Naturbursche, Blondschopf, heimatverbunden oder aber auch Ex-Handballprofi, Trainer, Geschäftsführer. Wolfgang Schwenke ist trotz seines Geburtsortes Flensburg ein echter Kieler, und man kann den Holstein-Verantwortlichen gratulieren, eine solche Integrationsfigur für das Projekt Holstein Kiel gewonnen zu haben.
KIELerLEBEN.de sprach mit Wolfgang Schwenke über Emotionen, Stadionwurst und einen Spagat zwischen Handball und Fußball.
Balanceakt zwischen Geschäftsführer und sportlicher Abteilung
KIELerLEBEN: Herr Schwenke, seit August diesen Jahres sind Sie Geschäftsführer bei Holstein Kiel. Erklären Sie einem Außenstehenden doch mal bitte, was genau Ihre Aufgaben dort sind.
Wolfgang Schwenke: (lacht) Das ist gar nicht so leicht zu erklären. Ich bin als kaufmännischer Geschäftsführer eingestellt worden. Dadurch, dass sich die Ereignisse in den letzten Wochen im Verein überschlagen haben, Stichwort Trainerwechsel, habe ich auch Entscheidungen mitgetragen, die den sportlichen Bereich betreffen. Zudem sind wir momentan auf der Suche nach einem sportlichen Leiter. Meine eigentliche Tätigkeit hier ist aber der kaufmännische Part und die Schnittstelle zum sportlichen Bereich.
Nach den Vorkommnissen um Ex-Trainer Falko Götz ist Ihnen auch die Aufgabe übertragen worden, als Bindeglied zwischen Trainer und Mannschaft zu fungieren. Wie gelingt Ihnen das?
Im Moment gibt es einen großen Nachholbedarf, was das Verhältnis zwischen Mannschaft und Trainer angeht. Die sportliche Abteilung mit den Trainern schätze ich sehr. Im Verein muss man aber auch ein Ohr für die Mannschaft haben, ob es mit dem Trainer funktioniert. Das ist kein leichter Prozess. Ich komme aus dem Sportbereich, bringe natürlich Erfahrung mit und kann mich gut in die Lage beider Seiten hineinversetzen. Mein ganzes Leben ist vom Sport geprägt und ich weiß, was man braucht, um erfolgreich zu sein.
Und wie nah sind Sie an der Mannschaft?
Es ist so, dass ich mir auch Auswärtsspiele anschaue oder ab und an mal beim Training vorbeikomme, um mit der Mannschaft zu sprechen oder Fragen und Probleme zu klären. Natürlich stehe ich aber auch im engen Kontakt zu den Trainern.
Wieviel Zeit nimmt ihr Job denn momentan ein, wenn sie sowohl im kaufmännischen als auch im sportlichen Bereich fungieren?
Im Moment besteht natürlich ein hoher zeitlicher Aufwand, aber ich finde diese Aufgaben auch super spannend und von daher ist die Zeit, die man mehr investiert, nicht der Rede wert. Man ist hier angetrieben vom Ehrgeiz, mit Holstein erfolgreich zu sein.
Höhen und Tiefen
Hätten Sie gedacht, dass es bei Holstein Kiel innerhalb so kurzer Zeit so ereignisreich werden würde?
In den drei Monaten, in denen ich hier bin, ist natürlich eine Menge passiert. Dass es gleich so aufregend sein wird, hätte ich nicht gedacht. Ich für meinen Teil hätte es mir ein wenig ruhiger gewünscht. Aber so ist das manchmal im Sport. Und da geht es auch nicht darum, in Problemen zu denken, sondern in Lösungen. Ich glaube, wir haben die Situation ganz gut gemeistert und mit Christian Wück einen Trainer gefunden, der die nötige Ruhe mitbringt. Ich habe ein gutes Gefühl und bin ganz positiv gestimmt, was die Zukunft angeht.
Die aktuelle Saison läuft ja eher durchwachsen. Wo sehen Sie Holstein Kiel am Ende der Saison?
Wir haben natürlich Höhen und Tiefen gehabt. Mittlerweile habe ich aber einen ganz guten Überblick über die Leistungsdichte in der Liga und muss sagen, wir waren kaum in irgendeinem Spiel unterlegen. Leider haben wir es nicht geschafft, auch klar überlegene Spiele zu gewinnen. So etwas ist natürlich brutal im Fußball. Im Handball würde es so etwas nicht geben. Wenn ich an das Spiel zu Hause gegen Jena denke, da hatten wir ungefähr 14 Torchancen, Jena gewinnt aber durch ein Tor aus zwei Chancen mit 1:0. Aber ich bin dennoch zuversichtlich, da die Mannschaft gezeigt hat, dass sie mithalten kann. Nur gehören dazu natürlich Ergebnisse. Es fehlt noch dieses entscheidende Quentchen, diese Entschlossenheit, die in den nächsten Spielen kommen muss.
Haben Sie einen konkreten Tabellenplatz als Saisonziel?
Wenn wir Zehnter oder Neunter werden, wäre es toll. Das sollte auch unser Ziel sein.
Fußball, Handball oder beides
Haben Sie es je bereut, von Handball zum Fußball zu wechseln? Beim THW Kiel war ja vor kurzem auch eine Position in der Geschäftsführung frei.
Nein, ganz im Gegenteil. Ich wusste ja, worauf ich mich einlasse. Genau so etwas habe ich gesucht. Ich wollte nicht 20 Jahre Handball-Trainer bleiben. Ich wollte meine sportliche Vergangenheit mit meinen beruflichen Kenntnissen verknüpfen. Dass es dann Fußball geworden ist, hat sich so ergeben und ich fühle ich mich sehr wohl hier.
Haben Sie sich bei Holstein Kiel auf die freie Stelle wie im normalen Berufsleben beworben?
Nein, beworben habe ich mich nicht. Ich wurde angesprochen, ob ich mir die Aufgabe überhaupt vorstellen könnte. Durch einzelne Gespräche hat sich das dann so ergeben. Es gab mit Sicherheit viele Bewerber auf diese Stelle. Letztendlich sitze ich hier als Geschäftsführer und, wie gesagt, habe sehr viel Spaß daran. Und ich hoffe, dass wir auch sportlich den Erfolg feiern können, denn das wäre auch für den Marketingbereich ein schmückendes Beiwerk und Antriebsfeder für die nächste Dimension.
Könnten Sie sich denn vorstellen, erneut als Handballtrainer aktiv zu werden?
Vorstellen kann ich mir alles. Vor einem Jahr hätte ich auch nie gedacht, dass ich mal als Geschäftsführer bei einem Fußballverein sitzen werde. So spielt manchmal das Leben. Wenn ich in die Zukunft schauen könnte, würde ich sofort mit Glücksspielen anfangen. Das Leben macht nun mal, was es will. Das beschreibt auch mein Werdegang. Wenn ich so sehe, was ich alles gemacht habe – Handballprofi, Ausbildung zum Krankengymnast, BWL-Studium mit Schwerpunkt Marketing – dann habe ich den Schritt gewagt, als Handball-Trainer aktiv zu werden, und jetzt sitze ich hier in Kiel als Geschäftsführer eines Fußballvereins. Mein Leben hat also viele Facetten. Ich habe das Glück, in vielen Bereichen Erfahrungen zu sammeln, die sehr, sehr wertvoll sind und einem helfen können. Manchmal blicke ich schon so ein bisschen schmunzelnd auf mein Leben zurück und finde es klasse, dass es nicht eintönig verlief.
Bleibt Ihnen denn noch überhaupt Zeit mal in der Sparkassenarena vorbeizuschauen?
Ja, unbedingt. Ich gucke mir natürlich Spiele an. Gerade neulich, als der THW Kiel gegen die Rhein-Neckar-Löwen gespielt hat. Dann schaut man sich die Jungs an, und durch ihre Mimik und Gestik realisiert man ganz genau, was sie fühlen. Wenn man Trainer gewesen ist, dann weiß man halt, wie die so ticken. Es ist auch schön, dass ich während meiner Zeit bei den Löwen ganz tolle Menschen kennengelernt habe, die mein Leben bereichert haben. Das muss man mal so sagen. Aber ich schaue mir natürlich gerne Spiele in der Sparkassenarena an, auch wenn Anfang Januar der Budenzauber mit Holstein Kiel ansteht. Da gucken wir dann Fußball in der Halle. Ich bin ja sportinteressiert. Seit meinem achten Lebensjahr betreibe ich Sport, sei es nun Leichtathletik, Handball oder sonst was. Wenn man sich dem Spitzensport gewidmet hat, ist man natürlich mit Herz und Seele dabei.
Herzensangelegenheit
Was schauen Sie denn lieber - Handball oder Fußball?
Also ich schaue jetzt nicht jedes Bundesligaspiel im Fernsehen. Aber ich finde es ganz toll, in ein Fußballstadion zu gehen. Das hat einen unheimlichen Event-Charakter. Das ganze Drumherum ist irre. Dazu gibt es trotz der ganzen Umbauten und steigenden Zuschauerzahlen immer noch die Stadionwurst und das Bierchen. Fußball kann unheimlich elektrisieren. Wenn ich an unser Stadion hier denke und an die Situation zu Hause gegen Ingolstadt: Es steht 2:1 und in der Nachspielzeit gibt es den Freistoß, das ganze Stadion brüllt und feuert die Mannschaft an, dann kommt der Schuss und der Ball geht ins Tor, und durch die Zuschauermassen dringt diese Erleichterung und Freude – sowas macht Fußball aus. Das Wetter ist schietig, die Spieler sind schmutzig vom Rasen und dann holen wir in der letzten Sekunde noch einen Punkt. Dieses Wir-Gefühl, welches man da gespürt hat, das wünsche ich mir, dass wir das in Zukunft noch ausbauen, und dass die Zuschauer nicht nur kommen, wenn wir erfolgreich sind. Holstein Kiel soll eine Herzensangelegenheit sein. Das ist natürlich ein Prozess, der Ruhe und Kontinuität braucht. Aber ich muss den Kielern auch mal ein Kompliment machen – ich habe auch die Anfänge beim THW Kiel mitbekommen. Die Halle war zwar immer voll, aber es war noch keine Herzensangelegenheit. Das ist erst mit den Jahren gewachsen. Heute kann es Steine regnen, die Leute strömen trotzdem in die Halle und das ist einfach klasse.
Heimatverbunden und Familienmensch
Bis auf kleinere Ausnahmen sind Sie dem hohen Norden immer treu geblieben. Ist Ihnen die Nähre zur Heimat sehr wichtig?
(lacht) Ja. Ich habe schon eine irre Konstellation: in Flensburg geboren, in Bad Schwartau groß geworden und in Kiel Handball gespielt. Wenn wir auf dem Kieler Rathausplatz die Meisterfeiern hatten und ich angekündigt worden bin und man sagte, dass ich in Flensburg geboren worden bin, dann kamen immer Buh-Rufe und erst als mein Name fiel, hat man mir zugejubelt. Ich bin sehr heimatverbunden und durch und durch Schleswig-Holsteiner. Ich mag Schleswig-Holstein und finde das Land toll. Viele sagen, es sei hier provinziell. Das mag sein. Aber besonders hier in Kiel hat man alles in unmittelbarer Nähe. Den Strand, den Wald, Hamburg als Großstadt liegt in der Nähe, in zwei Stunden ist man auf Sylt, wir liegen hier zwischen zwei Meeren. Auch wenn das Land sehr eben und flach ist, fühle ich mich hier sehr wohl. Trotz lukrativer Angebote, das Jahr bei den Rhein-Neckar Löwen ausgenommen, bin ich Schleswig-Holstein immer treu geblieben.
Also haben Sie die Heimat über die Karriere gestellt …
Ich bin kein sprunghafter Mensch und brauche ein Umfeld, in dem ich mich wohlfühle. Und dieses Umfeld sehe ich hier in Kiel. Das Jahr in Mannheim habe ich nie bereut, aber es gibt dort kein Wasser (lachend). Mein Familie ist hier und so ein Nomadenleben möchte ich einfach niemandem antun. Meine Frau arbeitet in Kiel, die Kinder gehen hier zur Schule. Da bin ich ein Familienmensch und sehr harmoniesüchtig.
Welche Ziele haben Sie sich denn mit Ihrer Position hier als Geschäftsführer gesetzt?
Mit dem Umbau des Stadions und den neuen Flutlichtern sind schon große Schritte getan. Demnächst ziehen wir mit der Geschäftsstelle nach Projensdorf um. Zudem steht die Kommunikation weiter im Vordergrund. Jeder sollte Kritik üben, wenn sie sachlich ist, damit Holstein Kiel erfolgreich sein kann. Wir wollen polarisieren und emotionalisieren. Ich fühle mich als Gastgeber und dadurch auch mitverantwortlich, dass sich die Menschen hier wohl fühlen. Das sollte unser Ziel sein.
Das Interview führten Julia Borrmann und Olaf Ernst