Medizinische Zentren, die im Falle einer Krebserkrankung die Versorgung des Betroffenen gewährleisten können, liegen meist nicht immer im näheren Umkreis des jeweiligen Wohnsitzes. Lange Anfahrswege und hohe Fahrtkosten machen den Besuch von außerhalb zu einer schwierigen Sache. In Kiel gibt es für Angehörige jetzt die Möglichkeit, kostenfrei in der Nähe zu wohnen!
Bei erwachsenen Betroffenen ist dieses Konzept etwas Neues. Im Kinderbereich sind sogenannte Elternhäuser, die die Unterbringung gewährleisten, Standard! Da Erwachsene aber genauso viel Beistand in schweren Zeiten brauchen, ist es wichtig, auch hier weiter zu denken.
Gestern, am 10. November, wurde deshalb die Angehörigen-Wohnung in der Annenstraße 48 offiziell eröffnet. Die gemütlich eingerichtete Dreizimmerwohnung bietet Angehörigen von Patienten, die in Kiel behandelt werden, einen Wohn- und Rückzugsort. Ganz unkompliziert kann man sich hier im „Stützpunkt“ melden und eine Woche lang in einem der Räume unterkommen. Initiiert wurde das ganze Projekt von der Schleswig-Holsteinischen Krebsgesellschaft. „Wir sind im Juli hier eingezogen, drei Tage nach dem Umzug kamen die ersten Bewohner. Jetzt haben wir eine dreiwöchige Warteliste“, sagt Katharina Papke, Geschäftsführerin der Schleswig-Holsteinischen Krebsgesellschaft.
Kein Wunder, denn die Dreizimmerwohnung bietet mehr als nur eine Unterkunft. Abends treffen alle Bewohner nach einem langen Tag im Krankenhaus im Aufenthaltsraum zusammen. Eine der aktuelle Bewohner ist Renate Feuersenger. Sie kommt aus der Nähe von Flensburg und unterstützt im Moment ihren Mann, der an Leukämie erkrankt ist und sich zurzeit im Mildred-Scheel-Haus von einer Knochenmarktransplantation erholt. „Hier verzieht sich niemand auf sein Zimmer. Wir fangen uns gegenseitig auf, schließlich sind wir in der gleichen Situation“, sagt die 57-Jährige.
Die persönliche Zuwendung liegt auch dem neunköpfigen Team der ehrenamtlichen Helferinnen sehr am Herzen. In der Woche stehen sie täglich zweieinhalb Stunden als direkte Ansprechpartner in der Wohnung zu Verfügung. Von dort aus organisieren sie auch den Belegungsplan des „Stützpunkts“. „Es ist schön, so direkt helfen zu können. Die Dankbarkeit der Menschen ist eine sehr große Motivation“, findet Claudia Exner, die seit Beginn des Projekts mithilft. Besonders schätzt sie den persönlichen Umgang der Helfer und der Bewohner untereinander. Viele der Ehrenamtlichen haben Verwandte oder Angehörige, die an Krebs erkrankten, oder waren sogar selbst betroffen. Sie können so die Ängste und Stimmungen der Bewohner gut nachvollziehen. Bei ernsten psychischen Problemen ist auch eine Psychologin zur Stelle, die den Angehörigen zur Seite steht und ihnen auch Tipps zur Unterstützung des Erkrankten geben kann.
Finanziell getragen wird die Angehörigenwohnung von Fördergeldern der „DKMS-Stiftung Leben Spenden“, Firmenspenden sowie durch private Spendengelder.
„Schleswig-Holstein ist spendenfreudig, aber es könnte natürlich immer mehr sein“, stellt Prof. Dr. Peter Dohrmann, stellvertretender Vorsitzender der Schleswig-Holsteinischen Krebsgesellschaft, fest. Für ihn ist es sehr wichtig, dass Fördergelder die Bürger erreichen und nicht ausschließlich der Krebsforschung zugutekommen.
Alle Beteiligten des Projekts hoffen, die Wohnung auch langfristig halten zu können und die Möglichkeiten des Angehörigen-Wohnens in Schleswig-Holstein noch zu verbessern.
Wer die Wohnung in Kiel unterstützen möchte, kann seinen Spende hierhin richten:
Spendenkonto der Deutschen Bank Kiel, BLZ 210 700 20, Konto Nr. 0 353 300 04, Stichwort „Stützpunkt“.
Wer Wohnraum für Angehörige benötigt, erreicht den „Stützpunkt“ montags bis freitags von 15 bis 16 Uhr unter der Telefonnummer 0431/800 10 87. Die übrige Zeit besteht die Möglichkeit, eine Nachricht auf dem Anrufbeantworter zu hinterlassen.