Ob Krabben fischen, Synchronschwimmen oder Feuer spucken – Redakteur Thore Albertsen tut das, was Sie sich wünschen. Dieses Mal begibt er sich in die Hände von Bootcamptrainer Stefan Haas.
Ich bin außer Atem, meine Muskeln brennen, und dennoch erfüllt mich innerlich ein Gefühl von Stolz. Mit einem schweißnassen weißen T-Shirt und einer übergeworfenen roten Sweatjacke stehe ich auf der großen Rasenfläche des Nordmarksportfelds und beiße in den knallroten Apfel, den ich gerade von Trainer Stefan Haas – als Belohnung für das gelungene Training – bekommen habe. Ich bin an der Grenze meiner Kräfte, habe aber durchgehalten. Und das wird definitiv nicht das letzte Mal gewesen sein …
Dienstagabend, eine Stunde zuvor. Die warme Maisonne macht den Abend angenehm mild. Ich bin gerade auf dem sandigen Parkplatz des Nordmarksportfelds/Ecke Kopperpahler Teich angekommen und erwarte das Schlimmste. Hier ist der Treffpunkt für das Bootcamp Kiel.
Allein das Wort lässt mich schon an US-Komödien à la Full Metal Jacket denken, in der Rekruten von Männern in Tarnuniformen und mit schwarzen Strichen im Gesicht angeschrien werden, noch schneller zu laufen.
Ich entdecke ein großes Banner mitten auf der riesigen Rasenfläche des Nordmarksportfelds: „Bootcamp Kiel – 100 % Bio“ steht hier in grünen Lettern auf grauem Hintergrund. Daneben liegen Rucksäcke, Wasserflaschen und Trainingsjacken auf dem Rasen – doch vom Drillinstructor ist nichts zu sehen. Dann höre ich plötzlich ein lautes „Wir sind gleich bei dir“ aus der Ferne zu mir rüberhallen. Ein fröhlich lachender braunhaariger Mann, Anfang 30, mit schwarzer Trainingshose und grauem Shirt kommt auf mich zugejoggt. Er entpuppt sich als Bootcamptrainer Stefan Haas. Hinter ihm eine Gruppe bestehend aus sechs Frauen und drei Männern verschiedenen Alters.
Ich bin freudig überrascht. Sofort werde ich ins Training involviert. Nach einer Stretchingrunde – wir sollen uns ja nichts zerren – beginnen wir mit der Vorstellungsrunde. Ich freue mich, meine Trainingsgruppe besser kennenzulernen, doch das Ganze läuft weniger entspannt als erwartet. Wir werfen nämlich kein pädagogisch wertvolles Wollknäuel hin und her und erzählen dann, wer wir sind, welche Hobbys wir haben und wie wir uns gerade fühlen – nein, wir machen Liegestütze. Dabei laufen wir zunächst wie die kleinen Schweinchen auf der Flucht vor dem bösen Wolf wild durcheinander, dann ertönt ein Pfeifen, wir gehen in die Liegestützposition und geben uns abwechselnd die Hand. Dabei sagen wir dann kurz unsere Namen – für meine Lebensgeschichte wäre der Atem wohl auch zu kurz gewesen.
An meiner Grenze: Im Liegestütz laufen
Nach dieser etwas anderen Art von Speeddating geht es dann ans Eingemachte. Wir tun uns in Partnerteams zusammen: Anika Asmus, eine junge, braunhaarige Sportlehrerin, erbarmt sich, mit mir den Rest der Stunde durchzustehen. Wir arbeiten uns durch eine Art Outdoor-Zirkeltraining, das den gesamten Körper beansprucht. Unsere erste Übung: Tauziehen – zumindest sieht es so aus. Zwei lange sandfarbene Seile, mit denen man auch leicht ein Kreuzfahrtschiff am Hafen festmachen könnte, liegen auf dem Rasen. In der Mitte sind sie am Boden verankert. Anika und ich schnappen uns jeweils ein Tau an den beiden Enden und beginnen sie so zu schleudern, dass sich Wellenformen ergeben. Eine Minute ist mir noch nie so lang vorgekommen. Meine Arme und Schultern werden langsam lahm. Doch plötzlich höre ich hinter mir: „Durchhalten! Es sind nur noch 20 Sekunden!“ Lächelnd steht der dunkelblonde Co-Trainer Martin Sprung hinter mir und feuert mich an. Ich gebe noch einmal alles, und da kommt der erlösende Pfiff.
In den Seilen: Anika Asmus, Trainer Stefan Haas und Ich
Es geht weiter zur nächsten Übung.
Nun sind die Gesäß- und Oberschenkelmuskeln dran. Anika und ich machen Ausfallschrittübungen. Damit hat Trainer Stefan Haas meine Schwachstelle entdeckt. Diese Muskeln trainiere ich im Fitnessstudio nie, denn ich vertrete die Devise „Ich gehe doch joggen – da braucht man so etwas doch gar nicht“. Jetzt sehe ich, wie falsch ich damit liege, und quäle mich durch die Übungen – während Anika freundlich lächelnd in schnellem Tempo eine Wiederholung nach der anderen hinlegt. Sie erkennt meine Mühe und versucht mich mit „Komm, wir ziehen das zusammen durch!“ zu motivieren. Ein wenig hilft es sogar. Nach einer Minute dann mein geliebter Pfeifton! Wir dürfen das Bein wechseln. Zwar dauert es jetzt nur 20 Sekunden, bis meine Beine wieder anfangen zu brennen, doch der Erholungseffekt war kurzzeitig da.
Co-Trainer Martin Sprung passt auf, dass ich alles richtig mache
Ingesamt zehn Übungen durchlaufen wir so. Mittlerweile ist mein T-Shirt nicht mehr weiß, sondern leicht transparent, meine mitgebrachte Wasserflasche leer, doch meine Endorphinausschüttung sehr hoch. Ich atme schnell. Dann kommt die letzte Übung: Zunächst springt man hoch, landet in der Hocke, stützt sich auf die Hände und schwingt die Beine in eine Art Liegestützposition. Danach geht’s wieder zurück in die Hocke und dann wird gesprungen. Ein ganz einfacher Kreislauf, denke ich zumindest, doch nach zehn Sekunden kann ich nicht mehr. Ich versuche, mich hinter dem Rücken von Stefan Haas ein wenig auszuruhen, doch aus dem Augenwinkel sieht er es. Er kommt zu mir, lächelt mich an, muntert mich auf. Ich gebe alles, was ich noch habe. Dann ist es vorbei. Wir stretchen uns, und schon ist die Stunde rum. Eins ist klar, mit schreienden Camouflageträgern hat das hier gar nichts zu tun.