30:30, der THW im Angriff. Zeit 59:14: Palmarsson trifft, wurde zuvor aber abgepfiffen, da die Schiedsrichter ein Gummersbacher Foulspiel gesehen hatten. Also wieder alles auf Null. 59:36: Jicha trifft, wieder wurde der Vorteil abgepfiffen, immerhin zu Gunsten eines Strafwurfs, den Vujin sicher verwandelt. Aber: Noch zehn Sekunden sind zu spielen! VfL-Coach Kurtagic bittet zur letzten Auszeit und bringt einen siebten Feldspieler. Mit seinem im Angriff verstolperten Ball besiegelt Michal Kopca dann aber den Kieler Sieg und sorgt für Kieler Jubelstimmung an einem mitreißenden Handballabend.