„Punkt, Punkt, es fehlt ein Sieg, fertig ist der Holstein-Abstieg.“ Die Lust der Störche-Fans an lustigen Reim-Spielen um die KSV-Zukunft reißt auch nach dem 1:1 beim SV Sandhausen nicht ab. Angesichts eines erneuten Unentschiedens in einem Spiel, in dem Holstein Kiel über weite Strecken die klar bessere Mannschaft war, wird der schwere Gang in die Regionalliga-Nord mit zunehmender Zahl der noch verbleibenden Spiele zur Slapstick-Komödie.
Hin und wieder ist auch in der 3.
Liga mächtig Medientrubel angesagt: in Kiel zuletzt, als Klaus Augenthaler sein erstes Pflichtspiel als Trainer für die SpVgg Unterhaching absolvierte. Doch die Zahl an TV-Kameras und Fotoapparaten wurde in Sandhausen um ein Vielfaches überboten, da Schiedsrichter Michael Kempter 83 Tage nach der über die Öffentlichkeit ausgetragenen Liebes-Affäre mit DFB-Schiedsrichtersprecher Manfred Amerell seine erste Partie im Profifußball leitete. Kempter sollte dies unauffällig und ruhig tun, sodass der ganze Trubel zur Nebensache wurde.
Nachdem das Schiedsrichtergespann sich und den Mannschaften den Weg durch die Medienvertreter auf den Platz gebahnt hatte, konnte das achtletzte Drittligaspiel der Saison 2009/10 für Holstein Kiel beginnen. Störche-Trainer Christian Wück hatte in der Startelf ordentlich rotiert. Mit Schulz, Müller, Sykora, Sembolo und Cannizzaro tauschte er beinahe die halbe Mannschaft aus. Holt fehlte rot-gesperrt, Meyer fehlte angeschlagen, Vujcic saß nicht einmal auf der Bank, wo Jerat und Wulff zunächst gemeinsam mit Henzler, Boy, Gutzeit, Siedschlag und Brückner Platz nehmen mussten. Auch das Grundsystem stellte Wück um, spielte im Mittelfeld mit einer Viererraute und zwei Spitzen, anstatt der defensiveren Variante mit zwei defensiven Mittelfeldspielern und nur einer Spitze.
In der 8. Minute kam es zur ersten Aufregung der 1.370 Zuschauern: Nach einer Flanke klärte Peter Schyrba mit dem Arm, doch Schiri Kempter beurteilte das Handspiel als unabsichtlich und ließ die Partie weiterlaufen. Doch im weiteren Verlauf wirkten die Sandhausener träge. Holstein wirkte im präsenter und hatte die Defensive im Griff. Nach 16 Minuten zog Massimo Cannizzaro zentral von der Strafraumgrenze ab, SVS-Keeper Kirschbaum rette in höchster Not zur Ecke. Zehn Minuten später hatte der Winterzugang Probleme mit der Ballkontrolle und kam in Rücklage zum Abschlusslupfer, der aber auf dem Tornetz landete. In der 35. Minute kam Sandhausen-Stürmer Regis Dorn aus 13 Metern frei vor Michael Frech zum Schuss, verzog aber glücklicherweise den Ball neben das Tor. Das war's dann aber auch schon in der ersten Halbzeit. Holstein hatte mehr Ballbesitz zu verzeichnen, die Räume im Mittelfeld gut genutzt, aber noch zu wenig Druck auf das SVS-Tor ausüben können.
Keine Änderungen zum zweiten Durchgang, aber wache Störche mit der schnelle Führung. Nach einem Befreiungsschlag von Peter Schyrba gelangte der Ball zu Massimo Cannizzaro, der nach einem gelungenen Doppelpass mit Francky Sembolo zur 1:0-Führung durch die Beine des Gastgeber-Schlussmanns Kirschbaum abschloss (47.). Holstein jetzt am Drücker. Heider (49.) und Sembolo (51.) zielten allerdings nicht genau genug. Nach einem Konter in der 60. Minute, Lamprecht konnte den Ball von rechts nicht zu einem Holstein-Spieler vor dem Gehäuse passen, konnte Sandhausen das Spiel wieder offener gestalten, ohne dabei aber Gefahr auf das Holstein-Tor auszuüben. In der 70. Minute der erste Schuss aufs Tor von Michael Frech, der keine Probleme mit Ball von Daniel Jungwirth hatte. Fünf Minute später beinah die Vorentscheidung, doch der 25-Meter-Freistoß von Tim Jerat schepperte nur an den Außenpfosten. Nach den vergebenen Torchancen ahnten Holstein-Kenner, was kommen musste: Der SVS drängte auf den Ausgleich und Holstein beging einen individuellen Fehler: Kurz ausgeführte Ecke, Flanke von der linken Seite, Regis Dorn entwischte Fiete Sykora im Rücken und schoss aus acht Metern scharf ins kurze Eck zum 1:1 (85.). Sandhausen spielte jetzt auf Sieg und Holstein hatte größte Mühe das Durcheinander im eigenen Strafraum zu beherrschen Frech und Schyrba retten zwei Mal in höchster Not den einen Punkt.
Wieder ordentlich gespielt, wieder nur einen Punkt geholt. Für den Kieler Klassenerhalt leider zu wenig. Mit acht Punkten bleibt bei noch sieben ausstehenden Spielen bleibt der Klassenerhalt rechnerisch möglich, aber angesichts der Leistungen der letzten Spiele einem Wunder gleich. Und während Trainer und Spieler von Holstein Kiel noch den vergebenen Torchancen und zwei Punkten hinterher trauerten, reimten die Holstein-Fans schon für die nächsten Störche-Spiele Abstiegsreime …
SV Sandhausen: Kirschbaum - Throm (ab 64. Öztürk), Bindnagel, Eberlein (ab 46. Waldecker), Aygün - Pinto, Jungwirth, Schauerte, Mintzel - Hosiner (ab 72. Cenci), Dorn
Holstein Kiel: Frech - Schulz, Schyrba, Rohwer, Jürgensen - Müller (ab 55. Jerat), Lamprecht (ab 65. Siedschlag), Heider - Sykora - Sembolo (ab 78. Brückner), Cannizzaro
Tore: 0:1 Cannizzaro (47.), 1:1 Dorn (85.)
Schiedsrichter: Kempter (Sauldorf)
Foto: Patrick Nawe