Bekannt geworden als Reich-Ranickis Gegenpart im „Literarischen Quartett“, agiert Hellmuth Karasek heute mehr als Schriftsteller denn als Kritiker. Nun geht der Journalist mit seiner Ende Februar erschienenen Glossen-Sammlung „Im Paradies gibt’s keine roten Ampeln“ auf Lesereise.
KIELerLEBEN: Herr Karasek, in der Glosse „Mit glockenreiner Stimme“ schreiben Sie: „ (...) uns Kritiker nannte man gern Eunuchen: Sie wissen, wie’s geht. Aber sie können es nicht.“ Wollen Sie mit Ihrem neuen Buch das Gegenteil beweisen?
H. Karasek: Nein (lacht), das wäre ja etwas zu spät, ich habe ja schon um die 30 Bücher geschrieben. Das ist nur eine alte Redensart und hier als Berufsvergleich gemeint.
Sie sind in erster Linie als Kritiker bekannt. Wie ist es, auf der anderen Seite zu stehen?
Früher habe ich gern kritisiert, jetzt schreibe ich lieber. Obwohl das Kritisieren ja durchaus lustvoll und auch pädagogisch ist, denn man sagt den Lesern ja, was schön ist – und nicht, was hässlich ist. Diese Form von Kritik gibt es natürlich auch, aber besser ist es doch, den Menschen Dinge zu empfehlen.
Ihre Glossen lassen sich gut einzeln lesen, also eine zur Zeit. Glauben Sie, dass solche Literatur-„Häppchen“ Menschen dazu anregen können, mehr zu lesen?
Oh, das weiß ich nicht, aber das wäre natürlich schön. In erster Linie sind die Glossen dafür da, Lesern vielleicht die Augen zu öffnen, über die Verrücktheiten und Absurditäten dieser Welt. Da wird einem in der Zeitung zum Beispiel gesagt, dass es in Japan die ältesten Menschen der Welt gibt. Und dann kommt heraus, dass es nur Karteileichen sind, weil sich die Angehörigen die Renten in die eigene Tasche gesteckt haben und gar nicht gemeldet haben, dass die angeblich ältesten Menschen schon längst gestorben sind. Das ist doch eine schöne und absurde Geschichte.
Sie sind einer der wenigen Prominenten, die man in Deutschland sofort mit dem Literatur-Betrieb verbindet. Versuchen Sie, durch Auftritte in Talk- oder Spielshows, Zuschauern das Lesen an sich wieder näher zu bringen?
Wenn es heute diesen Nebenaspekt hat, wäre es schön. Angefangen hat es anders. Mein Kollege Marcel Reich-Ranicki hat mich Ende der 80er gefragt, ob ich im „Literarischen Quartett“ mitmachen würde. Damals habe ich gedacht, dass eine Fernsehsendung über Bücher keine große Zukunft haben könne. Und dann ist es über viele Jahre eine regelrechte Institution geworden, mit der man natürlich auch ins Bewusstsein der Leute gerückt ist.
Vom 17. bis 20. März findet die Leipziger Buchmesse statt, auf der Sie Ihr Buch vorstellen. Freuen Sie sich selbst ganz privat auf einen Literatur-Kollegen oder eine bestimmte Neuerscheinung?
Die Buchmesse spielt für mich immer eine große Rolle, weil man hier auch wieder ganz Leser ist. Ich freue mich sehr auf das neue große Dresden-Buch von Uwe Tellkamp „Die Schwebebahn: Dresdner Erkundungen“.
Und welches Buch liegt aktuell auf Ihrem Nachttisch?
Da liegt John Updikes Erzählband „Die Tränen meines Vaters“, kongenial übersetzt von Maria Carlsson. Meine Frau, die ja auch Kritikerin ist, hat es schon gelesen und ist begeistert. Und das ist immer der beste Tipp!
Zur Person
Hellmuth Karasek, geboren 1934, Journalist, Schriftsteller und Professor für Theaterwissenschaft, leitete über 20 Jahre lang das Kulturressort des Spiegel, war Mitherausgeber des Berliner Tagesspiegel und ist jetzt Autor von Welt und Welt am Sonntag. Von 1988 bis 2001 diskutierte er mit drei Kollegen in der Büchersendung „Das Literarische Quartett“ Neuerscheinungen. Er veröffentlichte u. a. „Hand in Handy“ (1997), „Das Magazin“ (1998), „Betrug“ (2001), „Auf der Flucht“ (2004), „Der Abend wirft längere Schatten“ (2006) und „Vom Küssen der Kröten“ (2008).
Das Interview führte Jennifer Ots