KIELerLEBEN: Man hört ja viele Geschichte über die Entstehung eures Bandnamens … Christian: Welche kennst Du denn? Naja, man hört da so was von einem Vater von jemandem, der eine Polarexpedition gemacht hat und von Fußzehen… Christian: Ja, die stimmt auch. Es war der Vater von einem Bekannten, der eine Expedition zum Polarkreis machen wollte, kurz nach der Wende. Er war allerdings von der Wärmebekleidung nicht gut ausgestattet, ist dann ein bisschen vom Weg abgekommen und hat sich leider zwei Zehen abgefroren.
Und der Name ist dann eben ein Wortspiel: Polarkreis und acht Zehen – also 18. Ihr tragt auf öffentlichen Auftritten immer weiße Klamotten, eure Alben und Videos sind in weiß gehalten – was wollt ihr damit ausdrücken? Silvester: Bis vor drei, vier Jahren haben wir uns nie so um eine visuelle Konzeption gekümmert. Irgendwann ist uns aufgefallen, dass es viel mehr ein Gesamtbild ergeben würde, wenn wir zu dem Musikalischen, bei dem wir immer extrem perfektionistisch waren in den elf Jahren Bandgeschichte, auch das Visuelle perfektionieren. Das ist das, was die Leute als Erstes sehen. Das Weiß unterstützt den Bandnamen und die Klarheit und Perfektion, die wir in unserer Musik ausdrücken wollen. So hat sich das Konzept dann Stück für Stück ergeben. „Colour of Snow“ ist ja mittlerweile schon das zweite Album, wie habt ihr euch denn im Gegensatz zum ersten Album „Polarkreis 18“ weiterentwickelt? Silvester: Der größte Unterschied war, dass wir vor der Entstehung ein kleines Haus gemietet und uns wochenlang eingeschlossen haben, um gemeinsam an den Songs zu arbeiten und so jeder gleichermaßen an dem Prozess beteiligt war. Dann haben wir zum ersten Mal mit einem großen Orchester gearbeitet, dem Babelsberger Filmorchester. Außerdem haben wir versucht, das Songwriting ein bisschen klarer zu gestalten, etwas einfacher zu strukturieren. Es ist nicht immer leicht, etwas Einfaches zu schaffen, das trotzdem nicht plump klingt. Das gepaart mit dem Sound und dem technischen Anspruch, den wir schon immer hatten, war unser Ziel fürs Album. Und inhaltlich? Wie haben sich eure Texte verändert? Christian: Es gab eigentlich zu jedem Lied auf der zweiten Platte textlich ein konkretes Thema. Als Unterschied zur ersten Platte, da waren die Songs viel mehr instrumental als dass ein Text transportiert wurde. Bei der zweiten Platte ist es dann aber ganz bewusst so gewesen – zum Beispiel bei „Allein Allein“ die Einsamkeit in einer großen Masse, bei „Happy Go Lucky“ die Suche nach der Einfachheit, die sich bei uns in der Musik finden lässt, ganz genauso wie in anderen Bereichen bei allen Menschen auch. Oder bei „The Colour of Snow“, die Manipulation von Menschen. Stehen die Songs denn auch in einem gemeinsamen Kontext oder sind es dann doch eher einzelne Werke? Silvester: Es sind schon einzelne Werke. Wir sind immer darauf bedacht ein Album zu schreiben, was vielschichtig ist, das heißt das wirklich von Extremen zu Extremen geht. Lieder wie „Allein Allein“ stehen im absoluten Kontrast zu Sachen wie „River Loves The Ocean“, was eine ganz ruhige Ballade mit Streichern ist. Aber genau das ist der Kontrast, den wir immer bringen wollen. Und wie kommt es dass ihr Englisch und Deutsch in euren Songs verwendet? Silvester: Eigentlich haben wir schon immer Englisch gesungen. Nur bei unseren ersten Gehversuchen, so mit 13, 14 Jahren, als wir noch Punkmusik gemacht haben, haben wir Deutsch gesungen – über bunte Haare (lacht). Dann haben wir zehn Jahre lang Englisch gesungen, also ist auch die komplette erste Platte in Englisch. Aber gerade weil wir dann den Wunsch hatten, tiefere und wichtigere Themen zu besingen, wollten wir, dass die Leute es auch wirklich verstehen. Deshalb haben wir die Kernaussagen in Deutsch gehalten, so reduziert wie möglich, dass die Leute anfangen, sich darüber hinaus Gedanken über den Text zu machen. Christian: Das ist schon eine spannende Sache, die ja auch nach hinten hätte losgehen können. Aber sie soll schon auch ein Alleinstellungsmerkmal sein. Mittlerweile finden sich eure Songs ja auch schon in Castingshows - Daniel Schuhmacher hat sich zum Beispiel an „Allein Allein“ versucht, wie fandet ihr den Auftritt? Christian: Unangenehm, für mich. Fetzen tut das nicht (lacht). Abgesehen davon ist es natürlich schon eine Art Auszeichnung, wenn ein Lied von uns so eine Relevanz bekommen hat. Silvester: Ich fand es nicht wirklich beeindruckend, aber dadurch dass der Song von jemand anderem gesungen und neu interpretiert wurde, ist mir aufgefallen, dass er mich wahrscheinlich, wenn ich ihn nicht gekannt hätte, doch berührt hätte. Den Song, wie er im Original von uns klingt, kennt man über Monate hinweg schon, man ist eigentlich nicht mehr berührt. Aber offenbar, durch dieses neue Soundgewand mit neuem Interpreten, auch wenn es nicht sonderlich schick war, habe ich gemerkt: der Song funktioniert. Also sind Castingshows nicht so euer Ding? Christian: Nein, das hat mit Musik relativ wenig zu tun. Das sind Interpreten, die da sondiert werden und die dann Lieder anderer Leute singen. Das ist der pure Unterhaltungsteil von Popmusik. Und bei uns ist es so, dass wir natürlich zum einen die Interpreten sind, zum anderen aber auch die Urheber der Lieder. Das ist der Anspruch und letzten Endes auch die Kunst, die im Musikmachen steckt – dass man die Musik macht und aufführen kann, dass man auch eine Live-Band ist. So wie wir das heute Abend auf der Kieler Woche unter Beweis stellen werden! Das Interview führten Dana Wengert und Kerstin Klostermann Foto: Copyright by Motormusic/ Matthias Popp www.polarkreis18.de Zu den Konzert-Fotos geht es hier …