„Sie sagen, dass die Liebe bitter schmecke“, singt Salome kurz vor ihrem Tod. Noch bitterer ist es, wenn man Liebe erst gar nicht erfährt. Was das mit einem Mädchen machen kann, erzählt Regisseurin Silvana Schröder mit ihrer Inszenierung der Strauss-Oper „Salome“, die am Samstagabend in der Oper Kiel Premiere feierte.
Sie ist schon ein gerissenes Ding, diese Prinzessin Salome, der die Männerherzen zufliegen. Ein Wimpernschlag mit den Rehaugen, eine katzengleiche Bewegung und die Männer erfüllen ihr jeden Wunsch. Nur der Mann, den sie glühend begehrt, der Gefangene Jochanaan, will von ihr nichts wissen. Der predigt in seinem Verlies lieber vom Messias. Die Ablehnung trifft Salome ins Mark – sie will Jochanaan bluten sehen. Sie will seinen Kopf.
Den muss sie sich jedoch bitter erkaufen, denn um den Plan umzusetzen, muss sie König Herodes, ihren Stiefvater, überlisten. Herodes ist nur leider das, was man gemeinhin ein dreckiges Schwein nennt: ein lüsterner, selbstgefälliger Mann, der sich nimmt, was er will. Und am meisten will er, natürlich, die rehäugige Salome. Er bietet an, ihr jeden Wunsch zu erfüllen, würde sie nur für ihn tanzen. Salome willigt ein.
Der berühmte „Tanz der sieben Schleier“ wird in Silvana Schröders Inszenierung allerdings zur Vergewaltigung, zum erzwungenen Oral-Sex. Während Salome auf der Bühne vor ihrem Stiefvater und dessen geöffneter Hose kniet, zeigt die Bühnenwand eine Videoprojektion, in der eine große Männerhand der schlafenden Salome sieben Bettdecken vom Köper zieht, bis diese schließlich erwacht. Salomes Zeile von der bitter schmeckenden Liebe bekommt durch diese beklemmende Szene rückwirkend eine entsetzliche Konnotation. Und dass die Mutter von all dem weiß, aber nicht handelt, macht den Moment noch bestürzender.
Kein Wunder, dass Salome am Ende einer Furie gleicht. Den Wunsch nach Jochanaans Kopf muss ihr Herodes nun zugestehen, auch wenn er sich sträubt. Und so steht sie da, mit weit aufgerissenen Augen, in ihrem weißen, blutgetränkten Kleid und mit Jochanaans Kopf in den Händen. Was Liebe eigentlich bedeutet, das weiß sie nun noch weniger als zuvor.
Diese kranke Verzweiflung, den Wahnsinn der Salome spielt Agnieszka Hauzer betörend gut. Auch stimmlich ist sie sicher, wenngleich die Höhen ein wenig wackeln. Ralf Lukas überzeugt mit seinem sanften Bariton als Jochanaan auf voller Linie, jedenfalls in den Momenten, in denen er gegen das starke Orchester (Leitung: Georg Fritzsch) ankommt. Zu Recht wurde auch Kammersänger Wolfgang Schmidt, einer der gefragtesten Herodes-Darsteller weltweit, umjubelt: Gesanglich einwandfrei, Timing auf den Punkt und ein darstellerisches Talent, das große Anerkennung verdient. Daniela Denschlags gibt Salomes Mutter Herodias leider eher schepperig und recht atemlos. Ebenso konnte sich Yoonki Baek als Diener Narraboth wenig hervortun: zu blass, zu starr im Ausdruck. Die Bühne (Ausstattung: Andreas Auerbach) ist schlicht und kühl, versprüht aber wenig Charme und lässt kaum Atmosphäre aufkommen. Immerhin passen die nichtssagenden Kostüme gut in diese Szenerie.
Insgesamt ist es eine schnörkellose Version der „Salome“, die Silvana Schröder auf die Kieler Opernbühne bringt. Dass kann insofern positiv verstanden werden, als dass „Salome“ auf diese Weise zeitlos aktuell wird. Missbrauch, Missachtung, Machtspiele – in vielen Familien leider alltäglicher Wahnsinn, auch heute.
Die nächste Vorstellung findet statt am Donnerstag, den 27. Januar, um 20 Uhr. Tickets und weitere Informationen unter www.theater-kiel.de.
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