Mit einer Notelf alles gegeben, bis zum Umfallen gekämpft und doch wieder nur einen Punkt erarbeitet. Das 2:2 zwischen Holstein Kiel und der SpVgg Unterhaching hinterließ enttäuschte Holstein-Akteure, und bringt die Störche im Abstiegskampf nicht weiter.
Durch die Siege von Wuppertal und Stuttgart beträgt der Rückstand auf einen Nichtabstiegsplatz fünf Punkte.
Eigentlich lief für Holstein Kiel alles nach Maß: Das Blitzlichtgewitter um den neuen Haching-Trainer Klaus Augenthaler war gerade verzogen, dieser hatte sich gerade die Aufstellung der Kieler notieren wollen, als es bereits zum viel umjubelten 1:0 für die Kieler einschlug. 84 Sekunden waren gespielt, da hatte Christopher Lamprecht einen Einwurf, im übrigen die wirkungsvollste „Standardvariante“ die man von Kiel zuletzt zu sehen bekam, über 20 Meter in den Strafraum geschleudert, Tim Wulff den Ball unter Bedrängnis über den Scheitel rutschen lassen und am langen Pfosten Michael Holt bereitgestanden, der schneller als sein Gegenspieler Schulz den Ball aus sechs Metern flach unten links in die Ecke köpfte.
Magen-Darm-Virus fordert U23-Akteure
Durch den Treffer wurden Kräfte frei gesetzt. Die Störche vergaßen für einige Minuten, dass da eine Rumpfelf auf dem Platz stand: mit Timo Bruns, Matthias Hummel und Hauke Brückner drei U23-Spieler, die mittags erfahren hatten, im Kader zu stehen und um 17 Uhr von ihrer Startelfnominierung. Eine Innenverteidigung mit Hummels und Jürgensen und ein defensives Mittelfeld mit Bruns und Brückner, die es beide so schnell in dieser Formation wohl nicht wieder geben wird. Und mit Patrick Nagel und Marc Heider, die schon lange keine Partie mehr von Anfang bestritten hatten. Ein Magen-Darm-Virus hatte neun Spieler außer Gefecht gesetzt. Allein Fiete Sykora, der sich auf die Bank gequält hatte, war vier Mal während des Warmlaufens in der Kabine verschwunden.
Blitzstart, aber Haching kommt ins Spiel zurück
Die Störche gaben alles: Tim Wulff war der Herr der Lüfte, verlor bis zur 20. Minute nicht ein Kopfballduell. Bruns und Brückner stellten das Mittelfeld der Hachinger schachmatt und auch über die Außen kamen die Gäste dank aggressiver Kräfte namens Marc Heider, Kevin Schulz und Christopher Lamprecht nicht zum Zug. Bis knapp 20 Minuten gespielt waren. Das Team von Klaus Augenthaler hatte sich an die widrigen Platzverhältnisse und den Rhythmus der Gastgeber gewöhnt und versuchte den Ball laufen zu lassen. Der ballsichere Leandro Grech war zentrale Anspielstation und suchte immer wieder den Sturmführer Thomas Rathgeber in der Spitze. In dieser Phase wurde offensichtlich, dass Kampf an diesem Tage unter Umständen nicht reichen könnte. Die Bälle wurden von Holstein zwar kurzzeitig gewonnen, aber auch gleich wieder verloren. Insbesondere Marc Heider, Timo Bruns und Patrick Nagel merkte man fehlende Spielpraxis in der 3. Liga an. Haching kam zu Torraumszenen: 19. Minute, steiler Pass in den Strafraum, wo Rathgeber in letzter Sekunde fair von Hummels ins Toraus gedrängt werden konnte. 24. Minute, sehenswerter Fallrückzieher von Tobias Schweinsteiger aus zehn Metern, den Michael Frech sicher parierte. Die Holstein-Defensive hatte zuvor einen Freistoß nicht weit genug klären können. In der 30. Minute konnte Frech einen zwölf-Meter-Schuss von dem frei durchgestarteten Rathgeber, der von Grech in die Gasse geschickt worden war, per Glanzparade klären. Doch dann kam die 34. Minute. Diesmal hatte der Hachinger Konrad einen Ball in die Spitze gebracht, Rathgeber sich unbeirrt von Hummels Drängeln, Zerren und Zupfen ihn seiner entledigt und satt zum 1:1 abgeschlossen. Hachings Trainer Klaus Augenthaler, der bis dahin die komplette Spielzeit gestanden hatte, setzte sicher erstmals. Sein Kieler Gegenüber wurde lauter: Immer wieder forderte Christian Wück seine Spieler auf, die Oberbayern schneller und enger zu decken, doch häufig rannten die Kieler hinterher. Mit einem 1:1 ging es in die Pause.
Zweiter Blitzstart und Haching macht aus (k)einer Chance ein Tor
In der zweiten Halbzeit waren 59 Sekunden gespielt: Der Schiedsrichter-Assistent wies gerade Klaus Augenthaler darauf hin, dass er bitte seine Auswechselspieler mit andersfarbigen Leibchen ausstatten solle, da diese die gleiche Farbe wie die des Gästekeepers-Trikot hätten, als es erneut im Tor von Darius Kampa einschlug. Es war der schönste Spielzug der Partie und von Holstein insgesamt seit langem: Ausgangspunkt erneut Christopher Lamprecht auf der rechten Außenbahn, der in der Mitte den freien Timo Bruns sah, beide mit einem prima Doppelpass die Hachinger Defensive aushebelten, Lamprecht fünf Meter von der Grundlinie den Ball scharf und flach nach innen flankte und Tim Wulff fünf Meter vor dem Hachinger Tor nur noch sein langes Bein ausfahren musste. 2:1 – erneuter Traumstart, der das Kieler Publikum wachrüttelte. Es gab noch zwei Schrecksekunden zu überstehen, als in der 50. Minute, der sonst beste Kieler, Christopher Lamprecht den Ball zweimal in Höhe der Mittellinie direkt in des Gegners Füße bugsierte und damit zwei Konter einleitete, die Störche-Defensive aber klären konnte, dann war erstmal Ruhe.
Unterhaching enttäuschend, Kiel aber spielerisch keinen Deut besser
Denn die zweite Hälfte verlief fortan deutlich anders, als die erste. Haching hatte keine zündenden Ideen, Kiel stellte sich tief in die eigene Hälfte und hatte mit dem drucklosen Spiel der Gäste keine Probleme. Anders herum, sorgte Kiel für zu wenig Entlastung und bewies im Spielaufbau deutliche Mängel. Selbst ein sonst ballsicherer Michael Holt drehte sich nach Anspiel immer wieder direkt in den Gegenspieler, so dass dieser keine Mühen hatte, den Ball zu erobern. Das Spiel plätscherte auf schwachem Niveau vor sich hin, immerhin die kämpferische Leistung der Heimelf stimmte noch immer. Torraumszenen fanden bis zur 80. Minute keine statt. Dann kam der große Auftritt des eingewechselten Dimitrijus Guscinas. Von dem linken Mittelfeldspieler Zillner hatte er den Ball erobert, marschierte diagonal durch des Gegners Hälfte, entledigte sich unterwegs noch zwei Gegenspielern, zwischenzeitlich hatte er den Ball beinah schon wieder verloren, stand urplötzlich alleine vor Torwart Kampa und knallte den Ball aus 14 Metern ans Tor, genauer gesagt an die Unterlatte – das Leder sprang ins Feld zurück, Chance dahin. Haching zeigte keinen großen Strumlauf, kam aber doch noch zum Ausgleich. Foul Holstein 15 Meter hinter der Mittellinie, Freistoß Zillner an die Strafraumlinie und der eingewechselte Sebastian Mützel, der zuvor in 18 Minuten vier Ballkontakte gehabt hatte, köpfte den Ball unhaltbar aus 16 Metern über Michael Frech hinweg ins lange Eck. Auch wenn der Ball lange in der Luft gewesen war, bestand keine Chance für den Holstein-Keeper. Ungläubige Gesichter auf dem Platz, das Publikum war wieder voll hinter Holstein, die noch einmal alles probierten, aber in den letzten Minuten wieder nur „Standardchens“ von Michael Holt zu Wege brachten. In der dritten Minute der Nachspielzeit pfiff Schiedsrichter Nowak aus Bottrop ab.
„Ein Unentschieden nützt nur den Mannschaften, die es nicht erzielt haben.“
Abgekämpfte Holstein-Akteure verließen mit tief enttäuschter Miene das Spielfeld. Trotz 90 Minuten des Kampfes, der Aggressivität und der Moral hatte es nicht für die so wichtigen drei Punkte gereicht. „Ein Unentschieden nützt nur den Mannschaften, die es nicht erzielt haben“, so Trainer Christian Wück. Dennoch war der Mannschaft wahrlich kein Vorwurf zu machen, im Rahmen der Möglichkeiten hatte diese Notelf alles gegeben. Doch wie so oft in dieser Saison, hatten diese geleisteten Möglichkeiten nicht gereicht, einen Gegner, der im Grunde so aufgetreten war, wie Holstein in Heidenheim, ohne Willen, spielerischer Durchschlagskraft und Selbstvertrauen, zu bezwingen.
Holstein Kiel: Frech - Lamprecht, Hummel, Jürgensen, K. Schulz - Heider (ab 64. Guscinas), Bruns, Brückner, Nagel (ab 76. Siedschlag) - Holt, Wulff (ab 84. Gutzeit).
SpVgg Unterhaching: Kampa - T. Schulz, Hain, Brysch, Ziegler - Balkan (ab 71. Mitterhuber), Konrad , Leandro, Zillner - Schweinsteiger (ab 64. Mützel), Rathgeber
Tore: 1:0 Holt (2.), 1:1 Rathgeber (33.), 2:1 Wulff (46.), 2:2 Mützel (86.).
Stimmen
Andreas Bornemann (sportl. Leiter Holstein Kiel): „Wir haben heute zwei Punkte verloren. Zweimal geführt, zweimal den Ausgleich kassiert und besonders das zweite Tor wieder durch einen Standard. Ärgerlich! Aber Hut ab vor der Moral, dem Willen und vor der Leistung der Mannschaft, die heute so ersatzgeschwächt und vorher noch nie in dieser Zusammensetzung gespielt hat. Sie hat alles gegeben. Schade, dass es nicht gereicht hat.
Chirstopher Lamprecht: „Am Ende ist leider alles wieder egal. Der Punkt hilft uns nicht weiter. Wir müssen die nächsten zwei Spiele gewinnen, sonst ist der Ofen hier langsam aus.“
Michael Holt: „Die Enttäuschung ist riesig, gerade wenn man sieht, dass bei uns der Ball von der Latte rausspringt und Unterhaching so ein komisches Ding reinmacht. Das Glück haben wir leider derzeit nicht.“
Marc Heider: „Für mich war es schön heute schmerzfrei von Anfang an spielen zu können, auch wenn die Luft noch nicht für 90 Minuten gereicht hat. Nur müssen wir jetzt Siege einfahren. dazu will ich beitragen.“
Klaus Augenthaler (Trainer SpVgg Unterhaching): „Man muss beiden Mannschaften ein Kompliment machen, auf diesen Platzverhältnissen und bei diesem Tempo, ein solches Spiel absolviert zu haben. Kiel hat mit enormen Einsatz gespielt, aber großen Respekt auch meiner Mannschaft zweimal wieder ins Spiel zurückgekommen zu sein.“
Christian Wück (Trainer Holstein Kiel): „Wir haben in der zweite Halbzeit nicht eine Torchance zugelassen, aber dann macht Haching wieder aus einer Standardsituation den Treffer. Und das ist einfach bitter für uns, dass wir uns wieder nicht belohnen für unheimlich viel Einsatz, den wir trotz unserer personellen Situation erbracht haben. Großen Respekt an die ganze Truppe, auch an die, die auf der Bank saßen, die alles gegeben hat, das war klasse! Aber heute freuen sich mal wieder die anderen Mannschaften, nicht wir.“
Fotos: www.lichtundfeder.de